Digitale Gesellschaft erhebt Beschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

VorratsdatenDie gesamte Kommunikation in der Schweiz unterliegt der Vorratsdatenspeicherung. Die Vorratsdatenspeicherung erfasst flächendeckend und unabhängig von jedem Verdacht die gesamte Bevölkerung. Diese Überwachung kollidiert mit verschiedenen Grundrechten wie insbesondere dem Fernmeldegeheimnis und dem Schutz der Privatsphäre. Die Digitale Gesellschaft hat deshalb beim zuständigen Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) ein Gesuch auf Unterlassung der Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Die Digitale Gesellschaft wird ihre Beschwerde nötigenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weiterziehen.

Zürich, 21. Februar 2014 – In der Schweiz müssen alle Anbieterinnen von Post- und Fernmeldediensten die Metadaten der gesamten Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer speichern und diese Vorratsdaten während mindestens sechs Monaten den Behörden zur Verfügung stellen. Rechtsgrundlage für diese Vorratsdatenspeicherung bildet ein einzelner, für sich harmlos wirkender Satz im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF):

«Die Anbieterinnen sind verpflichtet, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten während sechs Monaten aufzubewahren.»

Mit den gespeicherten Vorratsdaten lassen sich viele Fragen zum persönlichen Verhalten der betroffenen Nutzerinnen und Nutzern beantworten sowie umfassende Bewegungsprofile erstellen: Wer hat beispielsweise wann und mit wem telefoniert? Wo hat sich das verwendete Handy befunden? Wer hat zu welchem Zeitpunkt seine E-Mails abgerufen und von wem stammten diese E-Mails? Wer hat welche IP-Adressen oder Handys in den letzten Monaten wo genutzt? Wer befand sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort?

Bei der Vorratsdatenspeicherung handelt es sich nicht um eine richterlich geprüfte Überwachung beim Verdacht auf die Begehung einer Straftat. Im Gegenteil wird das Kommunikationsverhalten der gesamten Bevölkerung gespeichert und den Behörden während mindestens sechs Monaten zur Verfügung gestellt: Flächendeckend und verdachtsunabhängig. Die gesamte Bevölkerung in der Schweiz untersteht damit dem Generalverdacht, kriminell zu sein. Aus Sicht der Digitalen Gesellschaft ist dieser Generalverdacht einem freiheitlichen Staat wie der Schweiz unwürdig.

Die flächendeckende und verdachtsunabhängige Überwachung durch die Vorratsdatenspeicherung kollidiert mit verschiedenen Grundrechten gemäss Bundesverfassung und Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK). Neben dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem Fernmeldegeheimnis sind auch die freie Meinungsäusserung und die Unschuldvermutung betroffen. Im Umgang mit Ärzten, Rechtsanwältinnen, Pfarrern und Journalistinnen sind ausserdem Verschwiegenheitspflichten sowie der Quellenschutz gefährdet.

Heutige Handys sind Überwachungsgeräte. Sie kommunizieren ständig, auch wenn sie vom einzelnen Nutzer gerade gar nicht aktiv benutzt werden. Dadurch zeigt sich nicht nur, wer sich zu welchem Zeitpunkt wo befunden hat (und sich morgen mit grosser Wahrscheinlichkeit befinden wird), sondern auch mit wem und womöglich zu welchem Zweck. Denn davon sind weder der Anruf beim Rechtsanwalt, die E-Mail an eine Beratungsstelle, das Treffen mit einer Journalistin noch der Besuch einer leicht anrüchigen Bar ausgenommen.

Die Digitale Gesellschaft hat beim zuständigen Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) ein Gesuch auf Unterlassung der Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz eingereicht. Die Digitale Gesellschaft wird diese Beschwerde nötigenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weiterziehen.

Beschwerdeführer sind unter anderem Norbert Bollow (Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft), Dominique Strebel (Journalist und Studienleiter an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern) und Balthasar Glättli (Nationalrat Grüne). Sie werden vertreten durch Viktor Györffy (Rechtsanwalt in Zürich).

Die Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung wird unter anderem durch die Wau Holland Stiftung, den Verein grundrechte.ch, den Chaos Computer Club Zürich (CCCZH), die Swiss Privacy Foundation, die Enter AG (Hartwig Thomas) und die Swiss Internet User Group (SIUG) ermöglicht.

Bis jetzt sind 10’000.- durch die Organisationen der Digitalen Gesellschaft gedeckt. Es ist jedoch mit 25’000.- Franken an Gerichts- und Anwaltskosten zu rechnen. Um das übrigbleibende Loch zu stopfen, sind wir auf weitere Beiträge angewiesen:

Postkonto: 61-177451-1
Digitale Gesellschaft, CH-4000 Basel
IBAN: CH15 0900 0000 6117 7451 1
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