Vor einer Woche wurden die Datenkategorien beleuchtet, welche im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung von den Providern präventiv 6 Monate erhoben und aufbewahrt werden müssen. Im Folgenden soll es um die Straftaten gehen, deren Verfolgung einen Zugriff auf die Daten erlaubt.
Strafverfolgungsbehörden und das EJPD verteidigen das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) oft damit, dass es ausschliesslich zur Verfolgung schwerer Straftaten – wie organisiertem Verbrechen, Drogenhandel, Terrorismus oder Kinderpornographie – angewendet würde. Daher sei trotz der Tiefe des Eingriffs in die Grundrechte die Verhältnismässigkeit gewahrt. Dies stimmt bereits bei angeordneten Überwachungen oder beim geplanten Einsatz von Bundestrojanern nicht, da hier ein sehr weit gefasster Deliktskatalog gelten soll.
Beim Zugriff auf die Vorratsdaten, die flächendeckend und verdachtsunabhängig gespeichert werden, gilt kein Katalog von Delikten, der die Nutzung der gespeicherten Daten im Strafverfahren erlauben würde. Es reicht grundsätzlich jeder dringende Verdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen – im Fall von Artikel 179septies StGB (Missbrauch einer Fernmeldeanlage) sogar der Verdacht auf eine Übertretung. (Übertretungen sind Taten, die höchstens mit Busse bedroht sind.)
Ein Blick in das Strafgesetzbuch zeigt, dass die Hürde für den Eingriff sehr tief ist. Im folgenden sind einige Beispiele von Vergehen aufgeführt, die einen Zugriff auf die Vorratsdaten rechtfertigen.
- Einfache Körperverletzung (Art. 123)
- Fahrlässige Körperverletzung (Art. 125)
- Unterlassung der Nothilfe (Art. 128)
- Falscher Alarm (Art. 128bis)
- Unrechtmässige Aneignung (Art. 137)
- Unrechtmässige Verwendung von Vermögenswerten (Art. 141bis)
- Sachbeschädigung (Art. 144)
- Zechprellerei (Art. 149)
- Erschleichen einer Leistung (Art. 150)
- Unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art. 152)
- Unterlassung der Buchführung (Art. 166)
- Bevorzugung eines Gläubigers (Art. 167)
- Inverkehrbringen und Anpreisen von Abhör-, Ton- und Bildaufnahmegeräten (Art. 179sexies)
- Nötigung (Art. 181)
- Hausfriedensbruch (Art. 186)
- Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art. 219)
- Fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst (Art. 222)
- Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237)
- In Umlaufsetzen falschen Geldes (Art. 242)
- Fälschung amtlicher Wertzeichen (Art. 245)
- Beseitigung von Vermessungs- und Wasserstandszeichen (Art. 257)
- Landfriedensbruch (Art. 260)
- Tätliche Angriffe auf schweizerische Hoheitszeichen (Art. 270)
- Störung der militärischen Sicherheit (Art. 276)
- Eingriffe in das Stimm- und Wahlrecht (Art. 280)
- Wahlbestechung (Art. 281)
- Verletzung des Abstimmungs- und Wahlgeheimnisses (Art. 283)
- Übertretung eines Berufsverbotes (Art. 294)
- Beleidigung eines fremden Staates (Art. 296)
- Irreführung der Rechtspflege (Art. 304)
- Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht (Art. 305ter)
- Gebührenüberforderung (Art. 313)
Weitere Straftaten sind bspw. im Ausländergesetz, Betäubungsmittelgesetz, Sportföderungsgesetz, Güterkontrollgesetz – oder dem Urheberrechtsgesetz vorgesehen.
Tatsächlich wird die Vorratsdatenspeicherung auch bei Verkehrsdelikten angewandt. Es gilt das Strassenverkehrsgesetz:
- Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Ab. 2 und 3)
Bei Straftaten im Internet gilt zudem Art. 14 Abs. 4 BÜPF:
Wird eine Straftat über das Internet begangen, so ist die Internet-Anbieterin verpflichtet, der zuständigen Behörde alle Angaben zu machen, die eine Identifikation des Urhebers oder der Urheberin ermöglichen.
Hier gibt es keine Einschränkung auf Verbrechen oder Vergehen und es benötigt keine Zustimmung eines Zwangsmassnahmengerichts. Es gilt nicht einmal eine Beschränkung auf 6 Monate in die Vergangenheit.
(Update vom 31.7.2016 zum Strassenverkehrsgesetz)