Die Digitale Gesellschaft hat sich 2019 vielfältig für Freiheitsrechte in einer fortschreitend digitalisierten und vernetzten Welt eingesetzt. So haben wir mit das Leistungsschutzrecht verhindert und die Netzneutralität verankert. Erfolgreich haben wir auch in einem breiten Bündnis das Referendum gegen die E-ID ergriffen. Andere Themen, wie die Beschwerden gegen die Massenüberwachung, das Datenschutzgesetz, E-Voting und Netzsperren werden auch 2020 aktuell bleiben. Nach dem Kurzrückblick im Dezember veröffentlichen wir nun den offiziellen Jahresbericht.
Vorwort
2019 war ein erfolgreiches Jahr. So konnten wir gleich mehrfach wichtige Grundrechte und Freiheiten im Internet sichern.
Mit der Festschreibung der Netzneutralität müssen sich die Zugangs- und Netzwerkanbieter weiterhin neutral verhalten gegenüber den angebotenen Diensten im Internet; dürfen somit keine Produkte, Anbieter oder Protokolle bevorzugen oder diskriminieren. Dieses Best-Effort-Prinzip steht synonym für den Erfolg des Internets. Es ist sowohl für die KonsumentInnen wie auch die Wirtschaft zentral.
Mit der Verhinderung des Leistungsschutzrechts konnte eine Linksteuer abgewendet werden, die nicht nur der Öffentlichkeit, sondern speziell auch den Verlagen geschadet hätte. Eine Blitz-Informationskampagne im Frühling bewirkte das nötige Umdenken und stärkte damit die Meinungs- und Informationsfreiheit.
Mit dem Referendum gegen die elektronische Identifikation (E-ID) möchten wir eine breitere Debatte über den nötigen Ausbau der digitalen Demokratie und das Selbstverständnis des Staates in einer vernetzten und digitalisierten Welt führen.
Daneben hat sich die Digitale Gesellschaft 2019 auch anderweitig und vielfältig für Grund-, Menschen- sowie Konsumentenrechte im Internet eingesetzt. So konnten wir beispielsweise unser Informationsangebot mit einer Neuauflage des Ratgebers zur Digitalen Selbstverteidigung, der Veranstaltungsreihe KarlDigital und den Big Brother Awards deutlich ausbauen.
Mittlerweile zählt der Verein 550 Mitglieder, wobei viele auch aktiv zu den Tätigkeiten in sehr unterschiedlicher Form beitragen. Es freut uns sehr, den vierten Jahresbericht (PDF, EPUB) veröffentlichen zu dürfen.
Norbert Bollow (Präsident)
Meinungs- und Informationsfreiheit
Quellenschutz
Das Redaktionsgeheimnis und den Quellenschutz zu gewährleisten, ist im digitalen Zeitalter fast unmöglich geworden. Staatliche und private (Massen-)Überwachung stellen für den kritischen und investigativen Journalismus ein ernsthaftes Problem dar. Diese Situation verschärft sich in der Schweiz mit der Umsetzung des neuen Nachrichtendienstgesetzes (NDG) und des revidierten Überwachungsgesetzes BÜPF nochmals deutlich.
Wie in den Jahren zuvor durften wir auch 2019 wieder ein ganztägiges Seminar zum Thema «Quellenschutz in der Praxis» an der Journalistenschule MAZ in Luzern anbieten. Der Kurs ist für 2020 und 2021 bereits wieder ausgeschrieben.
Netzsperren
Netzsperren greifen in die Rechte auf Informations- und Wirtschaftsfreiheit ein. Sie bedienen sich derselben technischen Mittel, wie es Internetkriminelle tun und stehen damit im Widerspruch zu Entwicklungen, welche die Internetnutzung sicherer machen sollen (wie z. B. DNSSEC, DNS-over-TLS, DNS-over-HTTPS). Gleichzeitig sind Netzsperren aber bereits mit geringen Kenntnissen leicht zu umgehen.
Mit dem Referendum gegen das Geldspielgesetz ist es uns 2018 gelungen, eine breite Diskussion zu Netzsperren in der Schweiz zu führen. Leider liessen sie sich im Abstimmungskampf gegen einen übermächtigen Gegner und eine erdrückende Angstkampagne nicht verhindern. Die Netzsperren wurden in diesem Jahr mit den vorhergesagten Komplikationen eingeführt. Mit der weiteren Verbreitung von verschlüsselten DNS-Abfragen werden sie zusätzlich vermehrt ins Leere laufen – und wohl eine Debatte über eine Verschärfung der Massnahme hervorrufen.
Leistungsschutzrecht
Im Februar 2019 hatte die zuständige Ständeratskommission in der Debatte zum Urheberrecht überraschend ein Leistungsschutzrecht für Verlage beschlossen. Es sah eine Linksteuer vor, die gravierender sein sollte als das, was die EU in der Zwischenzeit beschlossen hatte. In der Folge wurde in kürzester Zeit eine Allianz für ein faires Urheberrecht in der Schweiz gegründet, die sich mit aller Kraft gegen das selbstzerstörerische Vorhaben gewehrt hat.
Am 23. März haben dann auch in Zürich über 1 000 Personen gegen die Urheberrechtsreform in der EU und der Schweiz demonstriert. Zwei Tage später waren wir in die zuständige Kommission im Ständerat eingeladen, um unsere Kritik am Leistungsschutzrecht und am Lichtbildschutz zu äussern – nachdem wir es zuvor bereits geschafft hatten, dass der Ständerat das Gesetz in die Kommission zurückgewiesen hat. In der Folge hat der Rat beschlossen, auf das Vorhaben zu verzichten. Das Parlament ist dabei unseren Hauptargumenten gefolgt:
«Angesichts der Krise der Medien seien ihr die zusätzlichen Bestimmungen zunächst sinnvoll erschienen, sagte Kommissionspräsident Ruedi Noser (FDP/ZH). Die nähere Prüfung habe aber ergeben, dass sie sogar kontraproduktiv sein könnten. Sie könnten dazu führen, dass die Internet-Plattformen die Hinweise nicht mehr anzeigten.» (SDA, 29. April 2019)
Dies ist ein grossartiger Erfolg!
Appell für einen fairen Wahlkampf im Internet
Die Digitale Gesellschaft beobachtet politische Werbeaktivitäten im Internet mit Sorge und appellierte im Vorfeld der nationalen Wahlen 2019 an die VertreterInnen der politischen Organisationen und die KandidatInnen, diese Gefahren zu reduzieren. Dies bedeutet insbesondere, die Werbeaktivitäten im Internet und auf Social Media für die Öffentlichkeit transparent zu gestalten und die Persönlichkeitsrechte der BürgerInnen zu achten.
Um die Parteien diesbezüglich zu sensibilisieren, haben wir mit amtierenden ParlamentarierInnen drei Forderungen aufgestellt und uns mit einem Appell an die kantonalen Parteisektionen gewandt:
- Benennen Sie korrekt die Urheberschaft und verzichten Sie auf Fake Accounts.
- Erstellen Sie Zielgruppen nur mit Einwilligung der Betroffenen.
- Verzichten Sie auf Dark Ads.
Kein Sekretariat hat unseren Appell abgelehnt. Explizit akzeptiert wurde er aber nur von knapp 30%. Beschränkt auf die insgesamt 87 Parteisektionen der grössten Kantone, erreichte die Zustimmungsrate immerhin 43%.
Datenschutz und Recht auf Privatsphäre
Massenüberwachung
Vor 2011 war der Öffentlichkeit in der Schweiz kaum bewusst, dass beispielsweise von sämtlichen Handys bei einem Kommunikationsvorgang der Standort aufgezeichnet wird. Entsprechend galt die erste Kampagne der Digitalen Gesellschaft der Vorratsdatenspeicherung. Inzwischen ist der Begriff in der politischen Debatte präsent. Und entsprechend war es möglich, zumindest die Verdoppelung der Vorratsdatenspeicherung auf 12 Monate im revidierten Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zu verhindern.
Auch die Debatte um die Kabelaufklärung lässt sich auf eine Medienkampagne der Digitalen Gesellschaft zurückführen: Eine Titelgeschichte in der WOZ, ein offener Brief (zusammen mit Amnesty International und der Stiftung für Konsumentenschutz) sowie ein darauf folgender Hintergrundartikel im Tages-Anzeiger brachte die Massenüberwachung ins öffentliche Bewusstsein.
Beschwerde gegen die Kabelaufklärung
Am 1. September 2017 ist das Nachrichtendienstgesetz (NDG) in Kraft getreten. Mit der darin vorgesehenen Kabelaufklärung wird das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre schwerwiegend verletzt, das Anwaltsgeheimnis und das Arztgeheimnis werden ausgehöhlt. Die Kabelaufklärung verletzt zudem die Unschuldsvermutung und das Verhältnismässigkeitsprinzip.
Die Digitale Gesellschaft gelangte deshalb Ende August 2017 mit einem Gesuch an den Nachrichtendienst des Bundes (NDB), die Kabelaufklärung zu unterlassen. Der Geheimdienst hielt es nicht für notwendig, inhaltlich auf das Gesuch einzutreten. Die Umsetzung des Massnahmengesetzes, so der Geheimdienst, verletze «offensichtlich keine durch die Verfassung und die EMRK garantierte Grundrechte».
Die Verletzungen der garantierten Grundrechte durch die Kabelaufklärung sind im Gesuch detailliert und umfangreich dargelegt. Die Digitale Gesellschaft hat deshalb die Beschwerde gegen die Kabelaufklärung an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen.
Der Geheimdienst zeichnete am Bundesverwaltungsgericht ein verharmlosendes Bild der Überwachung; so werde nur «eine [einzelne] Glasfaser auf der viel Verkehr aus Syrien durchläuft» überwacht. Aus der Betrachtung der Internet-Architektur und des Bedrohungsbildes des NDB ist diese Darstellung jedoch unzulässig, vereinfacht und schlicht irreführend. Das Gericht ging leider nicht darauf ein, sondern verweigerte mit seinem Urteil vom Juni 2019 den BeschwerdeführerInnen das Recht auf Beschwerde. Es begründete seinen mutlosen Entscheid damit, dass mit dem datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht die Möglichkeit bestehe, die Verletzung von Grundrechten durch den Geheimdienst zu rügen und damit eine «rechtmässige» Überwachung gerichtlich durchzusetzen.
Die überwachten Personen verfügen jedoch gerade nicht über ein Auskunftsrecht, das bereits die Massenüberwachung umfasst. Ein – beschränktes – Auskunftsrecht besteht lediglich für Daten, die nachträglich in einem geheimdienstlichen Informationssystem abgespeichert werden. Eine solche Speicherung beim Geheimdienst erfolgt erst, nachdem die gescannten Datenströme zu einem Treffer geführt haben und ein solcher Treffer einer Person zugeordnet wurde.
Wir haben daher die Beschwerde an das Bundesgericht weitergezogen. Hier haben im Herbst 2019 schriftliche Anhörungen stattgefunden. Mit einem Urteil kann 2020 gerechnet werden.
Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung
Die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung verstösst gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre und hat negative Auswirkungen auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung bereits 2010 als unzulässig erklärt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lehnte die anlasslose und verdachtsunabhängige Massenüberwachung bereits zweimal ab. 2018 erklärte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, was gemäss EuGH gegen die EU-Grundrechtecharta verstosse, sei auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar.
Für das Bundesgericht hingegen heiligt der Zweck die Mittel: Der Gesetzgeber in der Schweiz habe sich für ein System einer allgemeinen und umfassenden Vorratsdatenspeicherung entschieden. Würde die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz entsprechend eingeschränkt, könne diese Massenüberwachung in der heutigen Form nicht mehr stattfinden.
Entsprechend hat das Bundesgericht unsere Beschwerde im März 2018 gegen die anlasslose und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung (erwartungsgemäss) nur teilweise gutgeheissen. Da die Schweiz kein Verfassungsgericht kennt, haben wir die Beschwerde im Herbst an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg weitergezogen. 2019 haben wir in einem Gesuch um beschleunigte Behandlung gebeten, da die Menschen in der Schweiz fortwährend von der Massenüberwachung betroffen sind.
Im Jahr 2020 stehen zwei wegweisende Urteile zur geheimdienstlichen Massenüberwachung in Grossbritannien und in Schweden an. Diese werden von der Grossen Kammer am EGMR gefällt. Im Anschluss wird es mit unserem Verfahren weitergehen.
Datenschutz
Das geltende Datenschutzgesetz trat bereits 1992 in Kraft. Die Digitale Gesellschaft begrüsste die aktuelle Revision und war mit der Stossrichtung des Bundesrats einverstanden. Wir sahen allerdings auch Schwächen, insbesondere beim Auskunftsrecht, im Bereich der Durchsetzbarkeit und mit Blick auf die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union.
Ende 2017 waren wir in die Staatspolitische Kommission des Nationalrats eingeladen und konnten unsere Vorschläge, insbesondere jene zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit, konkret einbringen. Nachdem die erste Etappe zur Anpassung des Rechts zur Schengener Zusammenarbeit im Strafrechtsbereich 2018 verabschiedet wurde, hat der Nationalrat 2019 einen dritten Entwurf für ein neues Datenschutzgesetz verabschiedet. Damit droht nun sogar unter anderem beim Tracking und Profiling eine Senkung des Schutzniveaus im Vergleich zum geltenden Gesetz von 1992.
Wir fordern, dass analog zur DSGVO mindestens ein Widerspruchsrecht geschaffen wird: Das Gesetz muss als Ausgleich, wo keine ausdrückliche Einwilligung für ein Profiling vorgesehen ist, eine einfache «Opt-out»-Möglichkeit für die betroffenen Personen verankern. Die Debatte wird uns weiterhin beschäftigen.
E-Voting
Demokratische Entscheidungen haben eine sehr hohe Akzeptanz, weil sich grosse Teile der Bevölkerung daran beteiligen können und das Entscheidungsverfahren nachvollziehbar ist. Nur so werden kontroverse und sehr knappe Entscheidungen auch von den VerliererInnen akzeptiert. Vollständig verifizierbare E-Voting-Systeme (so sie denn erfolgreich aus den Konzepten entwickelt werden können) bedingen jedoch umfangreiche technische und organisatorische Massnahmen. Die Verifikation setzt weitreichendes Fachwissen voraus – speziell auch bei den abstimmenden Personen.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat 2009 die weitere Verwendung von Wahlcomputern verboten, da «der Wähler ohne nähere computertechnische Kenntnisse selbst nachvollziehen können muss, ob seine abgegebene Stimme als Grundlage für die Auszählung oder jedenfalls als Grundlage einer späteren Nachzählung unverfälscht erfasst worden ist».
Nun sind aber die Abläufe beim E-Voting nochmals deutlich komplexer als die Verwendung von Wahlcomputern. IT-Sicherheit und Nachvollziehbarkeit der Wahl schliessen sich daher bereits in der Theorie aus.
Bereits seit 2013 arbeiten wir kontinuierlich an diesem sehr aktuellen Thema. So waren wir an verschiedenen kantonalen Vorstössen und Anhörungen beteiligt. Diese haben dazu beigetragen, dass die E-Voting-Systeme der ersten Generation verboten wurden und das sogenannte Consortium aufgelöst wurde. Im Herbst 2018 hat dann der Kanton Genf die System-Entwicklung aufgegeben. 2019 wurde auch das übrig gebliebene – vom spanischen Hersteller Scytl stammende und von der Schweizer Post vertriebene – System vorläufig gestoppt. Das Jahr 2020 dürfte ein weiteres entscheidendes Jahr für E-Voting in der Schweiz werden.
Elektronische Identität (E-ID)
Bereits 2017 haben wir uns in einer Stellungnahme kritisch zur geplanten Einführung einer staatlichen elektronischen Identität geäussert, die von Privaten herausgegeben werden soll. Der Bedarf nach einer benutzbaren und vertrauenswürdigen elektronischen Identifikation (und Unterschrift) besteht. Die E-ID ist jedoch ein Pfeiler der digitalen Demokratie und wird auch für die Ausübung von Volksrechten zum Einsatz kommen. Wir benötigen daher keine E-Commerce-ID, sondern eine echte digitale Erweiterung von ID, Pass und Ausländerausweis. Das E-ID-Gesetz muss den Bürgerinnen und Bürgern dienen – und nicht der Wirtschaft. Wie die Herausgabe der bereits bestehenden Ausweisdokumente muss daher auch diese öffentliche Aufgabe vom Staat wahrgenommen werden.
Im November 2018 waren wir in die Rechtskommission des Nationalrats eingeladen, um unsere Kritik zu präsentieren und über unsere Vorschläge zu diskutieren. Im Anschluss haben wir die Ratsdebatte eng begleitet. Bezüglich Datenschutz konnten einige Verbesserungen erreicht werden. Am Schluss hat sich das Parlament aber nicht dazu durchringen können, dass (auch) der Staat eine E-ID heraus gibt – und es blieb bei der Architektur mit zentralen Login-Servern und Datenbanken.
Im Oktober haben wir daher in einem breiten Bündnis das Referendum ergriffen und in 75 Tagen die nötigen 50 000 beglaubigten Unterschriften – mit einem spektakulären Endspurt bis Weihnachten – gesammelt. Das E-ID-Referendum kommt somit vor das Volk! Die Abstimmung findet voraussichtlich im September 2020 statt.
Freedomvote.ch
Freedomvote.ch ist ein Wahlhilfetool und Smartspider für netzpolitische Fragen. Es ist bei den National- und Ständeratswahlen 2015 erstmals zum Einsatz gekommen. Zu den Erneuerungswahlen 2018 im Kanton Bern und in der Stadt Zürich stand eine aktualisierte Version zur Verfügung. Und auch zu den nationalen Wahlen im Herbst 2019 wurde Freedomvote überarbeitet und angeboten.
Das Tool konnte die Kandidierenden für netzpolitische Anliegen sensibilisieren und den Wählenden als Orientierung dienen. Die Digitale Gesellschaft hat bei der Auswahl und Gestaltung der Fragen mitgearbeitet.
Konsumentenberatung und Konsumentenschutz
Netzneutralität
Alle grossen Mobilfunkanbieter in der Schweiz bieten (oder boten) Abos an, welche die Netzneutralität verletzen. Indem gewisse Dienste nicht zum Datenverbrauch gezählt werden, wähnt sich die Kundschaft zwar im Vorteil, tatsächlich findet jedoch eine Diskriminierung aller anderen Dienstanbieter statt – was im Endeffekt den Interessen der VerbraucherInnen zuwiderläuft. Grosse Internetzugangsanbieter versuchen zudem, einen zweiseitigen Markt bei der Interconnection zu etablieren: Nicht nur der Internet-Abonnent, sondern auch die Inhalteanbieter oder andere Provider sollen zur Kasse gebeten werden. Dies ist ein klarer Nachteil für kleinere Unternehmen, den Innovationsstandort und die KonsumentInnen, deren Einfluss abnimmt.
Der Bundesrat hingegen erkannte darin keine Diskriminierung und hielt im überarbeiteten Fernmeldegesetz eine Transparenzpflicht beispielsweise für Zero-Rating-Angebote für ausreichend.
Die Digitale Gesellschaft hatte bereits 2016 zu diesem wichtigen Thema eine umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht. Für die Debatte im Parlament haben wir darauf aufbauend einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Im November 2017 waren wir dann von der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) zu einer Anhörung eingeladen. 2018 ist es uns gelungen, eine Verpflichtung für Netzneutralität in das Gesetz zu hieven. Im weiteren Verlauf der Debatte im Jahr 2019 konnte dann noch die vom Ständerat hinzugefügte Ausnahme für Spezialdienste nach europäischem Muster weitgehend eingegrenzt werden. Das ist ein toller Erfolg. Das Gesetz wird 2020 in Kraft treten.
Workshops und Bildung
Die Digitale Gesellschaft hat sich 2019 vermehrt für die Vermittlung der technischen Grundlagen für einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Werkzeugen engagiert. Im Fokus standen verschiedene Gruppen: JournalistInnen, SchülerInnen und die breite Bevölkerung ohne spezifische Vorkenntnisse.
Kurse
Unsere Workshops zur digitalen Selbstverteidigung wurden 2019 an der Journalistenschule MAZ, für Amnesty International (auf Deutsch und Französisch), an der ZHAW und am Switch Security Awareness Day durchgeführt. Die Standardmodule umfassen:
- Computer-Grundschutz
- Sicherheit von Messenger
- Spurenarm und anonym surfen
- E-Mails verschlüsseln mit GnuPG
Ratgeber
Bereits 2017 haben wir zusammen mit der WOZ und dem CCC Schweiz einen Digital-Ratgeber herausgegeben. Dieser beschäftigt sich mit dem Thema Datenschutz und bietet eine Vielzahl konkreter Anregungen, wie die Privatsphäre im Internet geschützt werden kann. Nachdem die ersten 22 000 Exemplare bereits nach kurzer Zeit vergriffen waren, haben wir 2018 eine Neuauflage gedruckt. 2019 wurde der Ratgeber überarbeitet und nochmals 27 000 Broschüren gedruckt (und unter anderem der WOZ beigelegt). Zudem wurde ein ergänzendes Online-Portal geschaffen.
Dienste
Tor
Das «Tor Project» und die darauf aufbauenden Dienste bieten unbeobachtete, sichere und zensurresistente Kommunikation. Tor ist eines der wenigen Hilfsmittel, die wirkungsvoll vor Massenüberwachung schützen. Dies ist wichtig für die eigene informationelle Selbstbestimmung und unersetzlich für die politische Auseinandersetzung in repressiven Staaten.
Die Digitale Gesellschaft betreibt seit jeher Tor-Server. Aktuell bieten wir 13 Exit-Nodes auf vier Servern an und gehören damit weltweit zu den leistungsstärksten BetreiberInnen.
DNS
Seit Anfang 2019 bieten wir der Öffentlichkeit auch DNS-Resolver über die verschlüsselten Kommunikationswege DNS-over-TLS (DoT) und DNS-over-HTTPS (DoH) an. Die DNS-Resolver zeichnen keine Benutzerdaten in Logfiles auf und haben keine Sperrlisten implementiert. Damit möchten wir eine Alternative zu kommerziellen BetreiberInnen bieten. Unsere Konfiguration ist auf GitHub veröffentlicht.
Die redundanten Server erfüllen die DoH Resolver Policy von Mozilla. In dem Rahmen haben wir auch einen Transparenz-Bericht veröffentlicht.
Veranstaltungen
Winterkongress
Im Februar 2019 konnten wir unseren zweiten Winterkongress im Zentrum Karl der Grosse – und neu auch in der Helferei – in Zürich durchführen. Den Teilnehmenden standen über 28 Vorträge und Workshops in vier parallelen Tracks zur Auswahl. Diese deckten die Bereiche «Digitale Selbstverteidigung», «Ethik, Wissenschaft & Gesellschaft», «Recht & Politik» sowie «Netzwerke, Security, Hard- & Software» ab.
Im Februar 2020 steht die dritte Auflage und ein Umzug in die Rote Fabrik in Zürich an. Dadurch haben wir nochmals deutlich mehr Platz zur Verfügung.
KarlDigital
Gemeinsam mit dem Zentrum Karl der Grosse führten wir 2019 die Veranstaltungsreihe KarlDigital fort. Den Auftakt bildete das Thema «Digitalisierung in der Bildung». Weiter ging es mit «Dateneigentum pro und contra», «Digitalisierung im Gesundheitswesen», dem «digitalen Nachlass» sowie «Klima Digital».
Für 2020 sind weitere Veranstaltungen geplant.
Big Brother Awards
Nach 10 Jahren Pause fand 2019 zum ersten Mal wieder eine Verleihung der Big Brother Awards in der Schweiz statt. Neben der Digitalen Gesellschaft wurde die Vergabe des Negativpreises für Datenkraken vom Chaos Computer Club Schweiz und der p≡p Foundation organisiert. Mit in der Jury sass auch die Wau Holland Stiftung.
Je ein Preis wurde in der Kategorie «Staat», «Public-Private-Partnership» und «Publikum» vergeben. Die GewinnerInnen waren das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Zürich für die «Geheimjustiz im Überwachungsstaat», das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für das elektronische Patientendossier und die PostFinance AG für die Stimmerkennung. Die PostFinance wie auch das Zwangsmassnahmengericht haben den Preis entgegengenommen; mit beiden wurden Gespräche geführt.
Die Big Brother Awards wollen exemplarisch auf heikle Entwicklungen, Datenschutzverstösse und Verletzungen der Privatsphäre hinweisen – und Wege zur Verbesserung aufzeigen. Die Reaktionen zeigen, dass eine Debatte durchaus möglich ist.
Digital Festival
Im September fand in Zürich das vierte Digital Festival statt. Wir waren am Donnerstag Teil der Nachmittagssession «Gesellschaft Digital». Nach der Keynote zu Grundrechten in der digitalen Welt gab es vier Workshops zum Thema digitale Demokratie, die wir zusammen mit der Stiftung Risiko-Dialog organisiert haben.
Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltungen und Podien
Zunehmend werden wir als fachkompetente und kritische Stimme an Veranstaltungen und Podien eingeladen. Im vergangenen Jahr war der Verein beispielsweise an den internationalen Kurzfilmtagen in Winterthur, der Jugendsession, der «No-Spy»-Konferenz in Stuttgart und am 36. Chaos Communication Congress in Leipzig vertreten.
Medien
In über hundert Artikeln fanden die Aktivitäten der Digitalen Gesellschaft im Jahr 2019 Erwähnung. Wir sind als ExpertInnen zu verschiedenen Themen in der «NZZ», dem «Tages-Anzeiger», der «Republik» und vermehrt auch in allen vier Landessprachen zu Wort gekommen.
Organisation
Vorstand
Norbert Bollow (Präsident)
Hartwig Thomas (Kassier)
Simon Gantenbein
Viktor Györffy
Christoph Laszlo
Reto Schneider
Lorenz Schori
Aline Trede
Revisionstelle
Christine Lent
Hans-Peter Oeri
Geschäftsstelle
Erik Schönenberger
Medienstelle
Martin Steiger
Rechtsform
Gemeinnütziger Verein nach Schweizer Recht
Struktur
Seit dem 1. Januar 2019 wird die Geschäftsstelle der Digitalen Gesellschaft von Erik Schönenberger hauptberuflich in einem 80%-Pensum geführt. Unser Geschäftsleiter hat diese Tätigkeit bereits viele Jahre ehrenamtlich ausgeführt. Nun konnten wir das Pensum erhöhen.
Die Geschäftsstelle unterstützt und koordiniert die ehrenamtliche Arbeit der Fachgruppen und stellt bei langfristigen Projekten den Wissenstransfer sicher. Sie erledigt einen grossen Teil der Administration und das Community Management. Sie ist zudem für die interne und externe Kommunikation zuständig.
2020 werden wir, in einem gemeinsamen Projekt u.a. mit dem Chaos Computer Club Zürich, die ersten Arbeitsplätze einrichten können.
Zahlen
Die Digitale Gesellschaft 2019
- 550 Mitglieder, davon 75 aktive Mitglieder
- 16 Organisationen
Einnahmen
- Mitgliederbeiträge: 43 350.–
- Spenden: 34 200.–
- Zweckgebundene Spenden: 1 000.–
- Informationskampagnen: 17 550.–
- Bildung, Veranstaltungen, Dienstleistungen: 29 650.–
Ausgaben
- Personalkosten: 114 050.–
- Beschwerden Massenüberwachung: 7 550.–
- Dienste und Kampagnen: 7 700.–
- Bildung, Veranstaltungen, Dienstleistungen: 19 500.–
- Administration und Betrieb: 11 000.–
Verlust
- Total: 34 100.–
Kapital
- Total (nach Gewinnverwendung): 78 500.–
- davon nicht zweckgebunden: 53 700.–
(Provisorische Zahlen per 20.01.2020; CHF)
Vielen Dank für die Unterstützung
- Stiftung SWITCH
- CommunityRack.org
- Nine Internet Solutions AG
- Ticketpark GmbH
- WOZ Die Wochenzeitung
- Zentrum Karl der Grosse