Die Schweizer Verlage führen schrittweise einen Login-Pflicht ein. Damit wollen sie das Geschäftsmodell von Google, Facebook & Co. kopieren – und die Persönlichkeitseigenschaften ihrer Leserinnen und Leser zu Geld machen. Das Vorgehen kollidiert nicht nur mit dem Datenschutzgesetz, es ist darüber hinaus für den Journalismus und die freie Meinungsbildung äusserst fragwürdig.
Sämtliche grossen Schweizer Verlagshäuser führen gemeinsam die Pflicht zum Login ein: Seit zwei Wochen werden die Leserinnen und Leser aufgefordert, sich auf den Portalen anzumelden. In einem Jahr soll dies zur Pflicht werden. Neben Tamedia, NZZ, Ringier, Axel Springer und CH-Media beteiligt sich auch die SRG an dieser Tracking-Allianz (wobei das Login bei der SRG frewillig bleiben soll).
Durch diese Massnahme versprechen sich die Verlage mehr Werbegewinne, bzw. Anteile von Google, Facebook & Co. zurückzugewinnen. Für die Leserinnen und Leser bedeutet dies hingegen ein verstärktes Profiling. Zu all den bereits auf den Medienportalen eingebundenen Werbenetzwerken und Tracker gesellen sich Schweizer Datenkraken.
Die Bevölkerung wird faktisch vor die Wahl gestellt, entweder Lesegewohnheiten, Interessen und eine grosse Zahl weiterer persönlicher und teils sehr intimer Informationen von der Tracking-Allianz aufzeichnen und analysieren zu lassen – oder auf den Zugang zu den entsprechenden Online-Angeboten gänzlich zu verzichten, was die freie Meinungsbildung stark einzuschränken droht.
Zwar wird seitens der Tracking-Allianz behauptet, die Daten würden anonym bearbeitet – mit dem Hinweis, es würden keine Namen und Adressen sondern «nur» E-Mail-Adressen erhoben. Diese Form der Datenverarbeitung kann aber bestenfalls als pseudonym bezeichnet werden, denn spätestens wenn von anderer Quelle her den E-Mail-Adressen Namen, Wohnadressen etc. zugeordnet werden, sind diese Daten wieder eindeutig personenbezogen. Auf Personen beziehbare Daten sind vom Datenschutzgesetz erfasst.
Personalisierte Werbung und personalisierter Inhalt
Auch über das erstellte Persönlichkeitsprofil kann allenfalls auf die betroffene Person geschlossen werden. Das Login soll ja gerade personalisierte Werbung und personalisierter Inhalt ermöglichen. Dies bedeutet zudem nichts anderes, als dass jede Leserin und jeder Leser unterschiedliche algorithmisch ausgewählte Inhalte präsentiert bekommen wird, die auf ihre vermuteten Interessen zugeschnitten sind.
Dies droht, bestehende Präferenzen und Neigungen einseitig zu verstärken, indem «genehme» Informationen tendenziell bevorzugt und konträre Sichtweisen und Argumente ausgeblendet werden. Was bereits heute im Bereich der Sozialen Medien als massives Problem für freiheitlich-demokratische Gesellschaften angesehen wird, würde damit auf einen Grossteil der Schweizer Medienlandschaft ausgeweitet.
Kollision mit dem Datenschutzgesetz
Das Bundesgesetz über den Datenschutz verlangt, falls «für die Bearbeitung von Personendaten die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich ist, so ist diese Einwilligung erst gültig, wenn sie nach angemessener Information freiwillig erfolgt». Bei der Bearbeitung von Persönlichkeitsprofilen, wie im vorliegenden Fall, muss die Einwilligung zudem ausdrücklich erfolgen (Art. 4 Abs. 5).
Eine Einwilligung ist dann nicht erforderlich, wenn ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder ein Gesetz die Bearbeitung rechtfertigt. Eine solches Interesse besteht beispielsweise «in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung eines Vertrags» (Art. 13 Abs. 2). Ein Online-Buchhändler muss also nicht um Einwilligung fragen, ob die Postadresse für den Versand erhoben und verwendet werden darf. Will er diese Adresse aber für einen weitergehenden Zweck bearbeiten oder weitergeben, braucht es eine Einwilligung der betroffenen Person.
Zur Bearbeitung von Persönlichkeitsprofilen muss eine Zustimmung freiwillig und ausdrücklich, das heisst ein aktiver Ausdruck des freien Willens der betroffenen Person, sein. Der betroffenen Person muss «eine – mit nicht unzumutbaren Nachteilen behaftete – Handlungsalternative – zur Verfügung stehen.» (Basler Kommentar zum Datenschutzgesetz)
Es darf also kein Zwang bestehen, eine Dienstleistung mit seinen persönlichen Daten zu bezahlen (Stichwort Koppelungsverbot). Eine solche Handlungsalternative kann eine Bezahl-Option sein, bei der keine Persönlichkeitsprofile (weder durch das Login noch durch die bereits heute eingebundenen Werbenetzwerke und Tracker) erstellt werden.
Es ist dringend nötig, für den Journalismus und die freie Meinungsbildung neue Finanzierungsmodelle zu finden. Faire Abonnements ohne Tracking, allenfalls nicht nur titel- sondern auch verlagsübergreifend, könnten eine vertrauensfördernde, zukunftsfähige Lösung sein. Das Ausspionieren der Leserinnen und Leser jedoch nicht.