Bereits seit einigen Jahren werden in der Schweiz im Rahmen einer freiwilligen Vereinbahrung zwischen den Providern und dem Kobik DNS-Sperren verhängt. Diese sollen den Zugriff auf Seiten mit dokumentiertem Kindsmissbrauch verhindern oder mindestens erschweren. Nun sind in gleich drei Gesetzen Netzsperren vorgesehen: Mit der Revision des Fernmeldegesetzes sollen die Kobik-Sperren verbindlich werden, die Revision des Urheberrechtsgesetz sieht eine Zugriffssperre auf urheberrechtlich geschützte Werke im Ausland vor, und mit dem neuen Geldspielgesetz soll der Zugriff auf ausländische Glücksspielangebote verhindert werden. In dieser Woche hat die Rechtskommission des Ständerats erste Anhörungen zum Geldspielgesetz durchgeführt.
Die Digitale Gesellschaft sieht Netzsperren als ein unwirksames und gleichzeitig schädlich Instrument auch im Kampf gegen Spielsucht an. Zusammen mit der Internet Society Schweiz haben wir eine kurze und einfach verständliche Auslegeordnung erstellt:
Netzsperren sind untauglich
Netzsperren können einfach umgangen werden: Meist reicht eine Abfrage in einer Suchmaschine (wie Google). Etwas aufwändiger, aber immer noch sehr einfach, können Netzsperren mit frei verfügbaren DNS- oder Proxy-Servern unterlaufen werden. Eine minimale Änderung der Konfiguration reicht aus; dazu braucht es keine besonderen IT-Kenntnisse.
Die meist auch in Firmen eingesetzten Sicherheitsmechanismen auf Basis von VPN (Virtual Private Network) oder Dienste zur Wahrung der Privatsphäre wie Tor (The Onion Router) umgehen Netzsperren in vielen Fällen automatisch.
Spielsüchtige und andere Spielinteressierte können Netzsperren daher ohne spezielle IT-Kenntnisse mit wenigen Mausklicks unterlaufen. Paradoxerweise sind (zu Recht) öffentliche Sperrlisten gute Werbung für illegale Angebote, auf denen potenzielle «Kunden» für sie «interessante Angebote» finden könnten.
Netzsperren treffen auch Unbeteiligte
Netzsperren sind nicht punktgenau, sondern sperren unbeabsichtigt auch weitere Dienste, die an der gleichen Adresse betrieben werden. Zum besseren Verständnis ein fiktiver Vergleich mit der Post: Per Gesetz würde der Schweizerischen Post verboten, Briefe an die Geschäftssitze ausländischer Casinos zuzustellen. Damit könnte auch die internationale Anwaltskanzlei, das Reisebüro und das Ski-Sportgeschäft in den jeweiligen Gebäuden nicht mehr kontaktiert werden. Der langjährige Hauswart würde ebenfalls nichts mehr von seiner in der Schweiz studierenden Tochter hören. Und dies, obwohl alle erwähnten Personen und Firmen in ihrem jeweiligen Land völlig legal agieren.
Netzsperren sind teure Fehlerquellen
Sperrlisten sind anfällig für Fehler bei der Implementierung. Werden Netzsperren in der Konfiguration beim Netzbetreiber oder in der Bundesverwaltung fehlerhaft eingerichtet, wären unbeteiligte Personen und Firmen betroffen. Fehlfunktionen und Nebenwirkungen von Netzsperren sind für Internetprovider und Nutzer von Internetdiensten oft nur schwierig zu diagnostizieren und in einem zeitaufwändigen Verfahren zu lösen. Teure Standzeiten wären die Folge, die insbesondere für Betreiber von Online-Shops geschäftskritisch sein können.
Netzsperren sind schädlich für das Internet
Sperrlisten stellen einen groben Eingriff in die Kommunikationsinfrastruktur dar, da Netzbetreiber gezwungen werden, Datenpakete zu fälschen. Dies untergräbt die weltweit koordinierten, konkreten Bemühungen, das Internet sicherer zu machen. Technologien zur Erkennung von Fälschungen, wie z.B. DNSsec, stellen wichtige Werkzeuge im Kampf gegen Internetkriminalität dar. Das gezielte Untergraben dieser Sicherheitsmerkmale schadet den Nutzern und Firmen in der Schweiz in ihren legitimen Kommunikations- und Geschäftsbeziehungen. Der Bund sollte entsprechende Anstrengungen unterstützen – und sie nicht torpedieren.
Grundsätzlich gilt, je umfangreicher Sperrlisten sind, desto stärker machen sich unerwünschte und schädliche Nebeneffekte bemerkbar.
Netzsperren als Bumerang für die Schweizer Wirtschaft
Die im Gesetz vorgesehenen Netzsperren könnten von Drittstaaten als missbräuchlichen Protektionismus verstanden werden. Die auf den Sperrseiten vorgesehenen Links zu inländischen Angeboten dürften den Eindruck verstärken.
Ausländischen Unternehmen hingegen würde den Zugang zum Schweizer Markt verwehrt. Es ist daher mit Gegenmassnahmen zu rechnen, welche letztendlich die Schweizer Wirtschaft, insbesondere die Schweizer Online-Casions, treffen dürften.
Zu Netzsperren gibt es taugliche Alternativen
Die Digitale Gesellschaft und die Internet Society Schweiz sind sich der Probleme bewusst, die sich durch Spielsucht für die betroffenen Personen, das nähere Umfeld und die Gesellschaft ergeben. Diese lassen sich aber mit Netzsperren nicht beheben. Wie es auch der Gesetzgeber erkannt hat, müssen die Prävention gestärkt und vermehrt Anlaufstellen für Beratungen und Behandlungen angeboten werden.
Illegale oder offensichtlich schädliche Geldspielangebote müssen vom Netz entfernt (resp. geschlossen) werden. Zudem sollten internationale Richtlinien für Spielangebote erarbeitet und die Zusammenarbeit verstärkt werden. Dies sind sicherlich keine schnellen Lösungen, doch wären sie nachhaltig und würden dem Gemeinwohl dienen.