Das Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) hat Ende letzter Woche eine Studie «Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft – Neue Spielregeln, neue Spielmacher» veröffentlicht. Darin wird im ersten Teil versucht, die technische und gesellschaftliche Entwicklung bis ins Jahr 2030 vorherzusehen: Allgegenwärtige Vernetzung, Sharing-Economy, Big Data, weitgehende Automatisierung etc. scheinen die Menschheit auf eine neue Stufe der Entwicklung zu stellen. Die Autorinnen zeichnen gleichzeitig aber auch das Bild einer unmenschlich kalten von Algorithmen und Maschinen beherrschten Welt.
Die Studie greift verschiedenste Themen auf und verliert sich dabei leider im Unspezifischen. Allzu oft wird der Leser fragend zurück gelassen:
Daten, die nicht zirkulieren, verlieren schnell an Wert, darum hilft es wenig, Daten in sicheren Servern zu bunkern. «Information wants to be free». Im Zeitalter der Mobilkommunikation müssen Daten frei fliessen und in Echtzeit analysiert werden können. Das mobile Netz ist dynamisch und braucht darum auch Sicherheitsregeln, die dynamisch sind – wie beim Dynamic Pricing (dynamisches Preismanagement) das heute in vielen Branchen wie der Hotellerie, bei Fluganbietern sowie im Online-Einzelhandel gängige Praxis ist.
Eigentlich sollte hinterfragt, Blickwinkel geöffnet und Perspektiven aufgezeigt werden. Oft werden jedoch nur Stichworte aufgenommen, aktuelle Entwicklungen weitergesponnen oder – schlimmer – verbreitete Falschmeinungen weiter zementiert:
Global tätige Unternehmen unterstehen dem Recht des Staates, in welchem der Hauptsitz angesiedelt ist. Facebook mit Hauptsitz in den USA unterliegt somit auch für Schweizer Nutzer der amerikanischen und nicht der Schweizer Gesetzgebung.
Die Studie vergisst auch, dass neben der Vernetzung und technologischen Entwicklung die Menschheit noch vor anderen tiefgreifenden Veränderungen steht. Die Auswirkungen auf Umwelt und Natur bleiben bspw. komplett ausgeklammert.
Irgendwie fehlt dann auch ein Teil, der von den Entwicklungen zur tatsächlichen Gesellschaft im Jahr 2030 führt, die im zweiten Teil beschrieben werden soll. Hier werden dann vier mögliche Zustände nur sehr holzschnittartig umrissen.
Erwähnenswert ist noch die eigenartige Einschätzung zur Netzneutralität:
Die letzte grosse, der Zeit und der Nachfrage voraus gelaufene Netz-Infrastruktur-Anstrengung datiert aus den Jahren um die Jahrtausendwende: der 3G-Ausbau der Mobilfunknetze, der die technische Basis für das mobile Internet darstellte. Er führte zu einem drastischen Überangebot an Daten-Kapazität, für die es kaum Verwendung gab. Erst das iPhone schaffte es ab dem Jahr 2007, das mobile Internet zu einem Massenmarkt zu machen – die Rendite für den Netzausbau kassierten nicht die ursprünglichen Investoren, sondern Apple.
Augenblicklich und auf absehbare Zeit ist das Verhältnis eher umgekehrt. Der Netzausbau kann mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten – die Diskussion um «Netzneutralität», also die technische Gleichbehandlung aller Datentransfers, ist ein (noch vergleichsweise sachtes) Signal für zunehmende Kapazitätsengpässe, Zugangs- und Verteilungskonflikte. Diese werden nicht zuletzt dadurch verstärkt, dass nach langen Jahren des Überangebots nur langsam das Verständnis für die Notwendigkeit des Kapazitätsausbaus wächst. Die «Kostenlosmentalität», mit der sich viele Content-Anbieter im Netz herumschlagen müssen, macht auch vor der Netz-Infrastruktur nicht halt.
Und weiter:
Wie das Beispiel Netflix – ein Internet Streaming Dienst, welcher bis zu 30 Prozent des Download-Volumens in den USA verantwortet – zeigt, hat die Grösse der verschiedenen Akteure ganz konkrete Auswirkungen auf ihr Einflusspotenzial: Netflix hat sich in den USA in Einzelverträgen mit Providern wie Comcast und Verizon bessere Datenleitungen und den direkten Anschluss an deren Netz gesichert. Daraufhin wurden Stimmen laut, welche die Gleichbehandlung aller Daten – die Netzneutralität – gefährdet sehen.
Dass Netflix erst nach monatelangem Streit dem Druck von Comcast und Verizon nachgegeben hat, wird ausgeblendet. Nun ist also plötzlich der Inhalt-Anbieter nicht nur an den vielen Daten «schuld» (die ja eigentlich vom gegenüberliegenden Konsumenten angefordert werden) – er hat mit seinem Verhalten gleich auch noch die Netzneutralität verletzt. Ein dreister Vorwurf. Aber so passt es wohl auch viel besser in das Bild der Auftraggeberin der Studie: der Swisscom.