Ab kommendem Monat werden die nächsten Netzsperren in Bern debattiert. Gemäss Bundesverwaltung sollen InternetnutzerInnen vor kinderpornographischen Seiten geschützt werden. Wichtiger ist hingegen der Opferschutz und die Täterverfolgung. Hier hat es die Schweiz bislang verpasst, sich dem INHOPE-Netzwerk anzuschliessen. Dieses sorgt auch dafür, dass die Inhalte nicht einfach gesperrt, sondern effektiv aus dem Netz gelöscht werden.
Das Geldspielgesetz soll kein Präjudiz für Netzsperren werden. Darüber waren sich am Abstimmungssonntag alle einig. Die Befürworter versicherten, dass die Netzsperren im Geldspielgesetz eine Ausnahme bleiben und sie sich gegen eine Ausweitung einsetzen werden. Ob es beim Lippenbekenntnis bleibt, wird sich leider bereits ab kommendem Monat zeigen.
Die zuständige Kommission des Nationalrats (KVF-N) beginnt am 2. Juli 2018 mit der Detailberatung zur Revision des Fernmeldegesetzes. Im Entwurf sind Netzsperren für Seiten vorgesehen, die Kindesmissbrauch dokumentieren (Art. 46 Abs. 2). Weder das Gesetz noch die Botschaft des Bundesrats äussern sich jedoch zur Notwendigkeit, zu Rechtsmittel, der Strafverfolgung oder zum Opferschutz.
Gemäss Bundesverwaltung ist der Schutz der InternetnutzerInnen die wichtigste Rechtfertigung. Doch man stösst nicht so einfach auf kinderpornographische Seiten. Solche Inhalte sind aufgrund der gesellschaftlichen Ächtung und der Illegalität – auch international – gut versteckt. Viel wichtiger ist hingegen der Opferschutz und die Täterverfolgung.
Um noch unbekannte Opfer möglichst schnell identifizieren und allenfalls befreien zu können, braucht es ein Maximum an Meldungen. In den meisten Staaten kümmert sich der Dachverband der Meldestellen INHOPE sehr erfolgreich darum: Die Organisation analysiert nach den Eingang eines Hinweises die betreffenden Inhalte und Webserver, sie koordiniert die Zusammenarbeit international über ihre Partner und mit den Polizeistellen – und sie sorgt weiter sehr effektiv für die Löschung der Inhalte (92% innerhalb von vier Wochen nach dem Eingang eines Hinweises).
Die Schweiz beteiligt sich bis heute nicht am INHOPE-Netzwerk.
Dies ist unerklärlich und unverantwortlich. Die Erfahrung zeigt, dass die nicht-staatlichen INHOPE-Meldestellen rund zehn Mal mehr Meldungen erhalten als solche der Polizei. So werden dann auch bei FedPol selten Fälle mit Bezug zur Schweiz gemeldet – bei INHOPE hingegen sind es jährlich um die 70 Fälle.
DNS-Sperren dürften sich bald als untauglich herausstellen, weil z.B. Browser auf nicht fälschbare DNS-Abfragen setzen (wie dies bei Firefox bereits vorgesehen ist). Wie im Geldspielgesetz sind jedoch auch im Fernmeldegesetz die Netzsperren technologieneutral formuliert. Es drohen entsprechend noch weitreichendere Manipulationen des Internetverkehrs, wie Deep-Packet-Inspection und IP-Blockaden. Allenfalls gar ein Verbot von Verschlüsselung oder Hintertüren für Behörden und Provider.
Die vorgeschlagenen Netzsperren sind eine zu wenig hohe Hürde, um Straftäter aufhalten zu können. Zufallsfunde hingegen, falls ein Server oder eine Website erneut kriminelles Material beinhaltet, werden durch Netzsperren noch unwahrscheinlicher.
Der Bundesrat muss stattdessen gemeinsam mit der Verwaltung, den Internetanbieterinnen und weiteren Stakeholdern den Aufbau einer INHOPE-Meldestelle in die Wege leiten. Als Orientierung können bewährte Lösungen aus Österreich oder Deutschland dienen. Die neue Schweizer INHOPE-Meldestelle soll von privater Seite betrieben werden, um die Hemmschwelle für Meldungen zu senken. Auf Netzsperren hingegen kann und muss verzichtet werden. Der Schutz der InternetbenutzerInnen ist durch das Löschen gewährleistet.