Die Digitale Gesellschaft hat sich auch in diesem Jahr vielfältig für Freiheitsrechte in einer fortschreitend digitalisierten und vernetzten Welt eingesetzt. Dies ist nur möglich Dank viel freiwilligem Engagement, Spenden und Mitgliedschaften.
Kurzrückblick 2021
Am 7. März gipfelte die langjährige Debatte um die elektronische Identität in einem wuchtigen «Nein» an der Abstimmungsurne: Fast zwei Drittel der Abstimmenden sprachen sich gegen die Privatisierung der E-ID aus. Das klare Nein zum Gesetz war aber ebenso ein «Ja» zu einer staatlichen E-ID. Die Herausgabe und der Betrieb gehört als Service Public unter demokratische Kontrolle und muss dem Grundprinzip der Datensparsamkeit Rechnung tragen.
Mit dem E-ID-Referendum hat die Digitale Gesellschaft bewiesen, dass sie komplexe technische Fragen auf die gesellschaftlich relevanten reduzieren und eine weiterführende Debatte zum Ausbau der digitalen Demokratie und der Grundrechte anstossen kann.
Im Vorfeld der Volksabstimmung hatte Ringier politische Schleichwerbung von «Digital Switzerland» veröffentlicht. Die Digitale Gesellschaft erhob dagegen Beschwerde beim Schweizer Presserat, welche vollumfänglich gutgeheissen worden ist. Der Presserat hält fest, dass Ringier einen bezahlten Beitrag mehrfach nicht ausreichend deklarierte und deshalb gegen die journalistische Pflicht zur Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung verstiess.
Eine mehrjährige Kampagne gipfelte ebenfalls in einem grossen Erfolg: Im revidierten Fernmeldegesetz ist die Netzneutralität seit dem 1. Januar 2021 für Provider in der Schweiz zwingend festgeschrieben. Die Regelung geht selbst über die Bestimmungen in der EU hinaus, da auch Zero-Rating (wirtschaftliche Diskriminierung) klar verboten ist. Allerdings sind die letzten Angebote erst nach einer Intervention der Digitalen Gesellschaft verschwunden.
Seit 2011 kämpfen wir für einen besseren Schutz der Privatsphäre und gegen Massenüberwachung. So sind in der Schweiz alle Personen von der Kabelaufklärung betroffen. Nachdem das Schweizerische Bundesgericht im Dezember 2020 eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Kabelaufklärung vollumfänglich gutgeheissen hat, muss nun das Bundesverwaltungsgericht prüfen, ob diese Form der Massenüberwachung die Grundrechte der Betroffenen verletzt und – um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen – in letzter Konsequenz einzustellen ist. Leider müssen wir davon ausgehen, wie auch mit der Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung, bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ziehen zu müssen.
In vielen Ländern Europas breitet sich die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum immer weiter aus. Diese Form der Massenüberwachung ist unverhältnismässig und verletzt unser Recht auf Privatsphäre. Zusammen mit EDRi, der Dachorganisation netzpolitischer Organisationen in Europa, unterstützen wir daher die Kampagne Reclaim Your Face. Zudem haben wir in der Schweiz zusammen mit Amnesty International und AlgorithmWatch die Kampagne «Gesichtserkennung stoppen» lanciert, mit der wir ein Verbot von automatischer Gesichtserkennung und biometrischer Massenüberwachung in der Schweiz fordern.
Das Jahr 2021 wurde auch bei uns stark durch das Coronavirus geprägt. Seit den Debatten um die Tracing-App, das Covid-Zertifikat und die elektronische Identifikation stehen die Grundsätze von Datensparsamkeit und Datenschutz durch Technik vermehrt im Zentrum der Diskussion. Auch dezentrale Architekturen und Open-Source-Software sind mittlerweile geläufige Begriffe bzw. Konzepte. Darin liegt eine bemerkenswerte Entwicklung der letzten 20 Monate. Auch wenn es weiterhin Ausreisser gibt.
Mit Kursen zur digitalen Selbstverteidigung und Publikationen gestalten und vermitteln wir komplexe Themen zugänglich. In diesem Jahr ist «eine kurze Anleitung zur Nachhaltigkeit im Digitalen» und unser «Online-Generator für Auskunft über eigene Daten» hinzugekommen. Unser jährlicher Winterkongress fand in einer «virtual Edition» statt.
Wir betreiben auch Infrastruktur: Die Digitale Gesellschaft gehört weltweit zu den grössten Betreibern von Tor-Exit-Nodes. Zusätzlich bieten wir der Öffentlichkeit DNS-Resolver über die verschlüsselten Kommunikationswege DNS-over-TLS (DoT) und DNS-over-HTTPS (DoH) an. Diese Dienste tragen massgeblich zur sicheren, unbeobachteten und zensurresistenten Kommunikation bei.
Zu zivilgesellschaftlich relevanten Themen der fortschreitenden Digitalisierung werden wir als fachkompetent wahrgenommen und regelmässig zu Stellungnahmen und Anhörungen eingeladen. Auch die Medien schätzen den kompetenten und unkomplizierten Kontakt.
Auch im Jahr 2022 wird es an Herausforderungen nicht mangeln
Die Neugestaltung der E-ID wird uns weiterhin beschäftigen. Bereits im Sommer 2022 ist mit einem Vernehmlassungsverfahren für eine neue Vorlage zu rechnen. Zudem werden bereits neue Überwachungsbefugnisse für den Nachrichtendienst verhandelt.
Die Kampagne «Gesichtserkennung stoppen» werden wir im kommenden Jahr ausweiten. Zusätzlich werden wir uns für eine Regulierung von «Künstlicher Intelligenz» resp. von ADM-Systemen einsetzen.
Die «Digitaltage» im November haben erneut gezeigt, dass sich in der aktuellen Debatte zur Digitalisierung in der Schweiz primär grosse Unternehmen Gehör verschaffen können. Wir werden weiterhin unsere Stimme im Interesse der Bürgerinnen und Konsumenten erheben.
Hierzu werden wir auch das Projekt «Politpulse», worüber sich die Zivilgesellschaft aktiver und umfassender in den gesellschaftlichen Diskurs und den politischen Prozess einbringen kann, weiter ausbauen. Dieses umfasst ein aktives Monitoring von politischen Vorstössen und technischen Entwicklungen sowie eine bessere Vernetzung der zivilgesellschaftlichen Akteure – auch über verschiedene Tools.
Unterstütze uns als Mitglied oder mit einer Spende
Die Digitale Gesellschaft setzt sich mit grossem Engagement für Grund-, Menschen- sowie Konsumentenrechte im Internet ein. Damit dies auch weiterhin und verstärkt gelingt, ist die gemeinnützige Organisation auf Unterstützung angewiesen.
Wir freuen uns deshalb über deine Mitgliedschaft oder eine Spende. Eine Anmeldung ist online jederzeit möglich. Die Mitgliedschaft gilt ab jetzt auch für das ganze Jahr 2022.
Herzlichen Dank für die Unterstützung!