Der mediale Staub hat sich in der Zwischenzeit etwas gelegt – und nach dem kurzen Hinweis vor einer Woche, folgt nun eine etwas detailliertere Betrachtung des AGUR12-Berichts.
Simonetta Sommaruga hatte im August 2012 zu einer Arbeitsgruppe zur «Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten» eingeladen:
Die AGUR12 wird beauftragt, bis Ende 2013 Möglichkeiten zur Anpassung des Urheberrechts an die technische Entwicklung aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Entwicklung von Verwertungsmodellen zu legen, die den heutigen Internetnutzungen gerecht werden. […] Weiter soll sie untersuchen, ob im Urheberrecht in bestimmten Punkten vorgezogener Anpassungsbedarf auf Gesetzesebene besteht und gegebenenfalls konsensorientierte Änderungsvorschläge unterbreiten. Den bestehenden Interessenausgleich im Urheberrecht soll sie vertieft prüfen und Empfehlungen für eine allfällige Neuordnung abgeben.
Die InteressenvertreterInnen waren in der Arbeitsgruppe dann jedoch ziemlich einseitig vertreten. Hat es zu Beginn noch «Urheberrecht und Internet» geheissen, wurde es versäumt, beispielsweise die Digitale Allmend an den Tisch mit einzuladen. Dies obschon sich die Gruppe aktiv darum bemüht hat.
In der zweiten Phase der Arbeiten wurden regelmässig Abstimmungen durchgeführt. Folgende Vertreter (DUN, economiesuisse, sgv, SKS, kf) bemängelten dabei die zahlenmässig unausgewogene Interessensvertretung, welche sich entsprechend in den Abstimmungsresultaten niederschlug. Es hat sich gezeigt, dass in vielen Fragen eine Koalition von Kulturschaffenden und Produzenten obsiegte.
Dies hat sich dann entsprechend im Bericht und den Vorschlägen niedergeschlagen. Aus der geforderten Entwicklung von Verwertungsmodellen wurde nix: Eine Kulturflatrate wird in zwei dünnen Sätzen verworfen. Dafür wird versucht, mit «Massnahmen zur besseren Durchsetzung von Urheberrechten» zu retten, was nicht zu retten ist.
Doch zuerst die gute Nachricht:
Angesichts der im Folgenden vorgeschlagenen Massnahmen soll der Download aus illegaler Quelle, wie nach herrschender Lehrmeinung im geltenden Recht vorgesehen, zulässig bleiben.
Dann jedoch folgt das volle Programm – und Forderungen nach:
- Entfernung urheberrechtsverletzender Inhalte durch die Hosting Provider auf Anzeige der Rechteinhaber oder einer zuständigen Behörde.
- Verhinderung des erneuten Hochladens durch die Hosting Provider.
- Zugangssperren zu Webportalen mit offensichtlich illegalen Quellen mittels IP- und DNS-Sperren durch die in der Schweiz befindlichen Access Provider auf behördliche Anweisung (bspw. von der KOBIK) hin.
- Möglichkeit zur Bearbeitung von IP-Adressen durch die Rechteinhaber zur Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen.
- Warnhinweisen an Inhaber von Internetanschlüssen, die in schwerwiegender Weise Urheberrechte verletzen, durch die Access Provider auf Hinweis der Rechteinhaber oder einer zuständigen Behörde hin.
- Zivil- und strafrechtlicher Verfolgung von Nutzer von P2P-Netzwerken, die trotz Warnhinweis die Urheberrechtsverletzungen nicht unterlassen.
Dass das Entfernen und die Sperren nicht zweckmässig sind oder über das Ziel hinaus schiessen, scheint nicht zu interessieren. Auch nicht, dass die Rechtsdurchsetzung vornehmlich Privaten überlassen wird. Wenn einem nichts mehr einfällt, heisst es: Verbieten, überwachen, sperren.
Da die Forderungen – hoffentlich und zu Recht – wohl politisch nicht durchsetzbar sind, werden am Schluss auch die Kulturschaffenden und Produzenten die Verlierer sein. Wieder scheint also eine Chance vertan, in die Zukunft zu blicken und gemeinsam neue Verwertungsmodelle zu schaffen.
(Wer eine umfangreichere Würdigung mag, sei nochmals an den Text von Martin Steiger «Urheberrecht: Netzsperren, Selbstjustiz und Überwachung» verwiesen.)