Dieser Gastbeitrag wurde von Martin Stoll verfasst und auf öffentlichkeitsgesetz.ch veröffentlicht. Der vollständige Tätigkeitsbericht ist als PDF verfügbar.
Noch nie verlangten Medienschaffende und Bürger so oft Zugang zu amtlichen Dokumenten wie letztes Jahr. Auf das anhaltende Interesse an ihren Akten regiert die Verwaltung teils ängstlich und mutlos.
Die vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) publizierte Statistik zu den Zugangsgesuchen zeigt für 2014 einen Rekordwert: 582 Zugangsgesuche reichten Medienschaffende und Bürgerinnen und Bürger im vergangenen Jahr bei der Bundesverwaltung ein. Das sind über 100 Gesuche mehr als im Vorjahr, eine satte Zunahme um 20 Prozent.
Seit der Einführung des Gesetzes hat sich die Zahl der Aktenzugangs-Gesuche mehr als verdoppelt. Das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) habe sich als nützliches und griffiges Instrument der Informationsbeschaffung etabliert, schreibt Thür in seinem Tätigkeitsbericht. Es bleibe zu hoffen «dass der Bekanntheitsgrad und die Nutzung weiter zunehmen».
Doch die Jahresstatistik spiegelt auch eine in der Transparenzfrage uneinige Verwaltung. Die Zahlen zeigen, dass längst nicht alle Verwaltungsstellen Transparenz herstellen wollen. Vorbildlich ist das Aussendepartement: Von 101 Gesuchen beantwortete dieses 73 Prozent positiv. Am anderen Ende der Skala steht das Verteidigungsdepartement. Es gewährte nur in 29 Prozent der Fälle Einsicht. Zu den Ämtern mit den tiefsten Zugangsquoten gehören der Nachrichtendienst des Bundes, das Staatssekretariat für Wirtschaft und die Nuklearaufsicht Ensi.
Der Wille, das BGÖ umzusetzen, hänge stark von Einzelpersonen ab, schreibt der Öffentlichkeitsbeauftragte. Überall in der Bundesverwaltung gebe es Generalsekretariate, Bundesämter, aber auch einzelne Abteilungsleiter oder Sektionschefs, welche die vom Gesetz verlangte Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips «zumindest nicht direkt anstreben».
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt will sich dispensieren lassen
Zu diesen Transparenz-Renitenten gehört das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Von 14 Gesuchen gewährte es gerade in zwei Fällen Akteneinsicht. Nachdem sich der Nachrichtendienst mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz vom Öffentlichkeitsprinzip verabschiedet, will jetzt auch das BAZL den Hinterausgang nehmen: Im Entwurf zum revidierten Luftfahrtgesetz wird vorgeschlagen, dass deren Aufsichtstätigkeit vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen ist. «Das ist eine gefährliche Entwicklung weil gerade Aufsichtsorgane transparent machen müssen, ob und wie sie ihre Tätigkeit wahrnehmen», sagte Thür vor Journalisten.
Es sei nicht haltbar, so Thür, «dass Aufsichtsbehörden für ihre Arbeit einen Geheimbereich beanspruchen, obwohl sie im öffentlichen Interesse andere private und öffentliche Stellen beaufsichtigen.»
Falls die Inspektionsberichte nicht geheim bleiben können, kontern die Luftfahrt-Inspektoren, müsste in den Audits auf präzise und aussagekräftige Formulierungen verzichtet werden – auf Kosten der Flugsicherheit. Dem widerspricht Thür und verweist auf die ebenfalls sensiblen Kontrollbereiche der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Nach sieben Jahren Erfahrung mit dem BGÖ sei die EFK zum Schluss gekommen, «dass die Qualität ihrer Arbeit durch dieses Gesetz nicht beeinträchtigt wird.»
Chefbeamte halten hartnäckig an Gebühren fest
Verwaltungsstellen können für den Aufwand, der ihnen bei Zugangsgesuchen entsteht, von den Antragsstellern Geld verlangen. Auch letztes Jahr verursachte die Gebührenfrage viele Diskussionen um wenig Geld: Gerade mal bei drei Prozent der Gesuche verlangten Verwaltungsstellen Gebühren, heisst es in Thürs Tätigkeitsbericht.Der Bund nahm damit lächerliche 2600 Franken ein.
Trotz eines deutlichen Bundesgerichtsentscheid zur Gebührenfrage gab die Generalsekretärenkonferenz im vergangenen Jahr den Weg für eine kostenlose Verwaltungs-Transparenz nicht frei. Zwar wird Medienschaffende ein Watch-Dog-Rabatt von 50 Prozent auf Zugangsgebühren gewährt. Die Möglichkeit, Gebühren zu verordnen, wollen die Chefbeamten aber nicht aus der Hand geben.
«Angesichts dieser Zahlen ist es für den Beauftragten unverständlich, dass die Verwaltung an den geltenden Bestimmungen und Weisungen der Generalsekretärenkonferenz festhalten will, obwohl in 97 Prozent aller Gesuche keine Gebühren erhoben werden», schreibt Thür. Eine Revision der Gebührenregelung, welche sich an der Verwaltungsrealitär orientiert, sei sinnvoll und notwendig.
Entweder man verzichte ganz auf Gebühren – so Thür – oder man setze den Gebührenfreibetrag von heute 100 Franken deutlich herauf, zum Beispiel auf 750 Franken.