Update September 2022

Newsletter zu Gesichtserkennung, Tracking & Profiling, Nachrichtendienstgesetz, Prüm II, Justitia.Swiss, Netzpodcast, Veranstaltungen, Vorratsdatenspeicherung

Das «Update» ist der monatliche Newsletter der Digitalen Gesellschaft.

Die Themen der Septemberausgabe sind:

  • Gesichtserkennungs-Verbot des St. Galler Stadtparlaments
  • Dossier Tracking & Profiling
  • Revision des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst
  • Neue EU-Verordnung verschärft Risiken staatlicher Übergriffe und Massenüberwachung
  • Detailspezifikationen zur Ausschreibung von «Justitia.Swiss»
  • Netzpodcast
  • Netzpolitischer Abend zum Thema Plattformregulierung
  • Netzpolitik-Zmittag neu auch in Biel
  • Netzpolitik-Treff
  • Vorratsdatenspeicherung ist rechtswidrig in Deutschland

Gesichtserkennungs-Verbot des St. Galler Stadtparlaments

Der Kampf gegen die automatisierte Gesichtserkennung nimmt weiter Fahrt auf: Während der Kanton St. Gallen sich diese Form biometrischer Massenüberwachung im Rahmen einer Gesetzesrevision (noch) offenhalten möchte, handelt das Parlament der Kantonshauptstadt vorausblickend und hat sich für ein Verbot der automatischen biometrischen Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen. Das Thema gelangte in die Abendnachrichten von SRF. In dieser Woche wurde ebenfalls eine Motion im Kantonsrat von Zürich eingereicht.

Der eigentliche Showdown um ein wirksames Verbot wird aber letztlich auf der nationalen Ebene stattfinden, da die entscheidende Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. Im Frühling haben wir zusammen mit Amnesty International und AlgorithmWatch Schweiz ein fundiertes Positionspapier veröffentlicht und eine Petition lanciert, die von über 10’000 Menschen unterschrieben wurde. Sukzessive müssen wir die Aufmerksamkeit auf höhere politische Stufen tragen, kommunale Verbote geben uns dabei Rückenwind. Wir bleiben dran!

Dossier Tracking & Profiling

Wer denkt, dass nur autoritäre Staaten umfassend bespitzeln, kennt die Funktionsweise des modernen «Überwachungskapitalismus» nicht. Eine neue Artikelserie führt ein in die Welt der Datenbroker, in der, dank Verknüpfung und Zusammenführung der Daten, Gesamtbilder all unserer digitalen Spuren entstehen, die einen immer wieder erschaudern lassen. Andreas Geppert fasst das Thema eingängig zusammen und liefert Einblicke in bereits reale Dystopien jenseits des Atlantiks.

Erfahrungsgemäss hinkt in derlei Bereichen die Entwicklung auf dem alten Kontinent jener der USA einfach einige Jahre hinterher – was uns aber wertvolle Zeit verschafft, das öffentliche Bewusstsein zu stärken und regulatorische Schranken zu setzen, um nicht in dieselben Fallen zu tappen.

Revision des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst

Die geplante Gesetzesrevision ritzt die Grundrechte aller Einwohner:innen in bedenklichem Masse und weitet die Kompetenzen des Geheimdienstes weiter aus. Insbesondere der Abschreckung vor der Ausübung politischer Grundrechte wie der Meinungs-, der Versammlungs- und der Vereinigungsfreiheit wird weiter Vorschub geleistet (sog. «chilling effects»). Weitere Kritikpunkte umfassen die Aufweichung des Verbotes, politische Tätigkeiten aufzuzeichnen (Datenbearbeitungsschranke), das mangelnde Auskunftsrecht, den Ausbau genehmigungspflichtiger Beschaffungsmassnahmen, die Einführung von strafrechtlichen Bestimmungen sowie die Ausweitung des Ausreiseverbots.

Alle Details finden sich in unserer ausführlichen Stellungnahme.

Neue EU-Verordnung verschärft Risiken staatlicher Übergriffe und Massenüberwachung

Die sogenannten «Prüm»-Beschlüsse erlauben es den verschiedenen Polizeibehörden der EU-Mitgliedstaaten, untereinander auf Fingerabdrücke, DNA-Daten sowie Fahrzeugdaten der jeweiligen Polizeidatenbanken zuzugreifen, was zu einer europaweiten Vernetzung dieser Informationen führt. Mit «Prüm II» steht nun eine Weiterentwicklung dieser Regelungen an, die 2024 in Betrieb gehen soll. Unter anderem ist eine Ausweitung des Datenaustausches auf Gesichtsbilder vorgesehen, wobei die Abfrage neu über einen zentralen «Daten-Router» in Estland erfolgen soll, über den wohl auch Europol Zugriff erhalten wird. Die Schweiz möchte dem Prümer-Abkommen ebenfalls beitreten.

Schutzmechanismen, die vor staatlichen Übergriffen und autoritären Massenüberwachungspraktiken schützen würden, fehlen hingegen weitestgehend. Beispielsweise wird die ungarische oder polnische Polizei bei der Ermittlung von Delikten, welche in anderen EU-Ländern gar nicht unter Strafe stehen, auf deren Fotodatenbanken zugreifen können.

Das EDRi-Netzwerk hat deshalb ein kritisches Positionspapier zu «Prüm II» veröffentlicht, das zehn Änderungsvorschläge beinhaltet, welche die Reform in menschenrechtskonforme Bahnen lenken soll. Die Digitale Gesellschaft hat daran mitgearbeitet.

Detailspezifikationen zur Ausschreibung von «Justitia.Swiss»

Neu möchte der Bundesrat interessierten Kantonen erlauben, eigene kantonale Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz aufzubauen und zu betreiben. Das stellt eine gewisse Abkehr von der bislang angedachten Zentralisierung dar. Trotzdem dürfte mit dem jüngst erfolgten Zuschlag an die beiden Firmen Zühlke und ELCA für die Entwicklung und den technischen Betrieb der Referenzimplementierung von «Justitia.Swiss» das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Denn einen Entwurf für die notwendige gesetzliche Grundlage, inkl. technischer Minimalstandards für die Interoperabilität zwischen Referenzimplementierung und allfälligen kantonalen Eigenentwicklungen, wird das zuständige Departement erst Ende Jahr vorlegen. Bis das Gesetz danach beraten und verabschiedet ist, wird die Referenzimplementierung aller Voraussicht nach bereits in Betrieb sein.

Die Digitale Gesellschaft hat alle Detailspezifikationen aus den Ausschreibungsunterlagen zur zweiten Ausschreibungsrunde veröffentlicht.

Netzpodcast

Im Netzpodcast sprechen wir über Aktuelles aus der Netzpolitik mit Bezug zur Schweiz. In der 14. Folge sind dies die Themen Gesichtserkennung, Prüm II und die Revision des Nachrichtendienstgesetzes. Die Episode eignet sich also bestens, mehr zu den Hintergründen zu den Themen dieses Newsletter zu erfahren. An den Mikrofonen sind in dieser Folge Rahel, Jörg und Kire.

Der Podcast ist auf allen üblichen Plattformen und auf netzpodcast.ch erhältlich.

Netzpolitischer Abend zum Thema Plattformregulierung

Wieder ist es soweit: Die Digitale Gesellschaft lädt ein zum Netzpolitischen Abend vom Dienstag, 27. September, diesmal zum Thema Plattformregulierung.

Können kluge Regeln die Hauptgeschäftsfelder von Big Tech derart zähmen, dass unsere Grundrechte nicht weiter erodieren und sie wirksam vor Hassrede, Diskriminierung und Desinformation schützen?

Wie immer findet der Anlass im Zentrum Karl der Grosse in Zürich statt. Der Eintritt ist frei, die Bar öffnet um 19:00 Uhr, das Programm startet um 19:30 Uhr. Für alle, die nicht kommen können oder mögen, wird die Diskussion auch live im Netz übertragen.

Netzpolitik-Zmittag neu auch in Biel

Nach Basel, Bern, Luzern und Zürich expandiert der «Netzpolitik-Zmittag» in die grösste zweisprachige Stadt der Schweiz: Biel

Damit erhöhen wir unsere Präsenz in der Westschweiz und bieten eine weitere Gelegenheit zum ungezwungen Austausch über aktuelle netzpolitische Themen. Am Mittwoch, 5. Oktober treffen sich Mitglieder und Interessierte zum ersten Mal. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, auch Nicht-Mitglieder sind ausdrücklich willkommen.

Der «Netzpolitik-Zmittag» findet ab 12.00 Uhr im Restaurant St. Gervais (Rue Basse 21, Biel) statt. Komm vorbei, wenn du mit Gleichgesinnten plaudern oder mehr über unsere Aktivitäten in der Westschweiz erfahren möchtest!

Wir freuen uns somit auf die nächsten gemeinsamen Mittagessen:

Netzpolitik-Treff

Jeden Donnerstagabend laden wir ein zum «Netzpolitik-Treff», ab 18.00 Uhr in unseren Hackerspace in Zürich, der Bitwäscherei. Dies soll die Zusammenarbeit in den Fachgruppen erleichtern, Anlass zu interessanten Gesprächen geben und/oder einfach nur Gelegenheit bieten, für ein kühles Getränk in gemütlicher Runde.

Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig in Deutschland

Einen Grund zum Jubeln für unsere nördlichen Nachbarn lieferte der Europäische Gerichtshof diese Woche: Erneut hat er die anlasslose Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt – und diese in Deutschland damit vorerst begraben. Ein klarer Sieg für die Grundrechte. Und Anlass, auch andernorts das milliardenfache Horten von Daten zu hinterfragen, wie Constanze Kurz auf «Netzpolitik» schreibt.

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(Bild: «Newsletter» – CC0 1.0)