Schweizer KMUs und Startups sind am heutigen Digitaltag in den Bahnhöfen nicht vertreten. Auf der Bühne stehen Banken, Grossverteiler, Krankenkassen, Grossbanken und Staatsbetriebe. Sie vermessen uns alle bereits heute über Kundenkarten, Fitness-Apps und Finanzdaten. Digitalisierung bedeutet aber nicht (nur) die Verwertung unserer Personendaten. Sie krempelt die Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden (oder Staat und Bürgerin), Geschäftsprozesse und Arbeitsweisen um. Für diese Veränderungen braucht es Vertrauen durch einen offenen Dialog, aber keine Marketingveranstaltungen.
Am 25. Oktober 2018 findet der zweite Schweizer Digitaltag statt. Organisiert wird er von «Digital Switzerland». Die Initiative geht auf die Wirtschafts-Standortförderung «Digital Zurich 2025» zurück. Marc Walder (CEO von Ringier) war es bereits für Digital Zurich gelungen, ein hochkarätiges Komitee mit einflussreichen Konzernchefs und mächtigen Politikern zu mobilisieren. In diesem Jahr sollen am zweiten Digitaltag bereits 70 Partner in Schweizer Bahnhöfen die Chancen der Digitalisierung der Bevölkerung vermitteln.
PR für die «Swiss ID» statt kritische Auseinandersetzung mit der Digitalisierung
Eine (auch) kritische Auseinandersetzung mit den Veränderungen, die eine zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft mit sich bringt, ist angekündigt. Sie fand bis jetzt aber nicht statt. Im Gegenteil. Der Digitaltag 2017 mutierte zu einer Marktingveranstaltung für die «Swiss ID». Der neue «digitale Personalausweis» wurde am Digitaltag 2017 mit viel Brimborium angekündigt, kommt aber nicht auf Touren. Neun Schweizer Konzerne wollen das grosse Geschäft mit den Kundendaten nicht mehr allein Facebook, Google und anderen Tech-Giganten überlassen, sondern mit vereinter Macht ebenfalls daran teilhaben.
Gesetzliche Grundlagen für die elektronische Identität fehlen noch. Zu klären wäre etwa die Frage, ob wirklich Privatfirmen die staatshoheitliche Aufgabe der Ausgabe von (digitalen) Ausweisen übernehmen sollen. Dies hindert die Unternehmen hinter dem Joint-Venture SwissSign jedoch nicht daran, bereits vorzupreschen. Mit von der Partie sind u.a. die Bundesbetriebe Post, SBB und Swisscom, die Staatsbank ZKB, die Mobiliar-Versicherung, die Grossbanken Credit Suisse, Raiffeisen und UBS, sowie die SIX Group der schweizerischen Finanzindustrie.
Treiber Admeira
Hauptpartner des Digitaltags sind denn neben Google auch Ringier, SBB, SRF und Swisscom.
Ringier, SRF und Swisscom waren auch die Gründer der Werbeallianz Admeira. Das Unternehmen ist gemäss eigenen Aussagen ebenfalls eine Schweizer Antwort auf den digitalen Wandel «und um die daraus entstehenden neuen Bedürfnisse der Schweizer Werbewirtschaft». So erhält Admeira aggregierte Kundendaten der Swisscom (PDF), wie Alter, Wohnort und Interessen. Die Benutzer der angeschlossenen Onlineplattformen können dann übergreifend überwacht und mit personalisierter Werbung angesprochen werden. Zu den Plattformen gehören Blick, Bluewin, search.ch und die Handelszeitung, aber auch der Beobachter.
Nach öffentlichem Widerstand musste sich die SRG 2018 von ihren Anteilen an Admeira trennen. Ihre Anteile gingen an die beiden verbliebenen Besitzer Ringier und Swisscom. Bei der kürzlich ausgerufenen Login-Allianz ist das öffentlich-rechtliche Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) aber doch wieder dabei. Zusammen mit AZ Medien und NZZ (CH Media), Ringier, Somedia und Tamedia geht es im neuen Zusammenschluss erneut darum, sich ein grösseres Stück vom Werbekuchen – mit Hilfe von Kundendaten – abschneiden zu können.
KMU, IT-Dienstleister, Provider und Startups fehlen
Am Digitaltag fehlen weitgehend die kleinen und mittelgrossen Schweizer IT-Dienstleister, Softwarefirmen, Internet- Provider und Digital-Startups. Mit dabei sind hingegen Grossverteiler, Krankenkassen und Versicherungen, Flughäfen, Unternehmensberater und Grossbanken. Sie vermessen bereits heute ihre Kunden mit Hilfe von Kundenkarten, Fitness-Apps, beim Gang durch (Online-)Shops und durch die Analyse von Finanzdaten. Die Verwertung unserer persönlichen Daten, möglichst ohne hindernden Datenschutz, verspricht den Grossen der Wirtschaft einträgliche Geschäftsmodelle.
Offener Dialog statt Marketing
Digitalisierung bedeutet aber nicht (nur) die Verwertung von Personendaten. Sie krempelt vielmehr die Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden (oder Staat und Bürgerin), interne Geschäftsprozesse und die Arbeitsweisen um. Betroffen sind wir als Arbeitnehmer, Bürgerin und Konsument. Diese weitreichenden Veränderungen müssen gemeinsam mit den betroffenen Menschen und der gesamten Gesellschaft geschehen. Dazu braucht es Vertrauen, welches nur durch einen offenen Dialog hergestellt werden kann. Marketingveranstaltungen hingegen sind dafür reichlich ungeeignet.