Nach dem Schlussbericht der Arbeitsgruppe Urheberrecht AGUR12 hat es sich bereits länger abgezeichnet, nun wurde diese Woche der Entwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (URG) vom Bundesrat veröffentlicht: Im Zentrum der Vorlage stehen «Massnahmen zur Bekämpfung der Online Piraterie». Diese umfassen eine Identifizierung der BenutzerInnen von Peer-to-Peer-Netzwerken zur zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung, die Pflicht für Schweizer Hosting Provider unrechtmässig veröffentlichte Inhalte von ihren Servern zu entfernen und die Verpflichtung für Acces Provider den Zugang zu entsprechenden Servern im Ausland zu blockieren.
Die Vorlage umfasst viele weitere Aspekte. Im folgenden soll ausschliesslich auf die Verfahrensabläufe in diesen drei Massnahmen eingegangen werden.
Three strikes
Das Verfahren zur Identifikation und Verfolgung von TeilnehmerInnen bei Rechtsverletzungen im Internet sieht folgendes vor:
- Die IP-Adressen von TeilnehmerInnen von Peer-to-Peer-Netzwerken, die an einer mutmasslich schwerwiegenden Verletzung des Urheberrechts beteiligt sind, werden durch die verletzte Personen gesammelt (Art. 66j E-URG).
- Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten (Zugangsprovider) stellen daraufhin den entsprechenden TeilnehmerInnen zwei Warnhinweise zu (Art. 66g E-URG).
- Falls eine weitere Verletzung festgestellt wird, ordnet das Gericht die Identifikation der TeilnehmerInnen an und verfolgt den Sachverhalt in zivilrechtlichen Verfahren (Art. 62a E-URG).
Damit wird das Logistep-Urteil aufgehoben, welches der Unterhaltungsindustrie weitgehend untersagte, personenbezogenen Daten zur Verfolgung von Urheberrechtsverstössen zu sammeln. Die Rechtsdurchsetzung wird dadurch privatisiert und die Gefahr von Massenabmahnungen prinzipiell wieder möglich.
Was die Regelung für Schulen, Hotels, Bibliotheken & Firmen bedeutet, bleibt weitgehend unklar. Sicherlich würden viele Organisationen nochmals verstärkt Filtersoftware installieren, die den Netzwerkverkehr überwachen, und ihre WLAN-Zugänge weiter zunageln.
Take down and stay down
Eine Sperrung des Zugangs zu oder das Entfernen von widerrechtlich veröffentlichten Werken würde diesem Schema folgen:
- Die Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste (Hosting Provider) sperren den Zugang zu mutmasslich unrechtmässig veröffentlichen Werken («take down») auf Mitteilung der im Urheberrecht verletzen Person (oder einer zuständigen Behörde; Art. 66b E-URG).
- Der Hosting Provider leitet seinem Kunden die entsprechende Information weiter (Art. 66b E-URG).
- Auf einen erfolgten Widerspruch des Kunden (mit einer Adresse in der Schweiz) wird das Werk vom Hosting Provider wieder zugänglich gemacht und die Identität des Kunden der anzeigenden Person bekannt gegeben (Art. 66b E-URG). Ein zivilrechtliches Verfahren wird daraufhin vom Rechteinhaber angestrengt.
- Falls sich der Hosting Provider keiner Selbstregulierungsorganisation angeschlossen hat, muss er verhindern, dass das Werk über seine Server auf andere Weise wieder unrechtmässig zugänglich gemacht wird («stay down»; Art. 66c E-UrG).
Access forbidden
Falls sich der Anbieter im Ausland befindet, würde eine Sperrung des Zugangs zum Angebot veranlasst werden:
- Eine in ihrem Urheberrecht mutmasslich verletzte Person verlangt beim Institut für geistiges Eigentum (IGE) eine Zugangssperre zum entsprechenden Angebot (Art. 66d E-URG).
- Das IGE setzt das widerrechtliche Angebot im Ausland auf eine (öffentliche) Sperrliste und verfügt damit die Sperrung (Art. 66d E-URG).
- Nach der Veröffentlichung im Bundesblatt haben die betroffenen Parteien ein Recht zur Einsprache mit aufschiebender Wirkung (Art. 66e E-URG).
- Die Zugangsprovider leiten gleichzeitig Zugriffe auf die gesperrten Angebote auf einen Server um, der vom IGE betrieben wird (Art. 66f E-URG).
Gemäss dem erläuternden Bericht, würden «nach dem heutigen Stand der Technik primär IP- oder DNS-Blocking zur Anwendung kommen»:
Der Entscheid darüber, ob im konkreten Fall IP-Blocking, DNS-Blocking oder eine Kombination der Blockingmethoden zur Anwendung kommt, dürfte im Wesentlichen von der Frage abhängen, ob eine der Methoden zu einem inakzeptablen Overblocking führen würde. Beim Overblocking tritt insofern ein unerwünschter Nebeneffekt ein, als gleichzeitig mit den widerrechtlichen Inhalten auch rechtmässige Inhalte blockiert werden und damit die Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) tangiert wird.
Von einer Sperre von Hosts oder IP-Adressen sind zwangsläufig auch rechtmässige Inhalte betroffen. Beide Massnahmen setzen zudem einen Eingriff in die Internet-Infrastruktur voraus, der kaum zu rechtfertigen ist, und lassen sich dennoch leicht umgehen.