Gestern hat die SP Schweiz ein Diskussionspapier zur Medienpolitik vorgestellt. Sie fordert darin eine Stärkung des unabhängigen Journalismus durch einen Systemwechsel von der indirekten Presse- zur direkten Medien- und Journalismusförderung (mit Leistungsauftrag), eine Verbesserung der journalistischen Ausbildung und der Medienkompetenz. Das tönt doch gut.
Bissig springt die Partei jedoch bereits im Analyseteil mit (vermeintlichen) GegnerInnen um:
Es gibt allerdings auch Akteure, die erst gar nichts von einer Medien- und Journalismuskrise wissen wollen. Hervorzuheben sind einige Verleger und Manager (es sind fast ausschliesslich Männer) der verbliebenen Medienkonzerne. Sie stellen Qualitäts- und Vielfaltsprobleme des Journalismus aufgrund ihrer eigenen finanziellen Interessen in Abrede. Es ist ihnen gleichzeitig auch nicht gelungen, die unternehmerischen Herausforderungen der Digitalisierung rechtzeitig zu erkennen und sich mit neuen Geschäftsmodellen darauf auszurichten.
Und gleich weiter:
Daneben sind es aber auch Teile des – ehemaligen – „Publikums“, die den Klagen über das Ende der klassischen Medien und des Journalismus nicht viel abgewinnen können. Gerade auch Junge, oftmals so genannte Digital Natives, denken an das riesige Datenmeer, an die unzähligen Informationswebsites aus aller Welt und an die Möglichkeiten der „Social Media“, die sie tagtäglich stundenlang als ProduzentInnen wie auch als KonsumentInnen nutzen. Sie sehen die neue digitale Welt als Informationsschlaraffenland und die Rede von der Medien- und Journalismuskrise bestenfalls als nostalgisch und kulturpessimistisch angehauchtes Gejammer.
Dass sich die Medienbranche im Umbruch befindet, eine Konzentration auf wenige grosse Verlage stattfindet, viele Stellen gestrichen, Gesamtarbeitsverträge gekündigt, unabhängige JournalistInnen miserabel bezahlt und den LeserInnen vermehrt anstatt Hintergrund nur noch News-Häppchen hingeworfen werden, ist wohl unbestritten.
Was schwebt der SP vor?
Um Wirkung zu erzielen und ein demokratiegerechtes Mediensystem zu realisieren, braucht es jährliche Fördergelder in der Höhe von 100 bis 200 Millionen Franken. Die SP Schweiz schlägt zusätzlich zu den aus der indirekten Presseförderung vorhandenen Mittel drei Finanzierungsinstrumente vor, die zur Äufnung eines gattungsübergreifenden Medien- und Journalismusfonds eingesetzt werden sollen: Eine Werbeabgabe, eine Datenverkehrsabgabe für Webdienste, die journalistische Leistungen Dritter kommerziell verwerten (z.B. Suchmaschinen oder Social Media-Plattformen) sowie längerfristig die Gelder aus dem Gebührensplitting, die neu verwendet werden.
Erstens soll also ein neue Gebühr (und deren Splitting) für Print und Online eingeführt werden. Als Vorbild dient dabei die Radio- und Fernsehempfangsgebühren (und die Billag). Zweitens soll auf jeden von Medienunternehmen eingenommenen Werbefranken eine Abgabe erhoben werden. Und schliesslich drittens, solle eine Datenverkehrsabgabe eingeführt werden:
Firmen wie Google, Facebook, Microsoft oder Yahoo profitieren heute als Trittbrettfahrer von der journalistischen Leistung anderer. Mit einer Datenverkehrsabgabe würden nicht die NutzerInnen (es geht nicht um eine Paywall) und kleine Internet-Unternehmen, sondern milliardenschwere Grosskonzerne belastet. Die Inhalte würden von einer solchen Abgabe nicht berührt. Die Netzneutralität würde damit nicht in Frage gestellt.
Die angesprochenen Internet-Konzerne bieten mit ihren Suchmaschinen und Plattformen eine im digitalen Zeitalter wichtige Dienstleistung an. Gleichzeitig kommodifizieren sie aber die Wissensarbeit anderer (von Privatpersonen ebenso wie von professionellen JournalistInnen), ohne einen eigenen Beitrag zur Meinungsvielfalt zu leisten. Ihr Geschäftsmodell basiert beispielsweise darauf, dank eines geheimen Logarithmus von anderen hergestellte Inhalte im Internet zu hierarchisieren und letztlich diese Suchergebnisse an die Werbewirtschaft zu verkaufen. Es scheint legitim, dass Unternehmen, die mit der Wissensarbeit anderer Geld verdienen, einen bescheidenen Beitrag an die für eine Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt leisten – und damit ja letztlich auch wieder die Grundlage ihres Geschäftsmodells stärken.
Die Abgabe für das demokratiegerechte Mediensystem würde progressiv ab einem zu bestimmenden Grenzwert, der sich aus generiertem Datenverkehr und Finanzkraft (Unternehmensgewinn in der Schweiz) errechnet, erhoben werden. Die technische Machbarkeit einer solchen Abgabe auf dem generierten – und infrastrukturbelastenden – Datenverkehr wurde mit ExpertInnen abgeklärt. Im Unterschied zum von Verlegerseite geforderten Leistungsschutzrecht, sollen die damit eingenommenen Mittel nicht zur Strukturerhaltung resp. zur Unterstützung monopolistischer Medienkonzerne eingesetzt werden, sondern zur Schaffung einer neuen journalistischen Vielfalt (auch Anbietervielfalt!) gerade im Internet.
Wieso sich eine solche Abgabe auch auf den Datenverkehr stützen muss, bleibt mir ein Rätsel. Oder müssten dann nicht auch die Werbebeilagen, die mir den Briefkasten verstopfen, gewogen werden? Wenn Betrieb und Unterhalt von Kommunikationsinfrastruktur von der öffentlichen Hand finanziert würde (was durchaus zu diskutieren wäre), könnte die Forderung wenigsten nachvollzogen werden. So scheint sie einzig der Legitimation der Besteuerung von Google und Co. zu dienen.
Die SP pendelt mit ihrer Forderung denn auch irgendwo zwischen Einführung eines Leistungsschutzrechts (für die Verlage) und der Aufhebung der Netzneutralität und Eröffnung eines zweiseitigen Marktes (für die Provider) – mit dem Unterschied, dass mit den Einnahmen die unabhängige, kritische Presse gefördert werden soll.
Es ist aber natürlich darauf hinzuweisen, dass die Schweiz allein keine Abgeltung von den (amerikanischen) Grosskonzernen verlangen und durchsetzen könnte. Sie müsste dazu, wie auch bei anderen Fragen zur Regelung des Internets, mit der EU sowie mit anderen Ländern und/oder supranationalen Institutionen zusammenarbeiten, die ähnliche Interessen vertreten. Welche Wirkung länderübergreifende Aktivitäten in diesem Themenfeld haben können, zeigen die Entwicklungen rund um ACTA, auch wenn der Anstoss dazu insbesondere auch aus der Zivilgesellschaft kam.
Die Idee dürfte nicht nur aus dieser Ecke einen schwierigen Stand haben.
(Und die SP wird dann zukünftig für die Verwendung von Google Docs zur Kasse gebeten.)