In der dritten Episode der aktuellen Staffel des Deep Technology Podcasts ist der Programmierer Daniel Gnägi zu Gast. Er ist Administrator von «Eve & Rave», dem Verein und Online-Forum für risikobewussten Umgang mit Drogen. In der Folge spricht er mit Manuel Stagars über den Einfluss von Technologie auf die Qualität, den Transport und den Konsum von Drogen.
Fortschritt ohne Verbote
Daniel Gnägi steht dem technologischen Fortschritt und dem gesellschaftlichen Wandel positiv gegenüber, da sie uns mehr Nutzen als Risiko brächten: «Wir sollten daher die Dinge nicht allzu konservativ sehen». Probleme müssten zwar angesprochen werden, Verbote seien aber selten die Lösung. Ein Staat könne im Alleingang weder internationale Konzerne noch das World Wide Web regulieren. Dasselbe gelte für ein Konsum- und Handelsverbot mit psychoaktiven Substanzen: «Das ist ein Kampf gegen Windmühlen». Daher brauche es konstruktive, neue Ansätze.
Veränderungen im Vertrieb
Die Technologie hat Einfluss auf die Verfügbarkeit. Früher musste man jemanden kennen oder auf der Gasse einkaufen. Dies geht mittlerweile online viel einfacher.
Der Handel im Internet hat aber auch dazu geführt, dass die Drogen potenter und Streckmittel seltener geworden sind. Dies hat zwei Ursachen. Einerseits verfügen die Online-Plattformen im «Darknet» über Bewertungssysteme, wie wir sie beispielsweise auch von Amazon kennen. Schwarze Schafe, die schlechte Qualität verkaufen, fallen so auf und verlieren ihre Kundschaft. Zudem verkürzen sich die Lieferketten: Ein beträchtlicher Teil des Zwischenhandels in der Schweiz fällt weg, da prinzipiell direkt von der Hersteller:in zur Kund:in geliefert werden kann.
Nach Ansicht von Daniel Gnägi hätten die Strafverfolgungsbehörden das Darknet mittlerweile jedoch ziemlich gut unter Kontrolle. Dies führe dazu, dass sich der Handel auf die Social-Media-Plattformen verschiebe, allen voran Telegram und Instagram. Dadurch fallen nun aber auch die positiven Elemente des «Darknets», wie die Bewertungssysteme, weg. Für die Qualität und letztlich die Kund:innen hat dies negative Konsequenzen.
Deep Technology Podcast
Der technologische Fortschritt wirft Fragen auf: Wie steht es um die Zukunft der Arbeit, Datensicherheit oder das Recht auf Privatsphäre? Diktieren Technologien eine neue Realität oder haben wir die Zukunft noch in der Hand? Im Deep Technology Podcast (RSS) diskutieren Menschen in der Schweiz neue Technologien, ihre Hoffnungen, Sorgen und Ängste. Ab dem September 2021 erscheint die zweite Staffel, produziert von Filmregisseur, Autor und Podcaster Manuel Stagars.
Neue Drogen
Nicht nur hat der Online-Handel den Strassenverkauf ergänzt und teils abgelöst, es werden auch ständig neue Drogen entworfen und auf den Markt geworfen. Die neuen Substanzen seien aber nicht zwingend gefährlicher, da es via Internet mehr Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung über sie gebe.
Auch hier sieht Daniel Gnägi den Onlineverkauf klar im Vorteil gegenüber dem althergebrachten Vertriebsmodell, bei dem die Drogen an der dunklen Strassenecke erstanden werden. Das grösste Risiko online sei, sein Geld zu verlieren. Die Strafverfolgung jedoch wird durch die neuen Vertriebswege nochmals schwieriger, nicht zuletzt da gängige Tests auf die neuen Drogen nicht ansprechen.
Technologie und Gesellschaft
Technologie verändert sowohl den Menschen als auch die Gesellschaft, in der er sich bewegt. Grundsätzlich hätten Menschen immer Angst vor Wandel, doch habe sich die Gesellschaft in den letzten hundert Jahren unter dem Strich positiv entwickelt. Wir stünden an einem Punkt, an dem es möglich würde, dank immer weitergehenden Effizienzsteigerungen die Erwerbsarbeit letztlich überflüssig werden zu lassen. Als Gesellschaft gelte es daher, einen vernünftigen Weg zu finden, auf dem alle profitieren können und niemand abgehängt wird. Hier stehe der Staat in der Verantwortung.
Das Hauptproblem unserer Zeit sieht er folglich in der sozialen Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter aufgehe. Arbeit wird immer trivialer, da sie anstatt voll automatisiert, bloss pseudo-automatisiert würde.
Generell sieht er die Politik immer hinterherhinken. Es sei schwierig, künstliche Intelligenz international zu regulieren. Die meisten Parlamentarier:innen könnten dies auch gar nicht, da sie mit dem Thema schlicht überfordert seien. Als zentral erachtet Daniel Gnägi die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Eigenverantwortung
Der Staat diktiere in fast allen Bereichen, was gut und was schlecht sei. Dies biete vielen Orientierung und Sicherheit und ermögliche es, sich wohl zu fühlen – solange man sich den geltenden Regeln unterwerfe. Alle hingegen, die sich darin nicht wohl fühlen, hätten es unnötig schwer. Daher sollten die Regeln eher gelockert werden, um das Leben jener einfacher zu gestalten, die von diesen Normen abweichen.
Könne man in einer Apotheke einfach Heroin kaufen, dann brauche es viel Selbstverantwortung: «Doch wir werden uns wohl dorthin entwickeln». Wichtig sei daher, dass wir korrekt informiert sind, um diese Verantwortung tragen zu können.