Vier grosse Schweizer Medienhäuser führen zusammen mit der SRG unter dem Namen «Login-Allianz» eine Pflicht zur Registrierung ein. Dies zwingt uns nicht nur als Konsumentinnen und Konsumenten zur Preisgabe von persönlichen Daten, sondern entzieht uns auch als Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Grundlage des informierten öffentlichen Diskurses.
Im kommenden Jahr führen vier grosse Medienhäuser – Konzerne, die aus grossen Schweizer Zeitungen hervorgegangen sind – die Pflicht ein, sich einzuloggen, um ihre Beiträge online lesen zu können. Die SRG wird mitziehen. Dies soll den Medienhäusern helfen, attraktivere Werbeplätze anbieten zu können, da die Werbung zielgenauer geschaltet werden kann. Behauptet wird auch ein Zusatznutzen für die Lesenden, da auf persönliche Interessen zugeschnittene Leseempfehlungen möglich werden.
Aus netzpolitischer Sicht gibt es dabei mehrere besorgniserregende Punkte. Am offensichtlichsten sind wohl die Datenschutz-Bedenken, um die es hier aber nicht gehen soll. Eine zweite Sorge ist, ob sich die betroffenen Zeitungstitel damit nicht auch an der Bildung von Filter-Blasen beteiligen, welche generell als Herausforderung für den in Demokratien notwendigen öffentlichen Diskurs betrachtet werden.
In einem Beitrag im Echo der Zeit stellt Peter Neumann von CH Media dies mit dem Hinweis in Abrede, dass den Lesenden zwar Artikel empfohlen würden, welche sie besonders interessierten, der Inhalt der Artikel jedoch dank der Vielfältigkeit des Schweizer Journalismus nicht durch Leserinteressen geprägt würde. Sinnigerweise nimmt er dabei Bezug auf die amerikanische Politik, wo die Partisanisierung der Medien bereits weit fortgeschritten ist.
Keinerlei Erwähnung findet in diesem Gespräch jedoch die Frage der Themensetzung. Mit einer Ausrichtung der angezeigten Artikel auf die (vermuteten!) Interessen der Leserin gibt die Zeitung den Anspruch, Themen nach objektiven Kriterien der Relevanz ausgewählt und sortiert zu präsentieren, auf. Dies war bis vor kurzem eine der wesentlichen Aufgaben einer Redaktion. Und die entsprechende Funktion der Zeitung, in kurzer und präziser Weise eine strukturierte Übersicht über das aktuelle (Welt-)Geschehen liefern zu können, ist auch ein wichtiger Grund, eine Zeitung zu konsultieren – ob on- oder offline. Ginge es der Leserin nur um simple Informationen zu einzelnen Themen oder um sorgfältige Reportagen fänden sich leicht auch andere attraktive Medienformate.
Dass dieser Verlust im Gespräch nicht thematisiert wird, lässt tief blicken. Offensichtlich haben die Medienhäuser in ihrer Konzentration darauf, Facebook & Co. in Sachen Werbe-Attraktivität hinterher zu hecheln, die redaktionelle Aufgabe der Themensetzung bereits völlig aufgegeben, die Zeitungen ihre Stärke längst vergessen. Es ist natürlich auch günstiger, wenn der Algorithmus diese Aufgabe übernimmt.
Dieser Verlust scheint mir allerdings noch drastischere Auswirkungen auf den öffentlichen Diskurs zu haben, als Filterblasen im Sinne einer Einschränkung auf den inhaltlichen Austausch mit Gleichgesinnten. Wenn es keine Instanz mehr gibt, die eine Themensetzung nach Relevanz beansprucht, vertreten wir nicht nur zu gleichen Themen unterschiedliche Meinungen, wir reden nicht mal mehr über die gleichen Themen. Das heisst wir reden überhaupt nicht mehr miteinander.
– Laura Saller