Digitale Gesellschaft
Die gemeinnützige Organisation informiert und berät zu Konsumenten- und Rechtsfragen im digitalen Raum, schätzt Technologiefolgen ab hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Grund- und Menschenrechte und bietet Dienste, Software-Projekte und Workshops zur «digitalen Selbstverteidigung» an.
Die Digitale Gesellschaft kämpft für unsere Freiheitsrechte in einer vernetzten Welt.
Themen
- Revidiertes Überwachungsgesetz BÜPF
- Beschwerden gegen Massenüberwachung
- Netzsperren in Gesetzen
- E-Voting & E-ID
- Revidiertes Datenschutzrecht
Einschätzung zum revidierten BÜPF
BÜPF-Revision: Aktueller Stand
- Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF)
- Inkrafttreten ursprünglich am 1. Januar 2018, nun am 1. März 2018
- Verschiedenen Übergangsfristen zur Umsetzung (maximal 24 Monate)
Heutiges BÜPF: Geltungsbereich
- Gilt für Access Provider und die von ihnen angebotenen Dienste
- Elektronische Postdienste (z.B. E-Mail und Instant Messaging)
- Fernmeldedienste (z.B. Internet-Telefonie)
Revidiertes BÜPF: Erweiterter Geltungsbereich
- Gilt zusätzlich auch für
- «Anbieter abgeleiteter Kommunikationsdienste», die «eine Einweg- oder Mehrwegkommunikation ermöglichen»
- Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen
«Anbieter abgeleiteter Kommunikationsdienste»
- Sind den Access Providern gleichgestellt, wenn entweder
- 10 Überwachungsgesuche in einem Jahr vorlagen oder
- ein Jahresumsatz von 100 Millionen Franken mit mindestens 5'000 BenutzerInnen erzielt wurde.
- Gleichstellung bedeutet aktive Überwachungspflicht und Vorratsdatenspeicherung.
Alle anderen: Duldungspflicht
- Überwachungsmassnahmen müssen geduldet werden
- Duldung einschliesslich Zugangsgewährung «zu Gebäuden, Geräten, Leitungen, Systemen, Netzen und Diensten»
Pflicht zur Teilnehmeridentifikation I
- Gilt zusätzlich zur aktiven Überwachungspflicht
- Auch für Collaboration, E-Mail, Instant Messaging etc.
- Ausweispflicht jedoch «nur» bei Mobilfunkdiensten
Pflicht zur Teilnehmeridentifikation II
- Auch für Anbieter professionell betriebener öffentlicher WLAN-Zugangspunkte
- «Mit ‹professionell betrieben› ist gemeint, dass eine FDA oder eine auf öffentliche WLAN-Zugangspunkte spezialisierte IT-Dienstleisterin den technischen Betrieb des öffentlichen WLAN-Zugangspunktes durchführt, die dies auch noch für andere öffentliche WLAN-Zugangspunkte an anderen Standorten macht.»
Public WLAN
- Public WLAN ohne SMS-Registrierung werden weiter aussterben
- Immerhin: Freifunk ist nicht betroffen
- Auch: Antennensuchläufe (Funkzellenabfrage) in WLAN
Staatstrojaner: Offene Frage zum «Einspielen»
- Infektion durch
- Sicherheitslücken
- Auf dem Schwarzmarkt besorgen?
- Und Sicherheitslücke offen lassen?
- Eindringen in Räumlichkeiten (wie aufspielen?)
- Mithilfe von Dritten?
- Infection Proxy, Update-Server, SBB-Fahrplan-App, Steuererklärungssoftware (mit Remote-Support)
Mithilfe von Dritten in Strafverfahren
- Können private Dritte zur Mithilfe beim Einschleusen von Staatstrojanern verpflichtet werden?
- Strafverfahren kennt
- Auskunftspflicht, Duldungspflicht, Editionspflicht und Zeugnispflicht
- Aber: Keine aktive Mitwirkungspflicht
Massenüberwachung:
Beschwerden gegen Kabelaufklärung
& Vorratsdatenspeicherung
Ziel: Strategisch für Freiheitsrechte klagen
- Grundsatzentscheide und Präzedenzfälle, welche die rote Linie zwischen zielgerichteter Einzelfall- und anlassloser Massenüberwachung aufzeigen
- Die Schweiz kennt kein Verfassungsgericht, daher ist eine konkrete, persönliche Betroffenheit für Gesuch / Beschwerde nötig
Nachrichtendienstgesetz (NDG)
- Seit dem 1. September 2017 in Kraft
- Massnahmengesetz mit zahlreichen neuen Befugnisse, unter anderem:
- Alle Massnahmen aus dem BÜPF
- Überwachungsgeräte und Wanzen
- Angriffe auf Computer und Netzwerke im Ausland
- Massenüberwachung mit Kabelaufklärung
Gesuch an den Nachrichtendienst per 31.8.2017
- Die Kabelaufklärung ist nicht einzuführen.
- Weil wir alle von der Überwachung betroffen sind,
- weil es nicht zielführend ist, alle Personen unter einen Generalverdacht zu stellen,
- und weil es praktisch unmöglich ist, nach etwas zu suchen, das man nicht kennt.
- Zudem ist die bestehende Funkaufklärung zu unterlassen.
- PDF: 52 lesenswerte Seiten
Kabelaufklärung ist Weiterentwicklung der Funk- / Satellitenaufklärung
Funk- / Statellitenaufklärung
- Funkaufklärung war ursprünglich eine militärische Überwachung von ausländischen Vorgängen
- Satellitenüberwachung
- Im Geheimen im Jahr 2000 eingeführt
- Zwei Berichte von 2003 und 2007 der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) beschreiben Verstösse gegen die Menschenrechte
- Tendentiell ausländische Kommunikation
Kabelaufklärung
Kabelaufklärung setzt bei den grenzüberschreitenden Leitungen an
- Ausländische Kabel können nicht überwacht werden
- Bloss ist bei jeder grenzüberschreitenden Kommunikation auch jemand aus dem Inland beteiligt
- Und: Menschenrechte machen nicht an der Grenze halt
Antwort auf Gesuch ist erstaunlich
«Ihrer Forderung, der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) solle jegliche Tätigkeiten im Breich der Kabel- und Funkaufklärung unterlassen, können wir als Verwaltungsbehörde nicht entsprechen. […] Die Umsetzung dieses durch das Parlament verabschiedeten und vom Schweizer Volk im Referendum angenommenen Gesetz verletzt offensichtlich keine durch die Verfassung und die EMRK garantierten Grundrechte.»
Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
- Geheimdienst hat Zeit für Stellungnahme bis 15.1.2018
- Materieller Entscheid oder zurück an den Nachrichtendienst
Zweite Beschwerde: Vorratsdatenspeicherung
- 2014: Gesuch an den Dienst ÜPF
- 2014: Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
- 2016: Weiterzug an das Bundesgericht
- Schriftliche Anhörungen seit Frühling 2017
- Dienst ÜPF, EDÖB, Swisscom, Digitale Gesellschaft
- Entscheid 2018
- Wohl Weiterzug an Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nötig
Laaaaanger Atem!
- Verfahren dauern Jahre und erfordern anwaltliche Unterstützung
- Jedes Verfahren kostet 40'000+ Franken (35'000+ Euro)
- Komplett spendenfinanziert und daher auf Unterstützung angewiesen
Netzsperren in Gesetzen
- Geldspielgesetz (BGS)
- Urheberrechtsgesetz (URG)
- Fernmeldegesetz (FMG)
Geldspielgesetz: Was ist vorgesehen?
- (Ungenügende) Massnahmen um Spielsucht einzudämmen
- Erlaubt inländisches Online-Glücksspiel
- Netzsperren um ausländische Casinos vom lokalen Markt fernzuhalten
Geldspielgesetz: Stand
- Gesetz wurde beschlossen, Referendum läuft
Geldspielgesetz: Was tun wir dagegen?
- Referendum wurde u.a. von Jungparteien ergriffen, es könnte klappen
- Unterschreibt am Stand der Digitalen Gesellschaft Schweiz bei der Rights & Freedoms Assembly (CCL Saal 3), schickt eure Unterschriften ein!
- Einflussnahme im Bundeshaus
Urheberrechtsgesetz: Was ist vorgesehen? I
- Privatkopie bleibt, ebenso der straffreie Download
- Verlängerung aller Schutzrechte auf 70 Jahre
- Regelung verwaister Werke
- Lichtbildschutz wie in Deutschland
Urheberrechtsgesetz: Was ist vorgesehen? II
- Take- & Stay-Down-Regel für Anbieter von Content
- Gebrauch von Vorratsdaten zur Verfolgung von Filesharer
- Trotz «Anpassungen ans Internetzeitalter» keine relevanten Anpassungen wie Right2Remix oder ausdrückliche Fair-Use-Klausel
Urheberrechtsgesetz: Stand
- Rückmeldungen aus Vernehmlassung wurden verarbeitet, mehrheitlich aber ignoriert
- «Kompromiss» nach Vernehmlassung: Verzicht auf Netzsperren (werden von Unterhaltungsindustrie aber weiterhin gefordert)
- Kommt jetzt in die parlamentarischen Kommisionen, spannenderweise sind zwei verschiedene Komissionen im Nationalrat / Ständerat zuständig
Urheberrechtsgesetz: Was tun wir dagegen?
- Einflussnahme in den Kommissionen
- Bildung der Arbeitsgruppe Interessengemeinschaft Freier Zugang (IGFZ), erstes Treffen in diesem Monat, weitere werden folgen
Fernmeldegesetz: Was ist vorgesehen?
- Netzsperren, Unterdrückung von pornografischem Inhalt nach Art. 197 Abs. 4 und 5 StGB
- Regulation der letzten Meile bei Glasfaser
- Regulation Roaming-Gebühren
- Keine Netzneutralität, der «Kodex der Provider» wurde übernommen, d.h. Transparenzpflicht
Fernmeldegesetz: Stand
- Vernehmlassung ist erfolgt
- Anhörungen durch die Komissionen
- Kommt voraussichtlich in der Frühlingssession in die Räte
Fernmeldegesetz: Was tun wir?
- Einflussnahme in den Kommissionen
E-ID: Was ist vorgesehen?
- Identity-Provider (IdP) mit Zugriff auf persönliche Daten
- Vorschlag von Post, Swisscom und SBB durchgedrückt im Justizministerium (EJPD)
- Knüpft an SuisseID an, d.h. Private geben die E-ID heraus
- Nutzer, d.h. Banken, Onlineshops etc., müssen für Identifikation bezahlen
E-ID: Zahlreiche Probleme
- Vetrauen kann nur eine staatliche Institution schaffen
- SuisseID hat nicht funktioniert, weil Enrollment-Prozess und Nutzung zu kompliziert war
- An Endnutzern («Kunden») vorbeigeplant:
- Ein Bankkonto wird nicht jeden Tag eröffnet
- Einreichung der Steuererklärung ist ohne amtlichen Ausweis möglich
- Schlussendlich zu teuer
E-ID: Stand
- Vernehmlassung ist erfolgt
- EJPD erstellt eine weitere Botschaft
E-ID: Was tun wir?
- Konzept «Digitale Identität in der Schweiz» der Swiss Data Alliance (unter anderem aus OpenData.ch entstanden)
E-Voting: Stand
- Die Systeme der ersten Generation sind tot. Dies ist ein netzpolitischer Erfolg!
- Aktuell werden zwei Systeme der zweiten Generation entwickelt.
- Noch keine Rechtsgrundlagen für eine komplett papierlose Stimmabgabe
- Motion, dass eine Million Franken ausgeschrieben werden soll, um die E-Voting-Systeme der Schweiz zu «hacken».
E-Voting: Probleme
- Die Forderungen sind immer noch die gleichen:
- Verifizierbarkeit:
- cast-as-intended, recorded-as-cast, counted-as-recorded
- Papertrail als Backup unverzichtbar, sowohl als Quittung wie auch auf der Serverseite
- Nachvollziehbarkeit für alle, nicht umsetzbar, die Lösungen sind zu komplex
- Clients sind Verwund- und somit Angreifbar
Datenschutzrecht: Revision in der Schweiz
Revision Datenschutzgesetz I
- Geltendes Datenschutzgesetz trat vor über 25 Jahren in Kraft
- Neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) gilt ab dem 25. Mai 2018
- Entwurf des Bundesrats lehnt sich an EU-DSGVO an, damit Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission bestehen bleibt
- Stossrichtung stimmt, Grundsatz «Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt» bleibt
Revision Datenschutzgesetz II
- Im Vergleich zur EU-DSGVO soll unter anderem verzichtet werden auf:
- Marktortprinzip
- Ausdrückliches Recht auf Vergessen(werden)
- Datenübertragbarkeit
- Nachweis über die Einhaltung der Datenbearbeitungsgrundsätze
- Verwaltungssanktionen (Geldbussen bis zu 20 Millionen Euro / 4 % des weltweiten Jahresumsatzes)
Totalrevision Datenschutzgesetz III
- Vorgesehen sind immerhin:
- Verhaltenskodizes von Branchen (Selbstregulierung)
- Datenschutzfolgeabschätzungen (bei hohem Risiko)
- Ausbau der strafrechtlichen Sanktionen bei Verletzung von datenschutzrechtlichen Pflichten für private Personen mit Bussgeldern bis zu 250’000 Franken (215'000 Euro)
- Privatklägerschaft durch den Datenschutzbeauftragten
Datenschutzgesetz: Durchsetzbarkeit?
- Datenschutzfolgeabschätzungen, Verhaltenskodizes und Zertifizierungen sind wichtig – und sie können in der Ausgestaltung weitgehend der Wirtschaft überlassen werden
- Voraussetzung ist aber, dass das revidierte Datenschutzgesetz bei Verstössen wirksam durchgesetzt werden kann – auch von den direkt betroffenen Personen
Durchsetzbarkeit: Was fordern wir?
- Verwaltungssanktionen gegen Unternehmen anstatt strafrechtliche Verfolgung von privaten Personen
- Bussgelder müssen sich an der EU-DSGVO orientieren
- Kollektive Rechtsdurchsetzung (Verbandsklage)
- Beweislastumkehr in schweren Fällen
- Marktortprinzip
Revidiertes Datenschutzrecht im Parlament
- Anhörungen in Staatspolitischer Kommission (SPK-N)
- Eintreten und Detailberatung ab 12. Januar 2018
- Kantonale Datenschützer sehen Vorlage sehr kritisch (Rückweisung)
- Heftige Kritik von Datenschützern bei Konzernen und Wirtschaftskanzleien
- Aber: Vermutlich möglichst rasche Umsetzung mit Blick auf die EU-DSGVO
Netzpolitik in der Schweiz: Wie geht es weiter?
Netzpolitik in der Schweiz (am 34C3)
- Gleich anschliessend weiterführende Diskussion im Rights & Freedom Assembly (CCL Saal 3)
- Stand während dem Kongress (CCL Saal 3)
- Winterkongress am 24. Februar 2018 in Zürich
- Netzpolitik-Newsletter: digiges.ch/newsletter
Digitale Gesellschaft
4000 Basel
Schweiz
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