Die Digitale Gesellschaft hat sich auch in diesem Jahr vielfältig für Freiheitsrechte in einer fortschreitend digitalisierten und vernetzten Welt eingesetzt. Dies ist nur möglich Dank viel freiwilligem Engagement, Spenden und Mitgliedschaften.
Kurzrückblick 2020
Seit 2017 setzen wir uns für eine elektronische Identifikation ein. Diese E-ID soll aber nicht als allgemeines Login dienen, bei denen unnötigerweise zentral Daten gesammelt werden. Sie soll online Behördengänge ermöglichen und die digitale Demokratie stärken. Im weiteren soll die E-ID private Rechtsgeschäfte vereinfachen, bei denen eine Ausweispflicht besteht (wie ein Bankkonto eröffnen oder ein Handyabonnement abschliessen). Das Parlament hat jedoch eine E-ID beschlossen, welche von privaten Unternehmen herausgegeben wird, und bei der den Datenschutzbedenken nur teilweise Rechnung getragen wurde. Gegen das Gesetz haben wir als Teil eines breiten Bündnisses erfolgreich das Referendum ergriffen.
Parallel setzen wir uns mit Nachdruck – und ebenfalls bereits seit 2017 – für eine Stärkung des Datenschutzes für die Menschen in der Schweiz ein. Das Parlament hat nun Ende September endlich das neue Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) verabschiedet. Auch einige unserer Forderungen haben es in das Gesetz geschafft. Etwa deutlich höhere Strafen bei Zuwiderhandlungen oder das explizite Vorschreiben von Privacy-by-Design (Datenschutz durch Technik) und Privacy-by-Default (datenschutzfreundliche Voreinstellungen).
Dennoch sind leider einige essentielle Änderungen auf der Strecke geblieben. Beispielsweise fehlen Verwaltungssanktionen oder die Möglichkeit von Verbands- und Sammelklagen. Beim Profiling wurde auf ein explizites Widerspruchsrecht verzichtet. Hierzu hatten wir einen ausführlichen Rechtsvergleich zwischen dem Schweizerischen Datenschutzgesetz und der EU-DSGVO erstellt. Immerhin wird nun eine ausdrückliche Einwilligung (falls erforderlich) zum Profiling mit hohem Risiko festgeschrieben.
Eine mehrjährige Kampagne gipfelte dagegen in einem grossen Erfolg: Im revidierten Fernmeldegesetz ist die Netzneutralität zukünftig für Provider in der Schweiz zwingend festgeschrieben. Die Regelung geht selbst über die Bestimmungen in der EU hinaus, da auch Zero-Rating (wirtschaftliche Diskriminierung) klar unzulässig wird. Das Gesetz wird am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Seit 2011 kämpfen wir für einen besseren Schutz der Privatsphäre und gegen Massenüberwachung. So sind in der Schweiz alle Personen von der Kabelaufklärung betroffen. Im März gelangten wir daher mit einer zusätzlichen Eingabe an das Bundesgericht in Lausanne, welches unsere strategischen Klage um die Feststellungen erweitert, dass das Auskunftsrecht nicht als Mittel gegen unrechtmässige geheimdienstliche Überwachung taugt. Leider müssen wir davon ausgehen, wie auch mit der Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung, bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ziehen zu müssen.
In vielen Ländern Europas breitet sich die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum immer weiter aus. Diese Form der Massenüberwachung ist unverhältnismässig und verletzt unser Recht auf Privatsphäre. Zusammen mit EDRi, der Dachorganisation netzpolitischer Organisationen in Europa, haben wir einen gemeinsamen Appell ausgearbeitet: Staaten sollen ihre grundlegenden Werte bewahren und ihre Gesellschaften durch ein Verbot von biometrischer Massenüberwachung vor Schaden bewahren. Wir unterstützen zudem die Kampagne Reclaim Your Face.
Das Jahr 2020 wurde auch bei uns stark durch das Coronavirus geprägt. Gemeinsam mit Amnesty International und der Stiftung für Konsumentenschutz haben wir uns eingesetzt, dass der Ausnahmezustand nicht für den Ausbau von Überwachungsmassnahmen verwendet wird und haben grundrechtliche Forderungen an die «Contact Tracing»-App gestellt.
Mit Kursen zur digitalen Selbstverteidigung und Publikationen gestalten und vermitteln wir komplexe Themen zugänglich. Dazu gehören auch die Veranstaltungsreihe KarlDigital, die wir gemeinsam mit dem Zentrum Karl der Grosse organisieren und unser jährlicher Winterkongress.
Den Winterkongress konnten wir im Februar noch in der Roten Fabrik durchführen. Die meisten anderen Veranstaltungen mussten wir dann in den virtuellen Raum zügeln – so auch die Frühlings- und Herbsttreffen, die jedoch mit Rekordbeteiligung stattgefunden haben.
Die Bitwäscherei ist ein neues Hackerspace-Kollektiv in Zürich, dem wir mit angehören. Bereits finden einige Veranstaltungen und Treffen statt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist der Zugang jedoch noch beschränkt.
Wir betreiben auch Infrastruktur: Die Digitale Gesellschaft gehört weltweit zu den grössten Betreibern von Tor-Exit-Nodes. Zusätzlich bieten wir der Öffentlichkeit DNS-Resolver über die verschlüsselten Kommunikationswege DNS-over-TLS (DoT) und DNS-over-HTTPS (DoH) an. Diese Dienste tragen massgeblich zur sicheren, unbeobachteten und zensurresistenten Kommunikation bei.
Zu zivilgesellschaftlich relevanten Themen der fortschreitenden Digitalisierung werden wir als fachkompetent wahrgenommen und regelmässig zu Stellungnahmen und Anhörungen eingeladen. Auch die Medien schätzen den kompetenten und unkomplizierten Kontakt.
Auch im Jahr 2021 wird es an Herausforderungen nicht mangeln
Die Umsetzung des neuen Datenschutzgesetzes und der Netzneutralität wird uns sicherlich weiterhin beschäftigen. Zudem werden bereits neue Überwachungsbefugnisse für den Nachrichtendienst verhandelt.
Am 7. März 2021 wird die Volksabstimmung zur E-ID stattfinden. Die Vorbereitungen zur Kampagne sind bereits angelaufen. Wir wollen uns aber auch (parallel) vermehrt mit den Fragen rund um die digitale Demokratie beschäftigen.
Die «Digitaltage» im November haben erneut gezeigt, dass sich in der aktuellen Debatte zur Digitalisierung in der Schweiz primär grosse Unternehmen Gehör verschaffen können. Wir werden weiterhin unsere Stimme im Interesse der Bürgerinnen und Konsumenten erheben.
Hierzu lancieren wir 2021 das Projekt «Politpulse», worüber sich die Zivilgesellschaft aktiver und umfassender in den gesellschaftlichen Diskurs und den politischen Prozess einbringen können soll. Es wird ein aktives Monitoring von politischen Vorstössen und technischen Entwicklungen sowie eine bessere Vernetzung der zivilgesellschaftlichen Akteure umfassen.
Unterstütze uns als Mitglied oder mit einer Spende
Die Digitale Gesellschaft setzt sich mit grossem Engagement für Grund-, Menschen- sowie Konsumentenrechte im Internet ein. Damit dies auch weiterhin und verstärkt gelingt, ist die gemeinnützige Organisation auf Unterstützung angewiesen.
Wir freuen uns deshalb über deine Mitgliedschaft oder eine Spende. Eine Anmeldung ist online jederzeit möglich. Die Mitgliedschaft gilt ab jetzt auch für das ganze Jahr 2021.
Herzlichen Dank für die Unterstützung!