Im Kanton Zürich wird das Gesetz über die Information und den Datenschutz (IDG) überarbeitet. Noch bis zum Freitag können Stellungnahmen zum Vorentwurf eingereicht werden. Die Digitale Gesellschaft ist mit der Totalrevision zum IDG grundsätzlich einverstanden. Auf einige Punkte sind wir jedoch in unserer Stellungnahme (PDF) genauer eingegangen.
Grundsätzliches
Der Zweck des Gesetzes gemäss § 1 Abs. 2 VE-IDG, das Handeln der öffentlichen Organe transparent zu gestalten und damit die freie Meinungsbildung und die Wahrnehmung der demokratischen Rechte zu fördern sowie die Kontrolle des staatlichen Handelns zu erleichtern (lit. a), den Zugang zu offenen Behördendaten zu fördern (lit. b) und die Grundrechte von Personen zu schützen, deren Daten die öffentlichen Organe bearbeiten (lit. c) ist begrüssenswert.
§ 13 VE-IDG – Öffentliche Behördendaten
Gemäss § 13 VE-IDG fördert der Regierungsrat die Veröffentlichung von offenen Behördendaten. Damit sollen laut dem erläuternden Bericht staatliche Daten der Forschung, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zum Schaffen von Mehrwert zugänglich gemacht werden und somit als Ressourcen dienen. Die Informationen müssen kostenfrei zugänglich sein und in maschinenlesbarer Form publiziert werden. Eine Zurverfügungstellung von offenen Behördendaten liegt im Interesse von Transparenz und Effizienz, Demokratie und Partizipation und hat zudem wirtschaftlichen Nutzen für die Öffentlichkeit. Der Ausbau von offenen Behördendaten fördert darüber hinaus, datengetriebene Prozesse innerhalb der Verwaltung zu etablieren und zu optimieren (vgl. erläuternder Bericht).
§ 4 Abs. 5 VE-IDG regelt den Begriff der offenen Behördendaten. Dabei sind offene Behördendaten von einem öffentlichen Organ in maschinenlesbarer Form frei zugänglich gemachte Informationen, die elektronisch gespeichert sind und in Sammlungen strukturiert vorliegen (lit. a), die das öffentliche Organ frei verwenden und weitergeben darf (lit. b).
Wir begrüssen das Vorhaben zu den öffentlichen Behördendaten ausdrücklich. Allerdings fordern wir eine weitergehende Veröffentlichung der Behördendaten. Grundsätzlich sollen nicht nur die bereits strukturiert vorliegenden Daten, sondern alle Daten, ausser Personendaten, proaktiv und in einem weiterverwendbaren Format veröffentlicht werden. Ausnahmen müssen begründet sein.
§ 15 Abs. 2 VE-IDG – Nachweis eines schutzwürdigen Interesses
Gemäss § 15 Abs. 2 VE-IDG kann das öffentliche Organ den Zugang zur Information vom Nachweis eines schutzwürdigen Interesses abhängig machen, wenn die Bearbeitung des Gesuchs einen unverhältnismässigen Aufwand verursacht.
Das Erfordernis des schutzwürdigen Interesses wirft die Frage auf, was geschieht, wenn der Nachweis des schutzwürdigen Interesses nicht gelingt. Es ist unklar, ob die Behörde in diesem Fall den Zugang zur Information verweigern oder stattdessen Gebühren auferlegen kann. Die Auferlegung von Gebühren würde § 20 Abs. 2 VE-IDG widersprechen, wonach das zuständige Organ für Gesuche um Informationszugang die Kosten für seinen Aufwand in Rechnung stellen kann, wenn die Bearbeitung des Gesucht mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Damit werden die Kosten an den Aufwand gebunden und nicht an das schutzwürdige Interesse. Die Verweigerung hingegen widerspricht dem Grundsatz der Öffentlichkeit. Daher lehnen wir das Erfordernis des Nachweises eines schutzwürdigen Interesses ab. Wir fordern einen voraussetzungslosen Informationszugang unabhängig von einem schutzwürdigen Interesse, analog zum Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) auf Bundesebene, wo kein besonderes Interesse für den Zugang nachgewiesen werden muss und die Behörde nicht verlangen kann, dass die Gründe für das Gesuch um Zugang dargelegt werden (vgl. Botschaft zum BGÖ, BBI 2003 1963, Ziff. 2.2.1.1). § 15 Abs. 2 VE-IDG ist somit zu streichen.
§ 16 lit. b VE-IDG – Nicht fertig gestellte Aufzeichnungen
Gemäss § 16 lit. b VE-IDG (bisher § 3 Abs. 2 IDG) sind Aufzeichnungen, die nicht fertig gestellt sind, vom Informationszugang ausgenommen.
Das wirft die Fragen auf, ob die Informationen, sobald die Aufzeichnungen fertiggestellt sind, ohne weiteres Auskunftsgesuch herausgegeben werden müssen und ob eine Pflicht zur Fertigstellung besteht. Wenn dies nicht der Fall ist, kann das von Behörden als Lücke genutzt werden, Informationen als Notizen nie fertigzustellen und somit den Informationszugang zu umgehen. Dies ist unbedingt zu verhindern. Deshalb fordern wir, dass ausdrücklich geregelt wird, dass nur Aufzeichnungen, die noch nicht fertig gestellt sind, nicht veröffentlicht werden müssen. Die Fertigstellung ist aber zuzusichern und der Zugang muss ab Fertigstellung gewährt sein.
§ 22 Abs. 2 lit. b VE-IDG – Bearbeitung besonderer Personendaten
Bisher verlangte das Gesetz für die Bearbeitung besonderer Personendaten eine hinreichend bestimmte Regelung in einem formellen Gesetz (vgl. § 8 Abs. 2 IDG). Neben dieser Regelung (neu in § 22 Abs. 2 lit. a VE-IDG geregelt) kommt nun eine weitere hinzu: Gemäss § 22 Abs. 2 lit. b VE-IDG darf das öffentliche Organ besondere Personendaten bearbeiten, wenn dies zur Erfüllung einer in einem Gesetz hinreichend bestimmten Aufgabe notwendig und die Datenbearbeitung in einer Verordnung geregelt ist. Damit muss die Datenbearbeitung nur noch in einer Verordnung und nicht mehr wie bisher in einem formellen Gesetz vorgesehen sein. Dies lehnen wir aus folgenden Gründen ab:
Gemäss dem erläuternden Bericht ist die Bearbeitung von besonderen Personendaten auf Grundlage einer gesetzlich umschriebenen Aufgabe nur zulässig, wenn die betroffenen Personen für die Erfüllung der gesetzlich umschriebenen Aufgaben mit der entsprechenden Bearbeitung der besonderen Personendaten rechnen müssen. Wollen die öffentlichen Organe besondere Personendaten bearbeiten, mit deren Bearbeitung die Rechtsunterworfenen gestützt auf die zu erfüllende Aufgabe nicht rechnen müssen, ist dazu eine Grundlage im Gesetz zu schaffen. Die Rechtsunterworfenen können jedoch nicht aufgrund der im Gesetz beschriebenen Aufgaben Gewissheit darüber haben, ob mit einer Bearbeitung von besonderen Personendaten «gerechnet werden muss» oder nicht. Die Bearbeitung von besonderen Personendaten erfordert eine hinreichend bestimmte Regelung in einem Gesetz. Damit lehnen wir § 22 Abs. 2 lit. b VE-IDG ausdrücklich ab und fordern dessen Streichung.
§ 31 Abs. 2 VE-IDG – Amtshilfe
Gemäss § 16 Abs. 2 IDG kann das öffentliche Organ einem anderen öffentlichen Organ sowie den Organen anderer Kantone oder des Bundes Personendaten im Einzelfall bekannt geben, wenn das Organ, das Personendaten verlangt, diese zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. Neu wird dies in § 31 Abs. 2 VE-IDG geregelt, wobei die Amtshilfe künftig anders als im geltenden Recht nicht mehr nur im Einzelfall zulässig sein soll (vgl. erläuternder Bericht). Mit der Streichung des Einzelfalls widerspricht die neue Bestimmung dem Sinn und Zweck des Amtsgeheimnisses, da dieses auch zwischen den einzelnen Einheiten einer Verwaltung gilt und setzt die informationelle Trennung der Verwaltung ausser Kraft. Ausserdem stellt die Amtshilfe einen Auffangtatbestand für Fälle dar, bei denen keine gesetzliche Grundlage für eine Datenbekanntgabe vorliegt, im Einzelfall aber ein überwiegendes Interesse für eine Bekanntgabe besteht. Dies ist dann der Fall, wenn diese Personendaten für das empfangende Organ für dessen Aufgabenerfüllung unabdingbar sind. Entsprechend bedarf Amtshilfe ohne Einzelfallbezug, also regelmässig und dauernd erfolgend, einer spezialgesetzlichen Regelung (CLAUDIA MUND, § 19, in: Bruno Baeriswyl/Kurt Pärli (Hrsg.), Datenschutzgesetz (DSG), Stämpflis Handkommentar, Bern 2015, Rz. 12). Dies gilt sowohl für Personendaten als auch für besondere Personendaten. Damit widerspricht der Wegfall des Einzelfalls dem Auffangtatbestand. Wir lehnen daher die Streichung des Einzelfalls in § 31 Abs. 2 VE-IDG ausdrücklich ab und fordern dass die bisherige Fassung beibehalten wird.
§ 45 VE-IDG – Fehlendes Schlichtungsverfahren
§ 45 VE-IDG regelt die Aufgaben des/der Beauftragten für das Öffentlichkeitsprinzip und den Datenschutz im Bereich des Öffentlichkeitsprinzips. Dabei wird mit der Totalrevision des IDG auf die Einführung eines formellen Schlichtungsverfahren durch den/die Beauftragte:n verzichtet. Stattdessen kann die Verweigerung eines Informationszugangs mittels Verfügung nur direkt am Verwaltungsgericht angefochten werden (vgl. § 21 VE-IDG). Zwar wurde ein förmliches Schlichtungsverfahren im Rahmen der Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage geprüft, die Einführung eines solchen wurde dann aber verworfen, da laut dem erläuternden Bericht eine formelle Regelung des Verfahrens nicht als notwendig erscheine, mit der Begründung, dass der Anspruch auf Informationszugang auf dem Rechtsmittelweg durchgesetzt werden kann.
Mit einem formellen Schlichtungsverfahren können aber Gerichtsverfahren reduziert und das Verwaltungsgericht entlastet werden. So sieht das BGÖ auf Bundesebene ein Schlichtungsverfahren vor (vgl. § 13 f. BGÖ). Dabei kann eine Person, deren Zugang zu amtlichen Dokumenten u.a. eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert wird, dem/der Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) einen Schlichtungsantrag stellen. Kommt eine Schlichtung zustande, so ist damit das Verfahren erledigt (§ 13 Abs. 3 BGÖ). Wenn keine Schlichtung zustande kommt, gibt der/die EDÖB eine schriftliche Empfehlung ab (§ 14 BGÖ). Weicht die Behörde von der Empfehlung ab, so hat sie eine Verfügung zu erlassen (§ 15 Abs. 2 BGÖ). Dieses Schlichtungsverfahren auf Bundesebene hat sich bewährt und soll auch auf kantonaler Ebene eingeführt werden.
Ausserdem kann gemäss § 45 lit. d VE-IDG ein informelles Vermittlungsverfahren durchgeführt werden. So wird im erläuternden Bericht darauf verwiesen, dass der/die Beauftragte auf informelle Weise zwischen den Parteien bei einem streitigen Informationszugangsgesuch vermitteln kann und soll. Weshalb statt des Vermittlungsverfahrens nicht gleich ein formelles Schlichtungsverfahren eingeführt wird, wenn das informelle Vermittlungsverfahren sogar gefordert wird, ist dabei nicht verständlich.
Somit fordern wir die Einführung eines formellen Schlichtungsverfahrens vor dem/der Beauftragten. Erst nach diesem soll das Gerichtsverfahren zum Zug kommen.
Verbot der biometrischen Überwachung (Gesichtserkennung)
Die Verwendung von biometrischen Erkennungssystemen, besonders in Form von Gesichtserkennung, aber auch zur Identifizierung von Personen anhand ihres Ganges, ihrer Augen, ihrer Stimme oder anderer biometrischer Daten, wird immer häufiger. Dabei besteht nur wenig Transparenz darüber, wo und von wem biometrische Erkennungssysteme eingesetzt werden. Biometrische Daten gelten im revidierten schweizerischen Datenschutzgesetz (nDSG), das 2023 in Kraft tritt, als besonders schützenswert, wenn sie eine natürliche Person eindeutig identifizieren. Es existiert weder eine umfassende Erlaubnis, noch ein explizites Verbot für deren Bearbeitung. Für ihre Verwendung ist aber eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Das nDSG gilt nur für Bundesbehörden und private Akteure, jedoch nicht für Kantone. Eine gesetzliche Grundlage ist aber auch für den Einsatz von biometrischen Erkennungssystemen durch kantonale Behörden notwendig. Biometrische Daten fallen gemäss § 4 Abs. 4 lit. c VE-IDG unter die besonderen Personendaten. Ansonsten enthält das IDG aber keine Bestimmungen zum Umgang mit biometrischen Daten und damit auch nicht zur biometrischen Überwachung. Dies bedauern wir ausdrücklich. Mit der Totalrevision bietet sich die Gelegenheit, die biometrische Überwachung (konkret Gesichtserkennung) zu regulieren. Die Bearbeitung von Daten durch biometrische Erkennungssysteme stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV) dar. Der unterschiedslose Einsatz solcher Systeme im öffentlich zugänglichen Raum ermöglicht eine biometrische Massenüberwachung. Deshalb fordern wir ein Verbot von biometrischer Überwachung in der Totalrevision des IDG.