Der Bundesrat möchte Pilotprojekte zu Mobility-Pricing durchführen, um Erfahrungen zur Lenkung des Verkehrs mithilfe gezielter Abgaben sammeln zu können. Obwohl das hierzu geplante Bundesgesetz den Datenschutz offenkundig tangiert, lässt der Entwurf einiges an Ausführungen zum Datenschutz zu wünschen übrig. Entsprechend haben wir heute zum geplanten Gesetz unsere Stellungnahme abgegeben.
Die Digitale Gesellschaft anerkennt ein dringendes Bedürfnis nach mehr Nachhaltigkeit im Verkehr und unterstützt auch einen klaren Richtungswechsel hin zur Vermeidung von Treibhausgasen. Mobility-Pricing kann hierzu ein sinnvolles Lenkungselement mit grossem Potential darstellen. Wir sind jedoch erstaunt über den Mangel an Bestimmungen zur konkreten Ausgestaltung und das Fehlen einiger wichtiger Schutzbestimmungen bezüglich personenbezogener Daten.
Datenschutzrechtliche Schwierigkeiten bei der konkreten Ausgestaltung
Anonymität der Abgabe
Generell kritisieren wir, dass die Durchsetzung des Datenschutzes im Rahmen dieser Vorlage zwar als heikel bezeichnet wird, gleichzeitig jedoch auf dessen Regulierung durch den Bund verzichtet und stattdessen in den Artikeln 8 und 10 das Zepter leichtfertig den Gesuchstellern und den Kantonen übergeben wird. Die grösste datenschutzrechtliche Schwierigkeit besteht beim motorisierten Individualverkehr (2. Abschnitt), wo der im öffentlichen Verkehr vorgesehene Artikel 12 bezüglich anonymer Entrichtung der Abgabe gänzlich fehlt. Hier kann es sich wohl nur um ein Versehen handeln, ansonsten würde die anonyme Benutzung des Strassenverkehrs in Orten mit abgabepflichtigen Projekten komplett verunmöglicht. Wir begrüssen jedoch ausdrücklich, dass im entsprechenden Artikel des öffentlichen Verkehrs (Art. 12) «Privacy by design» vorgesehen ist, wodurch Anonymität Standard wird. Dem besagten Artikel fehlt jedoch ein Verbot der Erhebung von Daten, die Rückschlüsse auf bestimmbare Personen und Bewegungsprofile erlauben – was der erläuternde Bericht auch explizit für möglich hält.
Unklar ist ausserdem, was unter dem Begriff «anonymisierter» Daten, die dem UVEK zu Forschungszwecken übermittelt werden müssen, gemeint ist (Art. 20 und 29). Vollständig anonymisierte Bewegungsdaten sind nämlich per se nur unter Zuhilfenahme anspruchsvoller Konzepte wie Differential Privacy o. Ä. wertvoll, von denen im erläuternden Bericht keine Rede ist. Da die Anwendung solcher Vorkehrungen nicht vorgesehen ist, kann hier nur gerade von pseudonymen Daten (die eben nicht vollständig anonymisiert sind) gesprochen werden, mit denen über Umwege noch immer Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen werden können. Dementsprechend ist auch die Übermittlung ans UVEK im Falle von nur gerade pseudonymen Daten als bedenklich einzustufen, zumal ja explizit von der Erhebung und der Bearbeitung von Daten, die Rückschlüsse auf zumindest bestimmbare Personen und die Erstellung von Bewegungsprofilen erlauben, ausgegangen wird (Erläuternder Bericht, Abschnitt 2. Erläuterungen zu Artikel 16, S. 10).
Erhebung personenbezogener Daten
Die inakzeptable Erhebung personenbezogener Daten wird zumindest indirekt sogar gefordert: Artikel 10 Absatz 3 beispielsweise besagt, dass vergünstigte Billette mit höheren Abgaben belegt werden können. Obschon ein Affront gegenüber all diejenigen, welche auf ein verkehrsgünstiges Billett angewiesen sind, sind hier personenbezogene Daten wie das Alter der Fahrgäste indirekt als Basis für die Höhe der Abgabe genannt. Auch der in Artikel 2 genannte Zweck der Pilotprojekte, die Wirkung, Akzeptanz und Steuerungsmöglichkeiten des Mobility-Pricings besser abschätzen zu können, wird so verfehlt: Kauft ein Fahrgast beispielsweise bewusst ein Sparbillett, nur um dann bei Kaufabschluss eine erhöhte Abgabe und damit verbundenes Verschwinden seines Sparvorteils zu erfahren, kann Ratlosigkeit und Verwirrung entstehen, entgegen dem Zweck dieser Vorlage.
Schlussfolgerung
Die Digitale Gesellschaft anerkennt das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Entlastung beziehungsweise Vorbeugung der Überlastung des Strassen- und ÖV-Verkehrs, jedoch darf der Datenschutz nicht unter dem Deckmantel der Zurverfügungstellung von adäquaten Verkehrsmöglichkeiten untergraben werden. Obwohl der erläuternde Bericht verspricht, der Datenschutz werde nicht als «systemfremde und externe» Anforderung betrachtet, sondern vielmehr als eigene und vom System zu erfüllende Kernaufgabe, spiegelt sich dieser Anspruch in der Vorlage leider nicht wider.
Wir bedauern ausserdem das Versäumnis detaillierterer datenschutzrechtlicher Bestimmungen auf den Ebenen der personenbezogenen Daten, der «anonymen» Entrichtung der Abgabe sowie der Ausgestaltung nach kantonalem Recht. Die willkürliche Benachteiligung freiwilliger Projekte gilt es unseres Erachtens dringend zu überdenken, da zumindest deren Rechtfertigung unschlüssig ist.
Projekte rund um Mobility-Pricing lassen sich vollständig anonym oder zumindest mit maximaler Datensparsamkeit umsetzen (beispielsweise durch Einsatz von Prepaid-Systemen). Der neu explizit im Datenschutzrecht verankerte Grundsatz «Privacy by design» schreibt denn auch vor, diese Ausrichtung bereits beim Design der Systeme und Prozesse zu berücksichtigen. Es wäre für die Akzeptanz von Mobility-Pricing-Systemen fatal, und man würde sich unnötiger Kritik aussetzen, wenn diesen selbstverständlichen Grundsätzen nicht nachgelebt würde.