Kein Überwachungsstaat ohne Bürokratie

Anordnungsformulare verschaffen Einblick in den Überwachungsstaat

Formular 7.0 Antennensuchlauf

Die Sicherheitsbehörden in der Schweiz verwenden Formulare, um Überwachungs­massnahmen anzuordnen. Die geforderte Einsicht in die – leeren! – Formulare wurde der Digitalen Gesellschaft verweigert. Der zuständige Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) hatte die Empfehlung für Transparenz des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) ignoriert.

In der Folge beschritt die Digitale Gesellschaft den Rechtsweg und erhielt vom Bundesverwaltungsgericht vollumfänglich Recht. Erst nach diesem Gerichtsurteil rückte die Überwachungsbehörde die Formulare heraus.

Die Formulare, wie sie von Geheimdiensten, Polizei und Staatsanwaltschaften verwendet werden, verschaffen einen Einblick in die Überwachungspraxis. So zeigen sie unter anderem die Möglichkeiten zum sogenannten Antennensuchlauf. Diese Form der Rasterfahndung in den Daten zur Mobilfunknutzung wurde in den letzten drei Jahren über 6’000 Mal angeordnet und beispielsweise im Rahmen der Ermittlungen zum Vierfachmord von Rupperswil (erfolglos) eingesetzt. Nach wie vor fehlt für diese schwerwiegende Massnahme eine formelle, gesetzliche Grundlage im Überwachungsgesetz BÜPF.

Ebenfalls ermöglichen die Formulare Auskünfte zur Identifikation der Internet-Nutzer:innen. Die Auskünfte betreffen nicht allein die benutzte öffentliche IP-Adresse, sondern auch die Ziel-IP-Adressen. Diese Auskunft setzt voraus, dass die privaten Fernmeldedienstanbieterinnen diese Angaben in ihren Datenbanken vorhalten. Die Mehrfachbenutzung von IP-Adressen führt zu einer riesigen Datenmenge. Aus diesen Vorratsdaten lässt sich schliessen, welcher Internet-Anschluss, beispielsweise ein Smartphone, welche Angebote im Internet genutzt hat. Die Daten bilden unter anderem das Surfverhalten ab. Diese weitreichende Form der Vorratsdatenspeicherung ist gesetzlich weder vorgesehen noch würde sie mit einer gesetzlichen Grundlage zu einer grund- und menschenrechtskonformen Massnahme. Es handelt sich um eine weitere Form der Massenüberwachung aller Menschen ohne Anlass und Verdacht.

Allzu überraschend sind die Formulare allerdings nicht. Vielmehr widerspiegeln sie den gut ausgebauten und geölten Überwachungsstaat. Bereits 2020 wurden die Formulare zudem nur noch von drei Kantonen verwendet. Aktuell kommt ein Online-System zum Einsatz. Bereits die nun vorliegenden Formulare wurden digital als PDF-Dateien ausgefüllt. Sie beinhalten Auswahlfelder, die bei den ausgedruckten Formularen, welche der Digitalen Gesellschaft zugestellt wurden, fehlen.

Der Dienst ÜPF hatte argumentiert, die Veröffentlichung der Formulare könne zu Missbrauch führen. Die vorliegenden Formulare zeigen, dass der Dienst ÜPF schlicht keine Lust auf Transparenz hatte und deshalb auf Zeit spielte.

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