Der junge Jurist Luka Nenadic ist unser 1000. Mitglied und engagiert sich in der Fachgruppe Automated Decision Making Systems (AMDS; Künstliche Intelligenz). Wir trafen ihn am 24. Juli in der Bitwäscherei Zürich.
Lieber Luka, vielen Dank, dass du dir bei diesem schönen Wetter Zeit für uns nimmst. Kannst du uns etwas zu deiner Person erzählen?
Ja, gerne. Ich bin in Serbien geboren und lebe seit zwanzig Jahren in der Schweiz, zuerst in Lausanne, dann in Zürich. Ich habe den Bachelor in Rechtswissenschaft in Zürich und den Master in Zürich und Lausanne gemacht. Seit Anfang Juli absolviere ich ein Praktikum im Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung in Bern. Nächstes Jahr möchte ich ein Doktorat zu einem der Themenbereiche Datenschutz-, Wettbewerbs- oder Immaterialgüterrecht an der ETH beginnen. Was mich darüber hinaus interessiert, ist die Regulierung von Plattformen, wozu ich meine Masterarbeit geschrieben habe.
Sind wir ja schon beim Thema: Ich nehme an, dabei hast du auch die Digitale Gesellschaft kennengelernt…
Das ist über den menschlichen Aspekt geschehen: Ein Jus-Student, mit dem ich befreundet bin, ist seit etwas mehr als einem Jahr bei der Digitalen Gesellschaft aktiv und hat immer davon geschwärmt. Er meinte, ich soll doch einfach mal vorbeischauen, das habe ich dann gemacht. Auf der Webseite fand ich vieles, was mich interessiert, also nahm ich am diesjährigen Frühlingstreffen teil. Dort habe ich verschiedene Aktive kennengelernt, unter anderem den Koordinator der Fachgruppe ADMS, der mich umgehend eingeladen hat, der Gruppe beizutreten.
«Bei der Digitalen Gesellschaft kann man viel praktische Dinge angehen, die durchaus Relevanz haben»
Es ist das erste Mal, dass ich in einem Verein mitmache, bei dem es nicht um Sport geht. Im Nachhinein denke ich, ich ging fälschlicherweise davon aus, dass zivilgesellschaftliche Vereine eher Debattierclubs ähneln, dass es ihnen an der Umsetzungskraft fehle. Man bespreche Themen, habe aber nicht wirklich die Möglichkeit, Lösungen umzusetzen oder auf die politische Bühne zu bringen. Das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht, das erfolgreiche E-ID-Referendum, aber auch das Crowdfunding für unsere Tor-Server und viele andere Engagements haben mir gezeigt, dass man bei der Digitalen Gesellschaft viel praktische Dinge angehen kann, die durchaus Relevanz haben. So auch in Sachen ADMS, wo die Digitale Gesellschaft gar Beobachterstatus beim Europarat erhalten hat und die Interessen der Menschen vertreten kann. Das ist natürlich grossartig!
Wie ging es nach dem Frühlingstreffen weiter?
Der Koordinator der Fachgruppe ADMS und ich haben am Frühlingstreffen gleich unsere Telefonnummern ausgetauscht, und so bin ich schnell in die Fachgruppe aufgenommen worden. Das ging äusserst unkompliziert vor sich, das fand ich sehr angenehm. Beim ersten kleinen Auftrag ging es gleich um die Papiere des Europarats zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz: Eine Kommission erarbeitet gerade ein Regulierungswerk und bittet ausgewählte Organisationen aus der Zivilgesellschaft vor ihrer Sitzung um ihre Meinung zu einzelnen Angelegenheiten, darunter die Digitale Gesellschaft.
Das muss meistens schnell geschehen…
Genau! Ich war gerade auf einer Wanderung zwischen der deutschen und österreichischen Grenze, als ich eine Mitteilung vom Koordinator der Fachgruppe ADMS erhielt, dass wir etwas zu besprechen hätten, die Deadline sei in ein paar Tagen. So sass ich während meiner Ferien vor wunderschöner Kulisse und arbeitete an den Regulierungsvorschlägen des Europarats – eine Szene, die ich nicht so schnell vergessen werde. Wir hatten daraufhin ein sehr gutes Gespräch, der Koordinator als technischer Experte und ich mit meinem juristischen Hintergrund – auch dies eine, ja gar die grösste Stärke der Digitalen Gesellschaft: Dass wir so breit aufgestellt sind und interdisziplinär arbeiten können.
Das tönt nach ganz schön viel Arbeit. Wieviel Aufwand hast du mit deinem Engagement bei der Digitalen Gesellschaft?
In meinem Kalender unterscheide ich farblich zwischen Hobby- und Geschäftsterminen, erste sind grün, zweite rot untermalt. Für die Digitale Gesellschaft müsste ich irgendeine Farbe dazwischen haben, denn ich empfinde mein Engagement als Hobby und mache es gern. Nach einer Fachgruppensitzung bin ich aber schon ziemlich müde, und die muss ja auch vor- und nachbereitet werden. Grundsätzlich erlebe ich es jedenfalls projektbezogen: Als wir den Entwurf der Kommission des Europarats überarbeiteten, habe ich zweimal zwei Stunden innerhalb zweier Wochen gearbeitet, die nächsten zwei Monate hatten wir dafür nur ein kürzeres Online-Treffen von anderthalb/zwei Stunden. Zur internen Kommunikation benützen wir dazwischen den Matrix-Chat und arbeiten gemeinsam im Wiki der Digitalen Gesellschaft.
Wofür steht deiner Meinung nach die Digitale Gesellschaft?
In erster Linie für die Wahrung der Menschenrechte im digitalen Raum. Alles, was konkret in unsere Projekte und Themenfelder einfliesst, leitet sich in meiner Wahrnehmung daraus ab. Wie wir dies gewährleisten wollen – das finde ich sehr schön -, zielt nicht auf Partikularinteressen ab, sondern fusst immer auf einen möglichst breiten gesellschaftlichen Diskurs. Das schaffen wir nicht nur dadurch, dass wir selbst breit aufgestellt sind, sondern dass wir den Austausch auch aktiv suchen.
Die Fachgruppe ADMS ist ein gutes Beispiel dafür. Ende Juni organisierten wir einen runden Tisch mit anderen Organisationen, die sich auch im breitesten Sinne mit der Regulierung Künstlicher Intelligenz befassen, darunter auch zwei Hochschul-Professor:innen. Ich war leider verhindert, aber was ich grossartig daran finde, ist, dass wir uns nicht einfach in unserem Räumchen verkriechen, unsere Ansichten publizieren und stur durchsetzen. Ganz im Gegenteil sind wir offen für Diskussionen, um die bestmögliche Lösung zu suchen, wie die Menschenrechte vor den besonderen Herausforderungen der digitalen Welt zu wahren sind.
À propos: Welche Herausforderungen siehst du für die Digitale Gesellschaft?
Nach einem halben Jahr habe ich zwar schon einiges mitbekommen, aber bei so vielen Fachgruppen und Veranstaltungen brauche ich noch ein bisschen Zeit, um eine qualifizierte Meinung dazu zu haben. Es wird wichtig sein, junge Generationen einbeziehen zu können, die mit dem digitalen Raum aufgewachsen sind. Längerfristig werden unsere Fachgruppen zudem kaum aufgelöst, im Gegenteil, die Themen werden sich weiter entwickeln, neue dazu kommen. Da ist es wichtig, dass wir wachsen, mehr Mitglieder gewinnen können.
«Es ist wichtig, dass wir wachsen,
mehr Mitglieder gewinnen können»
Was ich auch beobachte, ist, dass es viele neue Vereine gibt, die sich mit einzelnen digitalen Themen auseinandersetzen. Gerade beim runden Tisch zur ADMS-Regulierung hat sich mir gut gezeigt: Wenn wir sie nicht als Konkurrenz, sondern als Partner:innen sehen, ist dies nicht eine Gefahr, sondern eine positive Perspektive für uns.
Welche Unterstützung würdest du dir als Aktiver wünschen?
Eine grosse Herausforderung für uns alle ist, dass wir uns freiwillig engagieren. Nach einem anstrengenden Arbeitstag debattiert man zwar gern drei Stunden über Regulierung. Andererseits läuft man auch Gefahr auszubrennen. Ein offenes Ohr seitens der Geschäftsstelle und die richtigen Werkzeuge können uns dabei schon unterstützen, und da sind wir gut unterwegs: Der Kontakt zur Fachgruppenleitung und Geschäftsstelle verläuft sehr niederschwellig.
Gibt es noch etwas, was du hier sagen möchtest?
Herzlichen Dank für die Ehre und die gelaserte Holztafel, sieht wirklich sehr schön aus mit dem Logo!