Vor einem Jahr startete der Abstimmungskampf um die E-ID in die heisse Phase. Aufmüpfige Nerds standen Bundesrat, Parlament und Wirtschaftslobby gegenüber. Heute hat der Bundesrat nun einen Entscheid gefällt, der noch vor einem Jahr undenkbar gewesen wäre: Anstatt einem Geschäftsmodell für Private steht bei der neuen E-ID der Nutzen für die Allgemeinheit im Zentrum. Digitale Selbstbestimmung, Datensparsamkeit und Datenschutz durch Technik sind die Leitlinien.
Vor einem Jahr haben wir die Abstimmungskampagne zum E-ID-Referendum mit einer Medienkonferenz lanciert. Das Referendum wurde nötig, nachdem Bundesrat und Parlament nach langer Vorbereitung eine E-ID beschlossen hatten, die private Herausgeber vorsah und damit alle Stimmen missachteten, die einen besseren Datenschutz und die Herausgabe als hoheitliche Aufgabe gefordert hatten.
Gemäss den Befürwortern des Gesetzes würde mit dem Referendum unnötig Zeit vergehen und der Schweiz mit der «rabiaten Opposition» eine Digitalisierungs-Blockade bevorstehen. Umso erfreulicher war das Abstimmungsresultat: Die Schweizer Stimmbevölkerung verwarf das E-ID-Gesetz im März 2021 mit einer wuchtigen Zweidrittelmehrheit.
Bundesrätin Karin Keller-Suter sprach am Abstimmungssonntag zwar noch von «einem Rückschritt». Mit dem klaren Resultat wurde aber auch ein Richtungswechsel möglich.
Bereits wenige Tage nach dem Abstimmungssonntag wurde eine Motion für eine vertrauenswürdige, staatliche E-ID eingereicht, die wir gemeinsam mit Parlamentarier:innen vor der Abstimmung vorbereitet hatten. Dass sie dann in sechsfacher Ausführung und unterstützt von allen Fraktionen eingereicht wurde, ist wohl einzigartig. Mit diesem deutlichen Zeichen bahnte sich auch ein Kurswechsel um 180 Grad an.
Es folgte im Herbst 2021 ein Austausch im Rahmen des Beirats «Digitale Schweiz», eine öffentliche Konsultation zum «Zielbild E-ID» und eine konferenzielle Diskussion.
Heute hat der Bundesrat den Kurswechsel definitiv vollzogen und einen Richtungsentscheid zur zukünftigen E-ID getroffen. Dieser sieht vor:
Nutzerinnen und Nutzer der E‑ID sollen grösstmögliche Kontrolle über ihre Daten haben (Self-Sovereign Identity). Der Datenschutz soll unter anderem durch das System selber (Privacy by Design), aber auch durch die Minimierung der nötigen Datenflüsse (Prinzip der Datensparsamkeit) sowie eine dezentrale Datenspeicherung gewährleistet werden.
Die E-ID soll auf einer staatlich betriebenen Infrastruktur beruhen. Sie könnte staatlichen und privaten Stellen für die Ausstellung unterschiedlicher digitaler Nachweise zur Verfügung stehen (E-ID-Ökosystem). Der Ausbau kann schrittweise erfolgen. Beispiele für Anwendungen sind Strafregisterauszüge, Führerausweise, Hochschuldiplome oder ärztliche Rezepte.
Dies ist ein grosser Erfolg.
Mit dem E-ID-Referendum ist es nicht nur gelungen, die Privatisierung der E-ID zu verhindern sondern die Debatte konstruktiv in neue Bahnen zu lenken. Anstatt einem Geschäftsmodell für Private steht nun der Nutzen für die Allgemeinheit im Zentrum der Anstrengung. Digitale Selbstbestimmung, Datensparsamkeit und Datenschutz durch Technik sind die Leitlinien.
Auch wenn die Debatte um die Definition einer «Self-Sovereign Identity» noch bevorsteht, ist dies doch sehr erfreulich. Am Winterkongress wird es zwei Vorträge zum Thema geben: «Wo stehen wir ein Jahr nach dem Referendum und wo geht die Reise hin?» und «Warum die Diskussion zur E-ID nicht technologisch sein sollte.»