Netzneutralität: Swisscom versucht zweiseitigen Markt zu erzwingen

Netzneutralität und Peering

Mit einer Verankerung der Netzneutralität soll das Entstehen von zweiseitigen Märkten und die Bevorzugung eigener TV-Angebote (durch einen Access Provider) verhindert werden. Wie bis anhin sollen die Kunden an beiden Enden für die Kommunikation aufkommen: Der/die KonsumentIn respektive der Dienstanbieter bezahlt seinen Internetzugangsanbieter und dieser wiederum seine(n) Transit-Anbieter. Dies ist ein faires und transparentes Modell. Wie dies genau aussieht (resp. aussehen sollte) haben wir in einem eigenen Artikel ausgeführt.

Bei der Verletzung der Netzneutralität wird oft an Youtube gedacht: Google – als Besitzerin – soll dafür bezahlen, dass die Datenmengen bei den Endkunden ankommen (können). Dabei geht meist vergessen, dass es gerade Angebote wie Youtube sind, die es dem Access Provider erst ermöglichen, überhaupt schnelle Internetzugänge an Endkunden zu verkaufen. Es könnte also genauso gut Google die hohle Hand aufhalten.

Das Problem sind vielmehr die kleinen Anbieter oder junge Unternehmen, die mit innovativen Angeboten starten wollen. Diese besitzen nicht die Marktmacht, um sich gegen grosse Access Provider durchsetzen – oder mit diesen auch nur verhandeln – zu können.

Streng genommen geht es bei der Netzneutralität um einzelne Datenpakete, die aufgrund spezieller Charakteristik (Herkunft, Ziel, Service, Inhalt etc.) gegenüber anderen bevorzugt oder benachteiligt werden – und nicht um Peering. Dass zum Erzwingen eines zweiseitigen Marktes der (Nicht-)Datenaustausch entscheidend werden kann, zeigen die Beispiele von Swisscom und Cablecom.

Die Swisscom-Variante

Die Kunden von Swisscom schätzen nicht nur Swisscom TV sondern auch die Sendervielfalt von Zattoo. Der Internet-TV-Anbieter Zattoo ist Kunde von Init7 und entsprechend viele Daten müssen zwischen den beiden Providern ausgetauscht werden. Dies ist auch keine Problem, da zwischen ihnen in Zürich und Genf ein direktes Peering mit 2 x 10 Gbit/s besteht.

Als die Swisscom plötzlich Geld für das Peering haben will, und Init7 eine Bezahlung verweigert, drosselt der Staatsbetrieb die Verbindung. Swisscom diskriminiert damit nicht nur einen einzelnen Dienst sonder gleich einen ganzen, konkurrierenden Provider mitsamt seinen Kunden.

Vor diesem Hintergrund hat Init7 2012 beim Handelsgericht des Kantons Bern ein Gesuch um Erlass einer Zugangsverfügung eingereicht: Swisscom soll verpflichtet werden, das Peering wieder herzustellen. Das Verfahren ist vor Bundesgericht hängig.

Da die Situation existenzbedrohend für den Provider wurde, hat Init7 im März 2013 eine Zwischenverfügung beim BAKOM beantragt. Die zuständige eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) hat dieser zugestimmt. Swisscom hat rekurriert und im Dezember vor dem Bundesverwaltungsgericht verloren. Das Peering ist wieder hergestellt, das Hauptverfahren aber noch offen.

Das gleiche Problem besteht mit Cablecom

Die Forderung der übergrossen TV-Anbieterin ist die selbe. Im Unterschied drosselt Cablecom kein vorhandenes Peering – sie weigert sich aber die vorhandene 1 Gbit/s-Verbindung auszubauen.

Die Beispiele zeigen, dass mit einer Verankerung der Netzneutralität auch implizit das Peering, resp. das Bezahlmodell geregelt sein muss.

[Update, 8.3.2014]

Eine Dystopie aus dem Jahr 2011 (Uebermorgen.TV 12)

[/Update]