In der letzten Woche ist die Vernehmlassungsfrist zum Entwurf für ein «modernisiertes» Urheberrecht abgelaufen. Die Digitale Gesellschaft war eingeladen, sich zu äussern. Dies haben wir ausführlich getan:
Wir sehen ohne weiteres Handlungsbedarf zu einer Revision und dabei auch Modernisierung des URG. Allerdings folgt die vorliegende Vernehmlassungsvorlage weitgehend den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (AGUR12), obwohl diese Arbeitsgruppe äusserst einseitig zusammengesetzt war. In der Folge wurden gerade auch die Anliegen der Zivilgesellschaft – insbesondere auch im Zusammenhang mit Menschenrechten – nicht berücksichtigt, sondern es resultierte ein einseitiger Fokus auf die Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» – auch vor dem Hintergrund von offensichtlichem amerikanischem Druck über den Runden Tisch («Roundtable») zum Urheberrecht, der hinter verschlossenen Türen beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stattfand und stattfindet. Unseres Erachtens entspricht dieser einseitige Fokus auch nicht dem ursprünglichen Auftrag an die AGUR12.
Wir legen grossen Wert darauf, dass das Urheberrecht so ausgestaltet ist, dass ein Ausgleich zwischen den Interessen von Urheberinnen und Rechteinhabern einerseits und den Interessen der Gesellschaft andererseits hergestellt wird. Die ultimativen Forderungen von Urhebern und Rechteinhabern nach einem absolut geltenden «geistigen» Eigentumsrecht, das ohne Rücksicht auf gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Entwicklungen mit offensichtlich unverhältnismässigen Massnahmen und unter Inkaufnahme von massiven gesellschaftspolitischen Kollateralschäden durchgesetzt werden soll, entspricht in keiner Art und Weise einem solchen Interessenausgleich.
Wir weisen dabei insbesondere darauf hin, dass allein schon das Konzept eines Urhebers als alleiniger Erschaffer eines Werkes in Frage gestellt werden muss. Auch die utilitaristische Behauptung, wonach ein möglichst restriktives Urheberrecht zu einer höheren Anzahl von Werken führt als eine Gesellschaft mit einem liberalen Urheberrecht oder in extremis ganz ohne Urheberrecht, ist längst durch viele Beispiele widerlegt. Das Urheberrecht hat denn auch keinen naturrechtlichen Ursprung, sondern entsprang und entspringt mehrheitlich dem erfolgreichen Lobbying von wenigen Partikularinteressen wie insbesondere auch der amerikanischen Unterhaltungsindustrie.
Wir wissen gleichzeitig, dass die schweizerische Realpolitik vorläufig keine grundsätzlichen Entscheidungen und Fragen in Bezug auf das Urheberrecht erlaubt. Wir versuchen deshalb, mit unserer vorliegenden Vernehmlassungsantwort den Prozess der Gesetzesrevision konstruktiv zu begleiten.
Wir begrüssen in diesem Rahmen, dass der Bundesrat neue Schrankenregelungen vorschlägt, die eine einfachere Verwendung von Urheberrechtlich geschützten Werken ermöglichen sollen. Wir lehnen hingegen jene Massnahmen ab, die in erster Linie den grossen Rechteinhabern sowie den Verwertern dienen. Dank dem Internet ist die aktive Partizipation längst nicht mehr auf einige wenige Rechteinhaber, Urheber und Verwerter beschränkt und viele neue Geschäftsmodelle – innovative und zukunftsträchtige Geschäftsmodelle! – im digitalen Raum entstehen erst. Es wäre deshalb gefährlich, die vorliegende Vernehmlassungsvorlage ohne erhebliche Anpassungen als revidiertes URG in Kraft treten zu lassen und damit unter anderem überholte Geschäftsmodelle, gerade auch jenes der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, zu schützen.
Wir lehnen in diesem Zusammehang insbesondere geplanten Massnahmen gegen die so genannte Internet-«Piraterie» ab. Die geplanten Netzsperren stellen ein völlig ungeeignetes und damit unverhältnismässiges Mittel dar, um Kulturschaffenden zu höheren Einkommen zu verhelfen, und dass die geplanten Netzsperren gleichzeitig aber massiven Schaden an der schweizerischen Internet-Infrastruktur sowie gegenüber den Menschenrechten verursachen.
Wir lehnen auch die geplanten Massnahmen zur Überwachung von Peer-to-Peer (P2P)-Netzwerken unter Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses dediziert und vollumfänglich ab. Wir sind überzeugt, dass P2P-Netzwerke mittlerweile ein vernachlässigbares Problem für Rechteinhaber darstellen, denn sobald benutzerfreundliche und offizielle Angebote vorhanden sind, werden diese von den zahlungskräftigen und durchaus zahlungsbereiten Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz genutzt. Konsumentinnen und Konsumenten weichen nur dort auf nicht autorisierte Alternativen aus – gefährliche Alternativen, denn es drohen Gefahren wie Schadsoftware und dubiose Werbung –, wo es an benutzerfreundlichen und offiziellen Angeboten fehlt.
Wir weisen im Übrigen darauf hin, dass letztlich alle geplanten Massnahmen gegen die so genannte Internet-«Piraterie» voraussichtlich zu einer unerwünschten (weiteren) Konzentration im schweizerischen Markt für Internet-Provider führen – unter anderem auch deshalb lehnen wir derartige Massnahmen vollumfänglich ab. Dabei ist zu betonen, dass es in der Schweiz und nach schweizerischem Recht bereits heute nicht möglich ist, ein Geschäftsmodell auf Grundlage von Urheberrechtsverletzungen zu betreiben, weshalb es auch kaum schwerwiegende Fälle im Sinn der vorliegenden Vernehmlassungsvorlage gibt, mit denen sich die geplanten Massnahmen rechtfertigen lassen.
Anmerkungen zu einzelnen Artikeln der Vernehmlassungsvorlage
Art. 5 Abs. 1 lit. c E-URG Nicht geschützte Werke
-> Wir fordern eine Präzisierung im Hinblick darauf, welche amtlichen Dokumente keinen urheberrechtlichen Schutz geniessen.
Amtliche Dokumente werden von Behörden im Interesse und finanziert durch die schweizerische Öffentlichkeit direkt oder indirekt erstellt. Es liegt deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass der Zugang zu solchen Dokumenten nicht durch urheberrechtliche Schranken eingeschränkt wird, zumal sich der Bund gemäss seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die in Vertragserfüllung entstandenen Schutzrechte bereits vollumfänglich abtreten lässt. Das Öffentlichkeitsprinzip, insbesondere gemäss dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ), fördert zwar die Transparenz über Auftrag, Organisation und Tätigkeit von Behörden, doch bleibt die Gesetzgebung über das Urheberrecht vorbehalten.
Wir fordern deshalb, die vorliegende Vernehmlassungsvorlage wie folgt zu präzisieren beziehungsweise zu ergänzen:
Art. 5 Abs. 1 lit. c URG
sämtliche amtlichen Dokumente wie Berichte, Entscheidungen und Protokolle;
Art. 5 Abs. 1 lit. cbis URG
[…] ein amtliches Dokument nach Abs. 1 lit. c ist jede Information, die auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist, sich im Besitz einer Behörde befindet, und die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft oder von einer Behörde kommerziell genutzt wird.
Art. 13 E-URG Vermieten und Verleihen von Werkexemplaren
-> Wir lehnen die Einführung eines zusätzlichen Verleihrechts (so genannte Bibliothekstantieme) gemäss Art. 13 Abs. 1 E-URG dezidiert ab.
Wir lehnen eine zusätzliche Vergütung auf das Verleihen von Werkexemplaren dezidiert ab.
Bereits in der Vergangenheit haben die Autorenverbände mehrfach eine solche Bibliothekstantieme wiederholt gefordert, scheiterten aber jeweils im Parlament. Die erneute Forderung nach einer solchen Bibliothekstantieme ist eine politische Zwängerei.
Die geplante Bibliothekstantieme würde einen grossen administrativen und finanziellen Mehraufwand für Bibliotheken und andere Institutionen wie beispielsweise Archive und Bildungseinrichtungen bedeuten. Dabei ist noch vollkommen unklar, wie hoch die finanzielle Mehrbelastung sein würde, doch zeigt die Erfahrung bei anderen urheberrechtlichen Abgaben, gerade auch im Zusammenhang mit grossen Wissenschaftsverlagen im Ausland, dass diese hoch und immer höher ausfallen. Ausserdem befürchten die Bibliotheken – unseres Erachtens zu Recht – schmerzhaft hohe Vergütungsansprüche von Verwertungsgesellschaften.
Wie im erläuternden Bericht des Bundesrates zur vorliegenden Vernehmlassungsvorlage nüchtern festgehalten wird, werden durch die Bibliothekstantieme die Budgets der Bibliotheken belastet werden, auch wenn die Befürworter der Bibliothekstantieme eine solche – offensichtliche! – Belastung bestreiten. In Zeiten von Sparmassnahmen sowie schrumpfenden kantonalen und kommunalen Budgets werden die öffentliche Hand beziehungsweise die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für diese zusätzliche Mehrbelastung voraussichtlich nicht aufkommen können.
Die zusätzliche Belastung durch eine Bibliothekstantieme würde bedeuten, dass die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrags der Bibliotheken, nämlich der Allgemeinheit einen kostengünstigen und möglichst umfassenden Zugang zu Information, Kultur und Wissen zu verschaffen, gefährdet wäre. Dabei ist anzumerken, dass mit der Bibliothekstantieme vorgeblich die schweizerische Literatur gefördert werden soll, wozu das URG aber sowieso nicht geeignet ist. Ausserdem würde im Alltag der allergrösste Anteil aus den Einnahmen einer neuen Bibliothekstantieme Verlagen und anderen Rechteinhabern im Ausland zukommen, da der überwiegende Teil der Werke in schweizerischen Bibliotheken aus dem Ausland stammt oder zumindest von ausländischen Rechteinhabern verwertet werden.
Wir machen weiter darauf aufmerksam, dass gemäss dem Wortlaut in der vorliegenden Vernehmlassungsvorlage auch das Verleihen von Kunst betroffen wäre. Damit würde auch der Leihverkehr von Kunstsammlungen von Bund und Kantonen, von Galerien, Museen und Stiftungen und so weiter entschädigungspflichtig. Selbst aktive Privatsammler, die Werke aus der eigenen Sammlung leihweise zur Verfügung stellen, müssten dafür urheberrechtliche Vergütungen leisten. Die Regelung würde einen grossen organisatorischen Aufwand sowie eine enorme Kostenlast für alle Leihgeber von Kunst bedeuten. Die Folgen für den Leihverkehr der Schweizer Museen und Sammlungen wären unabsehbar. Schweizer Kunstmuseen sind Teil eines internationalen Kunstnetzwerks. Sie stellen ihre Werke Institutionen in aller Welt als Leihgeber zur Verfügung und profitieren andererseits als Leihnehmer. So können sie dem hiesigen Publikum erstklassige Werke aus internationalen Sammlungen präsentieren. Reduzieren Schweizer Museen und Sammler wegen der Kostenfolge ihre Leihgaben, erhalten sie auch weniger oder gar keine Leihgaben mehr. Das wäre auch nicht im Interesse der Urheber, deren Werke zunehmend im Depot und in Privatsammlungen verschwinden würden und nicht mehr zirkulieren könnten.
Bezüglich der Nutzungshandlungen ist die vorliegende Vernehmlassungsvorlage im Übrigen viel zu umfassend. Neben dem Vermieten und Verleihen wird noch das «sonst wie zur Verfügung stellen» erwähnt. Dieser Wortlaut könnte so ausgelegt werden, dass beispielsweise die Nutzung von Präsenzbeständen in Bibliotheken ebenfalls unter die Bibliothekstantieme fallen würde oder auch der bibliothekarische Dokumentationslieferdienst, den das Bundesgericht in seiner digitalen Form erst gerade ausdrücklich für zulässig erklärt hat.
Art. 19 Abs. 3bis E-URG Eigengebrauch
-> Wir begrüssen die Anpassung von Art. 19 Abs. 3bis E-URG, fordern allerdings die Streichung von «Absatz 3» im letzten Teilsatz.
Art. 19 Abs. 3bis URG wurde bei der letzten URG-Revision 2008 eingeführt und sollte einerseits Doppelbelastungen im Zusammenhang mit dem Download beziehungsweise der Vervielfältigung von bezahlten Angeboten im Internet, beispielsweise dem Kauf von Musik über iTunes und der nachfolgenden Speicherung auf einen CD-Rohling verhindert. Es sollte spezifisch verhindert werden, dass durch die Kopiervergütung nach Art. 20 URG die Konsumentinnen und Konsumenten doppelte oder mehrfache Vergütungen bezahlen müssen, einmal für den «Kauf» beziehungsweise die Lizenzierung über das Internet und mindestens ein zweites Mal für die Kopiervergütung nach Art. 20 URG. In der Regel ist das weitere Vervielfältigen durch die direkt oder indirekt geleistete Vergütung gemäss Lizenzvertrag an den Anbieter bzw. die Anbieterin bereits abgegolten, weshalb auf solche Werknutzungen Art. 20 URG keine Anwendung finden soll. Andererseits sollten durch Art. 19 Abs. 3bis URG auch die Einschränkungen durch den Eigengebrauch nach Art. 19 Abs. 3 URG auf die solchermassen erworbenen Werke keine Anwendung finden. So dürfen Werke – beispielsweise E-Journals –, die man gemäss Lizenzvertrag nutzen kann, in aller Regel durchaus auch vollständig kopiert werden und die Einschränkungen nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG sollten für entsprechende Sachverhalte nicht gelten.
Mit dem nun vorliegenden Art. 19 Abs. 3bis E-URG bringt der Bundesrat eine seit langem geforderte Klärung, nämlich, dass auch «erlaubte Vervielfältigungen» unter diese Bestimmung fallen und nicht bloss der erste Download oder eine vergleichbare Handlung. Allerdings hat der Bundesrat ohne Not – und aus unserer Sicht unerklärlich –, die Bestimmung leider wiederum eingegrenzt auf Art. 20 Abs. 3 URG und damit nur eine Mehrfachbelastung ausgeschlossen im Zusammenhang mit der Leerträgervergütung.
Gemäss der vorgeschlagenen Regelung müssten demnach Bibliotheken, welche ihren Nutzern lizenzierte Zeitschriften, E-Books und andere elektronische Werke anbieten, trotz Lizenzverträgen, gemäss welchen der Download und das Vervielfältigen bereits vergütet wird, nochmals Kopiervergütungen nach Art. 20 Abs. 2 URG entrichten, was eine unzulässige Mehrfachbelastung darstellt. Wir fordern deshalb, die vorliegende Vernehmlassungsvorlage wie folgt zu präzisieren beziehungsweise zu ergänzen:
Art. 19 Abs. 3bis E-URG
Vervielfältigungen, die beim Abrufen von erlaubterweise zugänglich gemachten Werken hergestellt werden, sowie weitere vertraglich erlaubte Vervielfältigungen sind von den Einschränkungen des Eigengebrauchs nach diesem Artikel sowie vom Vergütungsanspruch nach Artikel 20 Absatz 3 ausgenommen.
Art. 22b E-URG Verwendung von verwaisten Werken
-> Wir begrüssen die neue Regelung zum Umgang mit verwaisten Werken ausdrücklich. Wir empfehlen aber eine Registrierungspflicht für verwaiste Werke durch die Verwertungsgesellschaften, lehnen einen Erlaubnisvorbehalt durch Verwertungsgesellschaften jedoch ab. Gleichzeitig fordern wir eine Ausweitung auf Werke aus allen Beständen in der Schweiz.
Die Neufassung von Art. 22 b E-URG wird von uns ausdrücklich begrüsst. Sie bietet eine gute Grundlage für die dauerhafte Erhaltung und Erschliessung von Werken für das kollektive Gedächtnis. Besonders positiv hervorzuheben ist, dass die Regelung gemäss vorliegender Vernehmlassungsvorlage auf alle verwaisten Werke unabhängig vom Medien und/oder Träger einheitlich anwendbar sein soll. Damit gibt das URG ein wichtiges Instrumentarium für die Sicherung auch jener Medien, die, obwohl die jüngsten, am stärksten durch den technischen Fortschritt bedroht sind, nämlich die Digitalisate.
Erfreulich ist im Weiteren, dass auch so genannt eingebettete Werke innerhalb verwaister Werke von der Regelung erfasst sind und dass der Statusverlust als verwaistes Werk nur für die Zukunft gelten wird, so dass die nutzenden Institutionen vor rückwirkenden Vergütungen an die Urheber befreit sind.
Wir sind davon überzeugt, dass die Regelung im Interesse der betroffenen Urheber und deren Rechtsnachfolger ist, da gerade sie durch die Verwendung der Werke in die Lage versetzt werden, deren Urheberschaft zu entdecken und wieder für sich zu beanspruchen.
Kritisch beurteilen wir den Erlaubnisvorbehalt der Verwertungsgesellschaften nach Art. 22b Abs. 1 lit. c E-URG, galt doch bisher nur eine Meldepflicht für Nutzungen. Wir sind klar der Überzeugung, dass eine Genehmigungspflicht durch die Verwertungsgesellschaften weder für die Urheber noch für die Nutzer einen Mehrwert erzeugt. Wir fordern deshalb, anstelle des Erlaubnisvorbehaltes weiterhin eine Meldepflicht vorzusehen.
Art. 22b Abs. 1 lit. c E-URG
Die Verwendung des Werkes wurde einer zugelassenen Verwertungsgesellschaft gemeldet.
Im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Regelung möchten wir darauf hinweisen, dass es eine weitere Problemstellung bei vergriffenen Werken gibt, sofern der Urheber dem Verleger die Rechte an seinem Werk branchenüblich vollumfänglich übertragen hat und sich der Verleger aufgrund der dispositiven Natur von Art. 381 Abs. 1 OR die Verfügungsmacht auch bezüglich einem allfällig vergriffenen Werk vorbehalten hat.
Deshalb schlagen wir vor zu prüfen, ob die entsprechende Bestimmung nach Art. 381 Abs. 1 OR zwingend ausgestaltet werden könnte, damit im konkreten Fall, ein vergriffenes Werk durch seinen Urheber trotz umfassender Übertragung der Rechte an den Verleger, weiterverwendet, beispielsweise online zugänglich gemacht werden kann. Bezüglich der detaillierten Ausgestaltung des Art. 381 OR für wissenschaftliche Werke verweisen wir auf die weiter unten formulierte Forderung nach einem unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrecht.
Wichtig erscheint uns, dass die Nutzung von verwaisten Werken nicht auf die im Art 22b Abs. 1 lit. a aufgeführten Gedächtnisinstitutionen beschränkt ist, sondern allen Nutzern offensteht. Gerade auch in privaten Beständen befinden sich viele verwaiste Werke, deren Nutzung durch die vorgeschlagene Einschränkung verunmöglicht würde. Wir fordern deshalb, lit. a in Art. 22b Abs. 1 E-URG vollständig zu streichen.
Erweiterter Kreis der Gedächtnisinstitutionen in Art. 24 Abs. 1bis E-URG, Art. 24e E-URG sowie Art. 22b E-URG
-> Wir begrüssen die Ausweitung des Art. 24 Abs. 1bis E-URG auf den Kreis aller Gedächtnisinstitutionen. Gleichzeit fordern wir die Streichung der Begrenzung auf eine Kopie in Art. 24 Abs. 1 und 2
Die Erweiterung des Kreises der Gedächtnisinstitutionen im bestehenden Art. 24 Abs. 1bis E-URG von «öffentlich zugänglichen» auf «öffentliche sowie öffentlich zugängliche» Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Sammlungen und Archive und damit die Harmonisierung mit Art. 24e E-URG sowie Art. 22b E-URG wird von uns ausdrücklich begrüsst. So wird anerkannt, dass diese Institutionen auch dann wichtige und wertvolle Beitrage zur Erhaltung unseres kulturellen Erbes leisten, wenn die einzelnen Werkexemplare nicht ständig der Öffentlichkeit zugänglich sind. Diese erhaltenswerten, jedoch teilweise kaum bekannten Bestände gilt es zu sichern und die Erschliessung durch die Wissenschaft sowie die Vermittlung zu ermöglichen.
Die Begrenzung auf eine einzige Kopie in Art 24. Abs. 1 und 2 entsprechen nicht mehr der zeitgemässen Praxis für das Management von Sicherheitskopien. Es ist heute in allen Bereichen der digitalen Datenverwaltung üblich aus Sicherheitsgründen mehrere Kopien an verschiedenen Orten aufzubewahren (beispielsweise gemäss dem 3-2-1-Prinzip: Mindestens drei Kopien, in zwei verschiedenen Formaten, eine Kopie an anderem Ort). Deshalb fordern wir , dass die Formulierung «eine Kopie» in Abs. 1 bzw. «eine Sicherungskopie» in Abs. 2 jeweils durch «dürfen davon die notwendigen Kopien angefertigt werden» zu ersetzen.
Art. 24d E-URG Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken
-> Wir begrüssen grundsätzlich die neue so genannte Wissenschaftsschranke, lehnen allerdings eine Vergütungspflicht ab.
Der Bundesrat anerkennt, dass es spezifische Regelungen zugunsten der Wissenschaft braucht und schreibt entsprechend im erläuternden Bericht zur vorliegenen Vernehmlassungsvorlage, dass das «Vervielfältigungsrecht des URG […] in der Forschung unerwünschte Barrieren» verursache. Nach geltendem URG ist das Text and Data Mining (TDM) nicht in jedem Fall erlaubt, weshalb wir eine neue gesetzliche Schrankenregelung aus Sicht der Wissenschaft und Forschung begrüssen.
Problematisch ist aus unserer Sicht, dass die vorgeschlagene Schranke gemäss Art. 24d Abs. 2 E-URG mit einer Vergütung einhergehen soll, was wir mit Blick auf die betroffenen Institutionen aus mehreren Gründen ablehnen:
Heute schon werden die Forschung sowie die Verbreitung deren Ergebnisse teilweise oder vollständig öffentlich finanziert und die Bibliotheken müssen die Lizenzen für wissenschaftliche Datenbanken, E-Journals und andere (elektronische) Medien zu hohen Kosten erwerben – mit Ausnahme einiger Kategorien von Open Access-Publikationen. Eine zusätzliche Vergütung für die Nutzung von Texten im Rahmen von TDM würde eine weitere Belastung der öffentlichen Hand im wissenschaftlichen Publikationsbereich bedeuten («Triple-Dip»). Wir weisen darauf hin, dass die entsprechende «Schranke» im anglo-amerikanischen Rechtsraum – dort als Fair Dealing und Fair Use bezeichnet – vergütungsfrei ist. Eine Vergütungspflicht für die Verwendung von Werken zu wissenschaftlichen Zwecken würde daher den Wissenschafts- und Forschungsstandort Schweiz im Vergleich mit dem Ausland benachteiligen. Wir bezweifeln ausserdem, dass in Zeiten von «Big Data» eine gerechte Verteilung der Einnahmen an eine unüberschaubare Anzahl von berechtigten Urhebern überhaupt praktikabel ist, wobei diese Urheber im Wissenschaftsbereich bereits teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder entschädigt werden und insofern sowieso keinen Anspruch auf weitere Entschädigungen anmelden können sollten.
Art.24e E-URG Bestandesverzeichnisse
-> Wir begrüssen grundsätzlich die neue Schrankenregelung von Art. 24e E-URG Bestandesverzeichnis, lehnen allerdings die Präzisierungen des «kurzen Auszuges» in Abs. 2 ab.
Die Wiedergabe der im Bestand von Gedächtnisinstitutionen vorhandenen Werkexemplare in Bestandesverzeichnissen stellt einen wertvollen Beitrag zu der in der Kulturbotschaft des Bundesrates geforderten kulturellen Teilhabe breiter Bevölkerungskreise dar.
Wir sind allerdings der Ansicht, dass die Präzisierungen im Bezug auf den Begriff «kurzer Auszug» in Abs. 1 und 2 unnötig sind. Die Präzisierungen sind nicht technologieneutral formuliert und werden deshalb bald wieder überholt sein. Die Präzisierungen könnten auch kontraproduktiv sein, nachdem zum Beispiel Coverbilder nur kleinformatig und in geringer Auflösung verwendet werden dürften, was für Verwendung von Bestandesverzeichnissen eine erhebliche Einschränkung darstellen würde. Auch Bestandsverzeichnisse sollten kurze Auszüge in voller Qualität verwenden können, wie es im Übrigen das bestehende Zitatrecht gemäss Art. 25 Abs. 1 URG einschliesslich Bildzitat sowieso schon erlaubt.
Die Einschränkung in Abs. 1, insbesondere der Hinweis darauf, dass die normale Auswertung der Werke nicht beeinträchtigt werden darf (gemäss Drei-Stufen-Test), genügt und bedarf keiner weiteren Präzisierung. Wir fordern deshalb, Abs. 2 ersatzlos zu streichen.
Art. 37a E-URG Rechte des Herstellers oder der Herstellerin von Pressefotografien
-> Ein (neues) Leistungsschutzrecht für Pressefotografen lehnen wir dezidiert ab.
Fotografien sind, sofern sie die notwendige Schöpfungshöhe gemäss Art. 2 Abs. 1 URG erreichen, urheberrechtlich geschützte Werke. Einen darüberhinausgehenden Leistungsschutz speziell für Pressefotografien ins URG aufzunehmen, drängt sich unserer Meinung nach nicht auf. Art. 37a Abs. 2 E-URG bringt im weiteren keine Klärung bezüglich der Abgrenzung von geschützten und nicht geschützten Fotografien. Die unautorisierte Verwendung von Presse- und anderen Fotografien ist zudem bereits durch Art. 5 UWG geschützt.
Art. 43a E-URG Freiwillige Kollektivverwertung
-> Wir begrüssen die neue Möglichkeit der freiwilligen Kollektivverwertung nach Art. 43a E-URG.
Wir begrüssen grundsätzlich, dass die Verwertungsgesellschaften für die Verwendung einer grösseren Anzahl von Werken und geschützten Leistungen die ausschliesslichen Rechte, für deren Verwertung sie nicht einer Bewilligungspflicht unterstehen, auch für Rechteinhaber und -inhaberinnen wahrnehmen können, die keiner Verwertungsgesellschaft angeschlossen sind. Die Verwertungsgesellschaften können damit insbesondere eine vergleichsweise effiziente Massendigitalisierung von älteren Beständen ermöglichen, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer die Rechte an den einzelnen Werke aufwendig abzuklären versuchen müssen.
Wir kritisieren allerdings, dass Art. 43a E-URG aus Nutzersicht nicht umschreibt, was in diesem Rahmen erlaubt sein soll. Somit ist fraglich, ob die freiwillige Kollektivverwertung auch tatsächlich zur Anwendung kommen wird, zumal diese auch nur gegen Vergütung möglich sein soll und die Höhe der Vergütung nicht zwingend über gemeinsame Tarife festgelegt werden muss, sondern der Vertragsfreiheit unterliegt. Es wird sich zeigen, ob die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) ihre Angemessenheitsprüfungen so durchführen wird, dass die freiwillige Kollektivverwertung tatsächlich zur Anwendung kommen kann.
Im Übrigen empfehlen wir, analog zum Vorbild in skandinavischen Ländern, die Bezeichnung «erweiterte Kollektivlizenz» zu verwenden. Die Verwertungsgesellschaften in der Schweiz kennen heute bereits eine «freiwillige Kollektivverwertung», während die vorliegende Vernehmlassungsvorlage mit der geplanten und bislang ebenfalls als «freiwillig» bezeichneten Kollektivverwertung eigentlich ein anderes Instrument vorsieht.
Art. 48 Abs. 1 und 1bis E-URG
-> Wir begrüssen die Prüfung der Verteilungsreglemente auf Angemessenheit durch das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE).
Art. 51 Abs. 1bis und 1ter E-URG
-> Wir lehnen jeglichen (weitere) Mehraufwandadministrativer und/oder finanzieller Art im Zusammenhang mit der in Art. 51 Abs. 1bis E-URG vorgesehenen Datenlieferung an die Verwertungsgesellschaften ab.
Aus Nutzersicht befürchten wir mit dieser Regelung zusätzlichen und nicht abschätzbaren administrativen und finanziellen Mehraufwand. Die Verwertungsgesellschaften können auch ohne Gesetzesänderung und im eigenen Interesse, den Nutzern entsprechende Hilfsmittel zur elektronischen Datenlieferung empfehlen sowie zur Verfügung stellen. Ergänzend fordern wir, dass die Verwertungsgesellschaften ihre Daten wie insbesondere Daten zu Urhebern und Rechteinhabern sowie zu Werken, im Sinn von «Open Data» zur vereinfachten Abrechnung und Recherche in elektronischer und offener Form den Nutzern zur Verfügung stellen.
Wir fordern ausserdem, dass die Verwertungsgesellschaften ihre bevorzugten Formate und Schnittstellen offen und öffentlich dokumentieren sowie barrierefrei ausgestalten müssen.
Im Ergebnis ist Art. 51 Abs. 1bis E-URG wie folgt anzupassen:
Art. 51 Abs. 1bis E-URG
Die Werknutzer und -nutzerinnen haben Auskünfte in einem elektronischen Format zu erteilen, das dem Stand der Technik entspricht und eine automatische Datenverarbeitung zulässt. Die Verwertungsgesellschaften bezeichnen die zulässigen Formate in den Tarifen (Art. 46). Die Verwertungsgesellschaften können den Werksnutzern- und nutzerinnen eigene Hilfsmittel unentgeltlich zur Verfügung stellen sowie bevorzugte Formate und Schnittstellen, die barrierefrei ausgestaltet sein müssen, offen und öffentlich dokumentieren.
Im weiteren Ergebnis ist Art. 51b zu ergänzen, wobei der Titel des 4. Kapitels in «Auskunftspflicht» zu ändern ist:
Art. 51 Abs. 1quater E-URG
Die Verwertungsgesellschaften sind verpflichtet, ihre Daten zu Urhebern und Rechteinhabern sowie zu Werken den Werksnutzern und -nutzerinnen unentgeltlich und in elektronischer sowie offener Form zur Verfügung zu stellen.
Art. 41 und 53 Abs. 1 E-URG Bundesaufsicht
-> Wir begrüssen die Erweiterung der Bundesaufsicht und fordern die ausdrückliche Unterstellung der Verwertungsgesellschaften unter den Geltungsbereich des Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ).
Wir begrüssen grundsätzlich die Präzisierung und Erweiterung der Bundesaufsicht über die Verwertungsgesellschaften. Gleichzeitig fordern wir eine ausdrückliche Unterstellung der Verwertungsgesellschaften unter den Geltungsbereich des Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ). Entsprechend müsste Art. 2 BGÖ mit einem neuen lit. d ergänzt werden:
Art. 2 BGÖ Persönlicher Geltungsbereich
Dieses Gesetz gilt für: […]
d. Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die Rechte gemäss Art. 41 URG verwerten.
Art. 62 ff. E-URG Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie»
-> Wir lehnen die geplanten Bestimmungen zur Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» dezidiert und vollumfänglich ab.
Wir halten als Selbstverständlichkeit fest, dass der digitale Raum kein rechtsfreier Raum ist. Auch im Internet muss die schweizerische Rechtsordnung gelten. Wenn online Rechte verletzt werden, zum Beispiel durch das widerrechtliche Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Werken über ein Peer-to-Peer (P2P)-Netzwerk, sollen die betroffenen Rechteinhaber die Möglichkeit haben, dagegen im allgemeinen rechtsstaatlichen Rahmen vorzugehen. Rechteinhaber sollen folglich bei einer mutmasslichen Verletzung ihrer Rechte auch im Internet direkt gegen die mutmasslichen Verletzerinnen und Verletzer sowie gegen deren Gehilfinnen und Gehilfen vorgehen können und müssen – so wie auch bei Urheberrechtsverletzungen, die nicht im Internet stattfinden.
Internet-Zugangsanbieter und Plattform-Betreiberinnen hingegen erstellen keine eigenen Inhalte und verletzten grundsätzlich auch keine Urheberrechte. Die Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» darf deshalb nicht diesen Providern als «Hilfspolizisten» übertragen werden. Sofern hingegen auch Provider Urheberrechte verletzen, zum Beispiel als Gehilfen, soll selbstverständlich eine Rechtsdurchsetzung möglich sein. Allerdings ist es in der Schweiz längst nicht mehr möglich, ein Geschäftsmodell zu betreiben, das auf Urheberrechtsverletzungen beruht.
Die geplanten Bestimmungen zur Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» – unter anderem umfassende Internet-Überwachung, Massenabmahnungen und Zensur mit Netzsperren, verletzen den rechtsstaatlichen sowie verfassungsmässigen und menschenrechtlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit in jeder Hinsicht: Sie sind weder notwendig noch wirksam noch verhältnismässig im engeren Sinn, stellen aber gleichzeitig erhebliche und bislang so nicht mögliche Eingriffe in Grundrechte wie die Informations-, Meinungs- und Medienfreiheit und die Privatsphäre (Datenschutz, Fernmeldegeheimnis) dar. Gleichzeitig führen die geplanten Bestimmungen zu einem grossen administrativen, finanziellen und zeitlichen Aufwand bei den Providern, den letztlich auf Unternehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten als Kunden der Provider abgewälzt würde.
Wir lehnen die geplanten Bestimmungen deshalb dezidiert und vollumfänglich ab.
Weitere Forderungen
Einführung eines unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrechts
-> Wir unterstützen, im Sinn der Wissenschaft und Forschung die Einführung eines gesetzlich geregelten Zweitveröffentlichungsrechts für wissenschaftliche Werke, die von der öffentlichen Hand gefördert wurden.
Die Open Access-Strategien der Universitäten dienen nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Allgemeinheit und ermöglichen den Zugang und die langfristige Erhaltung von Wissen. Open Access ist aber nur zielführend umsetzbar, wenn wissenschaftliche Werke auch tatsächlich frei zugänglich veröffentlicht werden können. In diesem Sinn hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) swissuniversities mit der Federführung für eine gesamtschweizerische Strategie Open Access beauftragt, mit dem Ziel Open Access umfassend zu fördern und Kostentransparenz bei den öffentlichen Ausgaben im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens zu schaffen[1].
Wir unterstützen daher die Forderung der wissenschaftlichen Förderorganisationen wie dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Akademien der Wissenschaften Schweiz, der einzelnen Universitäten und der Universitätsbibliotheken nach einem unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrecht zugunsten der Urheber im Verlagsvertragsrecht gemäss folgendem Vorschlag:
Art. 381 Abs. 2 OR (neu, Abs. 2 u. 3 würden zu Abs. 3 u. 4):
Nicht auf den Verleger übertragen werden kann das Recht, einen mit ganz oder teilweise öffentlichen Mitteln finanzierten Beitrag für eine wissenschaftliche Zeitschrift oder ein wissenschaftliches Werk unentgeltlich öffentlich zugänglich zu machen.
Auf dieser Grundlage wäre es den einzelnen Autoren von wissenschaftlichen Werken möglich, ihre in einem Verlag veröffentlichten Werke in einem institutionellen Repositorium oder auf einer persönlichen Homepage öffentlich und kostenlos zur Verfügung zu stellen. «Unabdingbar» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dieser Teil des Verlagsvertragsrechts zwingend ausgestaltet werden müsste.
Mit der vorgeschlagenen Bestimmung wird Rechtssicherheit geschaffen. Heute müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bibliotheken und anderen Einrichtungen, die ein Repositorium betreiben, für jeden einzelnen Artikel aufwendig versuchen, die Rechtslage abzuklären. Häufig ist zunächst gar nicht klar, ob überhaupt ein (schriftlicher) Vertrag mit einem Verlag existiert und/oder ob auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten. Wenn ein Vertrag vorliegt, muss dieser im Hinblick auf die Zulässigkeit der Aufnahme eines Beitrages in ein Repositorium ausgelegt werden. Indem mit der vorgeschlagenen Ergänzung im Verlagsvertragsrecht festgehalten wird, dass das Recht zum unentgeltlichen Zugänglichmachen von Beginn weg nicht übertragen werden kann, wird diese Rechtsunsicherheit beseitigt.
Um zu verhindern, dass diese Bestimmung über ein Ausweichen auf ausländisches Recht umgangen wird, schliessen wir uns dem Vorschlag von Prof. Thouvenin und Prof. Hürlimann für eine entsprechende Regelung im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) an. [Eingabe Revision des Urheberrechts: Wissenschaftsschranke und Zweitveröffentlichungsrecht (Thouvenin, Hürlimann, Cottier, Caron) vom 31.3.2016]
Deutliche Verkürzung der urheberrechtlichen Regelschutzfristen
-> Wir fordern, dass die urheberrechtlichen Regelschutzfristen von heute 70 Jahren deutlich verkürzt werden.
Es ist heute weder nachvollziehbar noch zeitgemäss, dass mit der urheberrechtlichen Regelschutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris (p.m.a.) nicht nur der Urheber selber zu Lebzeiten, sondern auch noch bis zu drei ihm oder ihr nachfolgende Generationen bezüglich seines Werkes urheberrechtlich geschützt und – in der Theorie zumindest – wirtschaftlich abgesichert werden sollen. Es sollte vermieden werden, dass zum Schutz wirtschaftlicher Interessen einiger weniger nachfolgender Rechteinhaber von tatsächlich profitablen Werken der kulturelle Fundus mehrerer Generationen über Gebühr der freien Verwendung durch die Allgemeinheit vorenthalten wird. Wir fordern eine deutlich weitergehende Schutzfristverkürzung, die nur den Urheber schützt, also auf Lebzeiten.
Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass ein Werk unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Regelschutzfrist zehn Jahre nach Veröffentlichung nur dann noch während der ganzen Schutzfrist geschützt sein soll, wenn es vom Urheber durch eine Anmeldung in einem öffentlichen Register und durch Abgabe einer Schutzgebühr eingetragen wird, wobei ein Eintrag nur bei Erreichen der urheberrechtlichen Schöpfungshöhe möglich sein sollte.
Durch die Registrierung würde die Schutzdauer jeweils um zehn Jahre verlängert, danach kann die Registrierung alle zehn Jahre bis zum Erreichen der maximalen Schutzfrist erneuert werden. Wird ein Werk nicht registriert, bleibt es zwar weiterhin das Werk des Urhebers bis zum Ablauf der maximalen Schutzfrist, die Nutzung des Werkes wird aber, analog zur Regelung für verwaiste Werken gemäss vorliegender Vernehmlassungsvorlage, allen ermöglicht. Als Vorbild kann das Markenrecht dienen, das bereits vollständig als Registerrecht ausgestaltet ist.
Schutz vor Urheberrechtsberühmung an gemeinfreien Werken (so genannter Copyfraud) sowie Stärkung der Public Domain
-> Wir fordern einen wirksamen Schutz gegen so genannten Copyfraud, das heisst vor Urheberrechtsberühmung an gemeinfreien Werken, sowie die Stärkung der Public Domain.
Werke, die nie urheberrechtlich geschützt waren oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind, sind gemeinfrei und damit Teil der Public Domain. Solche Werke «gehören» niemandem mehr und sind endgültig herrenlos, so dass sie nicht-exklusiv und nicht-rivalisierend verwendet werden können. Solche Werke können beispielsweise digitalisiert und online verwertetet werden, auch kommerziell.
Im digitalen Raum, gerade auch durch Massnahmen gegen so genannte Internet-«Piraterie», werden in grosser Zahl Rechte an Werken behauptet, die Teil der Public Domain sind (Urheberrechtsberühmung; bisweilen sachlich unrichtig auch als Urheberrechtsanmassung bezeichnet – sachlich unrichtig, weil gar keine Urheberrechte mehr bestehen). Werke aus der Public Domain werden als angebliche Urheberechtsverletzungen durch Internet-Provider vorsorglich gelöscht um sich in den «sicheren Hafen» der Providerhaftung zu flüchten oder angebliche Rechteinhaber und Urheber versehen Werke aus der Public Domain mit dem ©-Zeichen oder veröffentlichen sie lediglich mit Einschränkungen im Sinn von Creative Commons-Lizenzen. Ein gut dokumentiertes Beispiel für Ersteres ist das «Content ID»-System von Google beziehungsweise YouTube und auch die geplanten Massnahmen gegen so genannte Internet-«Piraterie». gemäss vorliegender Vernehmlassungsvorlage würden angeblichen Rechteinhabern und Urhebern ohne weiteres ermöglicht werden, Urheberrechte an Werken in der Public Domain zu behaupten, da in einem ersten Schritt ein Glaubhaftmachen genügt. Für Letzteres gibt es viele gut dokumentierte Beispiele im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Gedächtnisinstitutionen in der Schweiz.
Der erläuternde Bericht zur vorliegenden Vernehmlassungsvorlage hält lediglich eine «vertiefte Prüfung des Regelungsbedarfs angezeigt», was unseres Erachtens nicht genügt – gerade auch mit Blick auf die geplanten Massnahmen zur Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» einschliesslich der Einführung einer Regelung zur Providerhaftung beziehungsweise Provider-Haftungsprivilegierung, die ohne Zweifel zusätzliche Anreize für Copyfraud schaffen würde. Das Urheberrecht muss auch diesbezüglich einen Ausgleich schaffen, denn die Public Domain wird durch Copyfraud ausgehöhlt. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen der letzten grossen URG-Revion von 1992/1993 die Public Domain durch die Verlängerung der Regelschutzfrist um 20 Jahre sowie die Einführung von Leistungsschutzrechten bereits erheblich geschwächt wurde.
Wir fordern deshalb einerseits, dass das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) um ein Schutzgesetz zu Gunsten der Public Domain ergänzt wird, das beispielsweise wie folgt formuliert sein könnte:
Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG Unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden und anderes widerrechtliches Verhalten
Unlauter handelt insbesondere, wer […] Immaterialgüterrechte, die nicht oder nicht mehr bestehen, gegenüber Dritten in irgendeiner Art und Weise geltend macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt; […].
Ergänzend muss die Public Domain auch dort geschützt und gestärkt werden, wo kein Wettbewerb im lauterkeitsrechtlichen Sinn stattfindet. Wir fordern deshalb auch, dass das URG um eine entsprechende Strafbestimmung im Sinn einer lex specialis ergänzt wird, die wie folgt formuliert sein könnte:
Art. 70a URG Urheberrechtsberühmung
1 Wer Urheber- oder verwandte Schutzrechte, die nach diesem Gesetz nicht bestehen, in irgendeiner Art und Weise geltend macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.
2 Wer eine Tat nach Absatz 1 gewerbsmässig begangen hat, wird von Amtes wegen verfolgt. Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Mit einer Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.
3 Taten nach Absatz 1 und 2 werden von Amtes wegen verfolgt.
Eine solche Strafbestimmung würde einen wirksamen urheberrechtlichen Interessensausgleich schaffen und bestehende sowie künftige Anreize bezüglich Copyfraud wirksam unterbinden. Die Strafbestimmung muss als Offizialdelikt ausgestaltet werden, da Werke in der Public Domain herrenlos sind.
Wir fordern andererseits einen unabhängigen Beauftragten für Gemeinfreiheit sowie ein Verbandsbeschwerderecht, nachdem die strukturelle Schwäche der Public Domain letztlich darin besteht, dass sich der Kampf gegen Copyfraud für einzelne Betroffene aufgrund der Betroffenheit im Einzelfall aus finanziellen, zeitlichen und anderen Gründen nicht lohnt, was das Allgemeininteressse an der Public Domain untergehen lässt. Das Amt des Beauftragten für Gemeinfreiheit müsste sich an jenem des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) orientieren, während gleichzeitig Lehren aus den bislang ernüchternden Erfahrungen mit der bestehenden Beobachtungsstelle für technische Massnahmen gezogen werden müssten. Das Verbandsbeschwerderecht kennt bereits zahlreiche Vorbilder in der schweizerischen Gesetzgebung. Das URG könnte in Bezug auf ein Verbandsbeschwerderecht wie folgt ergänzt werden:
Kapitel 2bis Kollektiver Rechtsschutz
Art. 73 […] URG
1 Gegen Urheberrechtsberühmung können gesamtschweizerischen Organisationen, die sich aufgrund ihrer Statuten für Schutz und Stärkung der Gemeinfreiheit einsetzen und mindestens zehn Jahr vor Erhebung von Rechtsmitteln gegründet wurden, Rechtsmittel ergreifen.
2 Der Bundesrat bezeichnet die zu Rechtsmitteln berechtigten Organisationen.
Stärkung der Medienfreiheit
-> Wir fordern, dass Art. 28 Abs. 1 URG zur Stärkung der Medienfreiheit modernisiert wird.
Zur Berichterstattung über aktuelle Ereignisse sieht das heutige URG – auch gemäss vorliegender Vernehmlassungsvorlage – die Verwendung von urheberrechtlichen Werken als Ganzes vor, soweit diese «erforderlich» sind . Die «Erforderlichkeit» muss im Zweifelsfall vom betreffenden Journalisten oder seiner Redaktion beziehungsweise seinem Verlag bewiesen werden, was zu Rechtsunsicherheit führt, gerade auch in Zeiten von schrumpfenden Budgets von Qualitätsmedien. Wer eine entsprechende Berichterstattung über aktuelle Ereignisse unterbinden möchte, kann deshalb behaupteten, das verwendete Werk sei oder die verwendeten Werke seien urheberrechtlich geschützt und ihre Verwendung für die aktuelle Berichterstattung nicht «erforderlich», das heisst widerrechtlich. Journalisten werden dadurch in ihrer Medienfreiheit und dabei insbesondere in ihrer demokratisch-rechtsstaatlich unabdingbaren Wächterfunktion erheblich eingeschränkt.
Ein Beispiel dafür lieferte kürzlich die Veröffentlichung eines Lobbying-Papiers des Alpiq-Energiekonzerns in der Basler Zeitung[3]. Die Lobbying-Agentur, die das Papier verfasst hatte, betonte öffentlich, es handle sich lediglich um eine Auslegeordnung und das könne auch jeder sehen, der das Papier als Ganzes lesen – so unter anderem in der «Tagesschau» im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)[4] und bei Facebook. Als die Basler Zeitung das Papier dann veröffentlichte um dieses Lesen zu ermöglichen, wurde der mutmasslich verantwortliche Journalist anwaltlich mit Verweis auf das URG abgemahnt[5] und verzichtete in der Folge auf eine weitere Veröffentlichung. Es war dabei äusserst zweifelhaft, dass das Lobbying-Papier überhaupt die notwendige Schöpfungshöhe für einen urheberrechtlichen Schutz erreichte, doch konnte der Alpiq-Energiekonzern die Berichterstattung über sein Lobbying als aktuelles Ereignis und damit die Medienfreiheit mit urheberrechtlichen Mitteln wirksam einschränken.
Das Erfordernis der «Erforderlichkeit» entspricht nicht der gängigen und und in der Rechtsprechung unbestrittenen Privilegierung der Medien in der schweizerischen und europäischen Rechtsordnung. Gerade im modernen Journalismus ist die Möglichkeit der Verwendung von – mutmasslich – urheberrechtlich geschützten Werken ohne Nachweis der «Erforderlichkeit» zwecks Schaffung von journalistischer Glaubwürdigkeit und Transparenz von grösster Bedeutung. Wir fordern deshalb, Art. 28 Abs. 1 URG wie folgt zu modernisieren:
Art. 28 Abs. 1 Berichterstattung über aktuelle Ereignisse
Für die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse dürfen die dabei wahrgenommenen Werke aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder sonst wie wahrnehmbar gemacht werden.
Mit einer solchen Modernisierung wären Journalisten nicht mehr auf Zitate beschränkt und könnten – im weiterhin beschränkten Rahmen der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse – Glaubwürdigkeit und Transparenz durch die Veröffentlichung von vollständigen Primärquellen schaffen, wie es von einem modernen Journalismus erwartet wird und im angelsächsischen Raum beispielsweise längst schon üblich ist.
Einführung von gesetzlichen Mitwirkungsrechten sowie Informations- und Kontrollrechten für Mitglieder von Verwertungsgesellschaften
-> Wir fordern, dass gesetzliche Mitwirkungsrechte sowie Informations- und Kontrollrechte für Mitglieder von Verwertungsgesellschaften eingeführt werden.
Die schweizerischen Verwertungsgesellschaften sind privatrechtlich organisiert und werden – gemäss der vorherrschen Organisationform als Genossenschaften – in erster Linie von ihren Mitgliedern getragen. Die einzelnen Verwertungsgesellschaften verfügen mehrheitlich über eine grosse Zahl von Mitgliedern, vergleichbar mit den Aktionären von (kotierten) Aktiengesellschaften, und gleichermassen unterliegen diese Mitglieder dem Principal-Agent-Problem. Sie verfügen aber weder über Mitwirkungsrechte noch über Informations- oder Kontrollrechte, wie sie bei – insbesondere kotierten – Aktiengesellschaften längst eingeführt und erst kürzlich gestärkt wurden. Daran kann auch die öffentlich-rechtliche Aufsicht, gemäss der vorliegenden Vernehmlassungsvorlage künftig allenfalls verstärkte Aufsicht, durch den Bund beziehungsweise das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) nichts ändern, zumal sich diese Aufsicht nicht auf den gesamten Tätigkeitsbereich der Verwertungsgesellschaften bezieht.
Wir fordern deshalb, dass gesetzliche Mitwirkungsrechte sowie Informations- und Kontrollrechte für Mitglieder von Verwertungsgesellschaften nach bewährtem Vorbild aus dem Aktienrecht eingeführt werden. Rechtssystematisch könnten solche Rechte als 6. Kapitel zum 4. Titel gemäss bestehendem URG ergänzt werden. Wir fordern dabei insbesondere ein Recht auf Vertretung an Mitgliederversammlung und einen Minderheitenschutz jeweils analog zum bestehenden Aktienrecht.