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Eine Woche nach der E-ID-Abstimmung [Update]

Eine Woche ist seit der denkwürdigen E-ID-Abstimmung vergangen. Noch am Abstimmungssonntag sprach Bundesrätin Karin Keller-Suter von «einem Rückschritt», als gäbe es keine Alternative. In der Zwischenzeit haben Parlament und Nerds geliefert.

Denkwürdiger Abstimmungskampf

Vor einer Woche hat die Schweizer Stimmbevölkerung das E-ID-Gesetz mit 64.4% wuchtig abgelehnt. Das deutliche Resultat kam überraschend. Sind wir doch gegen den Bundesrat und das Parlament, welches dem Gesetz noch mit grosser Mehrheit zugestimmt hat, sowie gegen die Wirtschaftslobby, angetreten.

Im Abstimmungskampf veröffentliche Ringier/Blick politische Werbung als getarnte Redaktionsbeiträge, worin die Organisation «Digital Switzerland» (die von Ringier-Konzernchef Marc Walder mitbegründet wurde) für die Privatisierung der elektronischen Identität warb. Gegen dieses unzulässige «Native Advertising» haben wir Beschwerde eingereicht.

Auch Bundesrätin Karin Keller-Suter spielte falsch: Bewusst hat sie den Eindruck erweckt, dass der Kanton Schaffhausen als E-ID-Anbieter für die ganze Schweiz eine Lösung aus rein staatlicher Hand anbieten will. Eine Recherche der Schaffhauser AZ widerlegte dies. Auch die NZZ kam zum Schluss: «Die Aktion [an der Medienkonferenz] war perfekt orchestriert.»

Umso erfreulicher ist das klare Verdikt. War das Referendum zunächst gerade mal von Public Beta und der Digitalen Gesellschaft getragen, sind schnell weitere unterstützende Organisation wie Piratenpartei, Campax und Syndicom bis hin zum Verband Schweizerischer Polizei-Beamter und drei Senior:innen-Verbänden hinzugekommen. Im Oktober 2020 ist auch die GLP gekippt, als sie an der Delegiertenversammlung ein «Nein» zum E-ID-Gesetz beschloss – und sich der SP und den Grünen anschloss.

Es geht um mehr als «nur» eine E-ID

Gemeinsam ging es darum, nicht «einfach» das E-ID-Gesetz zu verhindern. Das Komitee hat immer betont, dass wir eine staatliche und datensparsame E-ID im Sinne des Service-Public befürworten. Es braucht für einen digitalen Ausweis keinen Markt und möglichst «innovative» Produkte. Eine staatliche, vertrauenswürdige und sichere E-ID reicht – auf der dann selbstverständlich private Dienste oder zivilgesellschaftliche Lösungen aufsetzen können. (Wer nach dem Abstimmungssonntag weiterhin von Login spricht, hat noch immer nicht verstanden.)

Eine weitere Absicht war, E-Government zu fördern und eine Diskussion über das Selbstverständnis des Staates in einer mehr und mehr digitalisierten Welt zu lancieren. Die Haltung «er kann das nicht» geht nicht. Behördengänge (mit Hilfe einer E-ID) zu digitalisieren ist nur ein Anfang. Die Demokratie an und für sich braucht ein Update.

Klassische Vernehmlassungen – auch per Word-Dokument und in Zukunft(!) per Webformular – sind weder zeitgemäss noch werden sie den heutigen Anforderungen und Möglichkeiten gerecht. Beteiligung und Iteration sind viel umfassender möglich. Wenn die technischen Ausführungsbestimmungen zum E-ID-Gesetz «nach bewährter Praxis ausschliesslich verwaltungsintern erarbeitet» und nicht mit Externen diskutiert werden, ist dies wohl erfreulich ehrlich vom zuständigen Bundesamt für Justiz – aber auch komplett aus der Zeit gefallen.

Motion für eine vertrauenswürdige, staatliche E-ID

Noch am Abstimmungssonntag sprach Bundesrätin Karin Keller-Suter von «einem Rückschritt», als gäbe es keine Alternative. Umso erfreulicher ist der Zusammenschluss im Parlament in dieser Woche: Bereits am Mittwoch wurde eine Motion für eine vertrauenswürdige, staatliche E-ID eingereicht. Diese konnten wir gemeinsam mit Parlamentarier:innen schon vor der Abstimmungssonntag vorbereiten. Dass sie dann in sechsfacher Ausführung und unterstützt von allen Fraktionen eingereicht werden konnte, ist wohl einzigartig und ein deutliches Zeichen. In den zur Verfügung stehenden 2’400 Zeichen umreisst sie die Grundzüge einer staatlichen und datenschutzfreundlichen E-ID:

Der Bundesrat wird damit beauftragt, ein staatliches elektronisches Identifikationsmittel zum Nachweis der eigenen Identität (Authentifizierung) in der virtuellen Welt, vergleichbar mit Identitätskarte oder Pass in der physischen Welt, zu schaffen. Dabei sollen insbesondere die Grundsätze «privacy by design», Datensparsamkeit und dezentrale Datenspeicherung (wie Speicherung der Ausweisdaten bei den Benutzerinnen und Benutzer) eingehalten werden. Diese E-ID darf auf privatwirtschaftlich entwickelten Produkten und Diensten beruhen. Der Ausstellungsprozess und der Gesamtbetrieb der Lösung muss aber in der Verantwortung staatlicher, spezialisierter Behörden erfolgen.

Text der Motion

Die Ablehnung des Bundesgesetzes über die elektronischen Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) in der Volksabstimmung vom 7. März 2021 zeigte deutlich auf, dass eine Mehrheit der Stimmenden sich zwar eine E-ID wünscht, eine solche elektronische Identität allerdings von der öffentlichen Hand ausgestellt und betrieben werden muss und dies nicht privaten Unternehmen überlassen werden darf. Die Herausgabe und der Betrieb einer elektronischen Identität ist eine öffentliche Aufgabe, für die der Staat zuständig sein muss. Dem Staat wird hier am meisten Vertrauen entgegengebracht. Denn damit eine elektronische Identifizierung funktioniert und bei den Benutzerinnen und Benutzer auf Akzeptanz stösst, muss Vertrauen vorhanden und die Handhabung möglichst einfach und praktikabel sein. Eine staatliche E-ID ist ein digitaler Identitätsausweis und ermöglicht eine elektronische Identifizierung im Behördenkontakt und im Wirtschaftsverkehr (Onboarding, 2FA, Signierung), als Ergänzung zu privatwirtschaftlichen Logins (auch Single Sign-on), mit ausreichendem Datenschutz und Datensicherheit, die das Vertrauen der Benutzerinnen und Benutzern geniesst und somit in der Bevölkerung akzeptiert wird

Eine solche Einigung auf die Grundzüge und Ziele einer staatlichen und datenschutzfreundlichen E-ID ebnet den Weg, um Varianten und Details auszuarbeiten. Eine Interpellation für eine E-ID auf Basis der Identitätskarte ist bereits geplant. Vorschläge für weitere dezentrale und selbstbestimmte Identitäten können folgen.

[Update 28.3.2021: Die Interpellation für eine «Identitätskarte als Teil einer zukünftigen E-ID-Lösung» ist eingereicht.]