Vorwort
2023 war ein wichtiges und erfolgreiches Jahr für die Digitale
Gesellschaft.
Im Herbst 2023 konnten wir an einem langen Wochenende und nach einigen
Jahren Pause zum ersten M
wieder «Jugend hackt» in der Schweiz durchführen. 50 Mitwirkende haben
die Veranstaltung zu einem grossartigen Erfolg gemacht. Die fünf von
den Jugendlichen in unserem Hackspace geschaffenen Projekte sind
bemerkenswert. So ist das Team auch motiviert, «Jugend hackt» 2024
wieder durchzuführen. Für Nachwuchs scheint gesorgt!
Inhaltlich sticht 2023 sicherlich unser neu geschaffenes
Datenschutz-Konzept hervor. Dieses adressiert nicht nur die Mängel am
gültigen Gesetz, sondern schafft auch einen Rechtsrahmen für
«Künstliche Intelligenz» und die Sekundärnutzung von Daten. Sehr
erfolgreich war auch unsere Kampagne gegen die Gesichtserkennung im
öffentlichen Raum und die Überwachung der
in den Bahnhöfen durch die SBB, die wir gemeinsam mit
zivilgesellschaftlichen Organisation führen. Zu erwähnen ist auch die
Aktualisierung unseres Online-Generators für Datenauskunftsbegehren.
Mittlerweile zählt unser Verein über 1'000 Mitglieder, von denen viele
in unterschiedlicher Form zu
Vereinstätigkeiten beitragen. Es freut uns sehr, diesen achten
Jahresbericht zu veröffentlichen. Gemeinsam werden wir uns weiterhin
für Freiheitsrechte in der vernetzten Welt einsetzen.
Erik Schönenberger (Geschäftsleiter)
Netzsperren
Netzsperren greifen in die Rechte auf Meinungs-, Informations- und
Wirtschaftsfreiheit ein. Für Netzsperren werden dieselben technischen Mittel verwendet, die Internet-Kriminelle
nutzen. Netzsperren stehen damit im Widerspruch zu Entwicklungen,
welche die Internetnutzung sicherer machen sollen (wie z. B.
DNSSEC, DNS-over-TLS, DNS-over-HTTPS). Deshalb stellt die Digitale
Gesellschaft sichere DNS-Server zur Verfügung (siehe «Dienste»).
Gleichzeitig sind Netzsperren aber bereits mit geringen Kenntnissen
leicht zu umgehen und stellen daher keine
Massnahme dar. Anstatt zu versuchen, Netzsperren zu «verbessern»,
fordern wir daher «Löschen statt Sperren» bei strafbaren Angeboten
und Inhalten im Internet.
Nachdem es uns mit dem Referendum gegen das Geldspielgesetz bereits
gelungen war, eine breite Diskussion zu Netzsperren in der Schweiz zu
führen, hat sich diese Erkenntnis auch im Bundesrat durchgesetzt.
Dementsprechend hat er den parlamentarischen Vorstoss für Sperren von
pornografischen Inhalten für unter 16-Jährige mit deutlichen Worten
abgelehnt. Der Nationalrat hatte diese 2023 zunächst noch befürwortet,
nach einem Schlenker im Ständerat (und vielen
), dann aber ebenfalls abgelehnt.
Leistungsschutzrecht («Link-Steuer»)
Die zuständige Ständeratskommission hatte bereits 2019 in der Debatte
zum Urheberrecht überraschend ein Leistungsschutzrecht für
Medienverlage beschlossen. In der Folge wurde in kürzester Zeit eine
Allianz für ein faires Urheberrecht in der Schweiz gegründet, die sich
mit aller Kraft gegen das selbstzerstörerische Vorhaben wehrte, eine
«Link-Steuer» einzuführen. So haben in Zürich über 1’000 Personen
gegen die Urheberrechtsreform demonstriert. Zwei Tage später waren wir
in die zuständige Kommission des Ständerats eingeladen, um unsere
Kritik zu äussern. In der Folge beschloss der Rat, auf das Vorhaben zu
verzichten. Dies war ein grossartiger Erfolg.
Leider war er nur von kurzer Dauer. Ein Jahr lang fand auf Einladung
von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und organisiert vom Bundesamt für
Kommunikation (BAKOM) ein «Mediendialog» statt, an dem Vertreter:innen
von Printmedien, Radio, Fernsehen und Onlinemedien, nicht aber aus der
Zivilgesellschaft teilnehmen durften. 2023 hat der Bundesrat dann –
entgegen der Empfehlung der eigenen Regulierungsfolgenabschätzung –
einen Vorentwurf für ein neues Gesetz präsentiert.
Wir lehnen die geplante Urheberrechtsreform zur Einführung eines
Leistungsschutzrechtes für Medienverlage entschieden ab und empfehlen
in unserer Stellungnahme dem Bundesrat, den Prozess abzubrechen. Das
geplante Gesetzesvorhaben kann den demokratierelevanten Journalismus
nicht fördern, gefährdet den Medienstandort Schweiz und führt zu einer
weiteren Konzentration der Medienbranche. Die vorgesehene Beteiligung
der Urheber:innen an den Einnahmen ist systematisch problematisch und
begünstigt die Ungleichbehandlungen verschiedener Kategorien von
Mitwirkenden.
Zum Dossier Leistungsschutzrecht
Ein Grossteil unserer demokratischen Öffentlichkeit manifestiert sich
heute auf privaten Kommunikationsplattformen – und weder können wir
nachvollziehen, wie dies geschieht und welchen Einfluss es auf unsere
Gesellschaft hat, noch können wir uns dabei wirksam vor Manipulation
und Diskriminierung oder Phänomenen wie Hassrede schützen. Im Rahmen
einer Plattformregulierung sollten entsprechend die Rechte der
Nutzer:innen gestärkt werden,
mehr Transparenz und Rechenschaft von den Plattformen gefordert wird.
Anstatt privater Organisationen auf Basis von
(und «Gutdünken») müssen – nach einer unabhängigen aussergerichtlichen
Schlichtungsstelle – letztlich rechtsstaatliche Instanzen zur Klärung
bei Disputen herangezogen werden können.
Entsprechend haben wir uns im Rahmen einer Befragung zur
Regulierungsfolgenabschätzung des Bundes für die Stärkung der
Kommunikationsgrundrechte und für eine gut funktionierende öffentliche
Debatte eingesetzt.
Datenschutz, Datensicherheit und Recht auf Privatsphäre
Massenüberwachung
Vor 2011 war der Öffentlichkeit in der Schweiz kaum bewusst, dass von
sämtlichen Mobiltelefonen bei einem Kommunikationsvorgang der Standort
aufgezeichnet wird. Deshalb galt die erste Kampagne der Digitalen
Gesellschaft der Vorratsdatenspeicherung. Inzwischen ist der Begriff
längst in der politischen Debatte angekommen. Auch die Debatte um die
Kabelaufklärung (siehe unten) ist auf eine Medienkampagne der
Digitalen Gesellschaft zurückzuführen.
Seit den jüngeren Auseinandersetzungen um die Contact-Tracing-App,
das Covid-Zertifikat und die elektronische Identifikation stehen nun
auch die Grundsätze von Datensparsamkeit und Datenschutz durch
Technik vermehrt im Zentrum der politischen Diskussion. Auch
dezentrale Architekturen und Open-Source-Software sind mittlerweile
geläufige Begriffe bzw. Konzepte in der Politik. Dies ist eine
bemerkenswerte Entwicklung, die wir auch auf unser Engagement der
letzten Jahre zurückführen.
Dennoch bleiben wir stark gefordert, wie die geplanten
«Risikoanalysen» und das «Profiling» im geplanten Zollgesetz zeigen.
Diese betreffen nicht nur Grenzübertritte, sondern im Falle der
«automatischen Kontrollschilderkennung» Fahrzeuge und damit Personen
im ganzen Land. Gegen die Vorhaben haben wir uns in einer
ausführlichen Stellungnahme ausgesprochen und haben das Gesetz 2023
auch in der Kommission sowie im Parlament bekämpft.
Beschwerde gegen die Kabelaufklärung
Im Jahr 2017 trat das Nachrichtendienstgesetz (NDG) in Kraft. Mit der
damit legalisierten Kabelaufklärung wird das Grundrecht auf den Schutz
der Privatsphäre schwerwiegend verletzt. Auch Berufsgeheimnisse,
werden ausgehöhlt. Die Kabelaufklärung verletzt zudem die
Unschuldsvermutung und das Verhältnismässigkeitsprinzip. Die Digitale
Gesellschaft gelangte deshalb Ende August 2017 mit einem Gesuch an den
Nachrichtendienst des Bundes (NDB),
zu unterlassen.
Der Geheimdienst wie auch das Bundesverwaltungsgericht hielten es
nicht für notwendig, inhaltlich auf unser Begehren einzutreten.
Dagegen haben wir uns beim Bundesgericht gewehrt. Dieses hielt dann in
seinem Urteil vom 1. Dezember 2020 fest, dass die Massnahmen, die mit
der Kabelaufklärung verbunden sind, als geheim gelten und den
Betroffenen auch nachträglich nicht bekannt gegeben werden. Der
datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ermöglicht daher im Einzelfall
keinen wirksamen Rechtsschutz dagegen. «Unter diesen Umständen ist es
den Beschwerdeführenden nicht möglich, konkrete, sie betreffende
Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung anzufechten. Sie sind deshalb
darauf angewiesen, das ‹System› der Funk- und Kabelaufklärung in der
Schweiz überprüfen zu lassen»
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Digitalen Gesellschaft
vollumfänglich gut und hob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
auf. Es anerkennt in seinem wegweisenden Urteil, dass die
Kabelaufklärung eine Form der anlasslosen Massenüberwachung darstellt,
von der jede Person potenziell betroffen ist. Es anerkennt, dass eine
solche Massenüberwachung in die Grundrechte sehr vieler Personen
eingreift, und dass den Betroffenen ein wirksamer Rechtsschutz zur
Verfügung stehen muss. Es hält in diesem Zusammenhang ausdrücklich
fest, dass bereits das elektronische Rastern von Daten einen Eingriff
in das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung darstellt, die durch Bundesverfassung und Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt sind. Das Bundesgericht
räumt zudem ein, dass die Einstellung der Funk- und Kabelaufklärung
allenfalls das einzige Mittel sein kann, um einen wirksamen
Grundrechtsschutz für die Beschwerdeführer:innen sicherzustellen.
Nun muss das Bundesverwaltungsgericht prüfen, ob die Funk- und
Kabelaufklärung unsere Grundrechte verletzt. Gegenüber dem
Bundesverwaltungsgericht nahm der Geheimdienst dann zum ersten Mal
detaillierter Stellung zur Funktionsweise des Internets und zur darauf
aufbauenden Kabelaufklärung. Dabei versuchte er weiterhin, das Bild zu
zeichnen, dass nur bestimmte Weltregionen und keine schweizerische
Kommunikation überwacht würden. Die Digitale Gesellschaft widerlegte
in ihren Antworten diese Behauptungen mit einfachen Beispielen. Das
Bundesverwaltungsgericht stellte darauf hin dem Nachrichtendienst und
anderen beteiligten staatlichen Organisationen
Fragen. Der Schriftenwechsel hat uns das ganze Jahr 2023 beschäftigt
– und auch interessante Einblicke verschafft.
So räumt der Geheimdienst in einer der wenigen zugänglichen Antworten
sogenannte Retrosuchen ein. Dies bedeutet, dass die Datenströme im
Internet nicht allein in Echtzeit nach vordefinierten Stichwörtern
durchsucht, sondern auch in einer Datenbank gespeichert werden. Diese
Vorratsdatenspeicherung durch den Geheimdienst ermöglicht, die
gleichen Datenströme nachträglich erneut zu durchsuchen. Um welche
Datenmengen es sich handelt, welche Internet-Verbindungen («Kabel»)
und welche Telekom-Unternehmen betroffen sind, und wie allfällige
Filter funktionieren, liegt allerdings weiterhin im Dunkeln.
Zum Dossier Kabelaufklärung
Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung
Die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung verstösst gegen das
Menschenrecht auf Privatsphäre und hat negative Auswirkungen auf die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Entsprechend hat sie das
Bundesverfassungsgericht in Deutschland bereits 2010 als unzulässig
erklärt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lehnte die anlasslose und
verdachtsunabhängige Massenüberwachung mittlerweile bereits sechsmal
ab. 2018 erklärte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR), was gemäss EuGH gegen die EU-Grundrechtecharta verstosse, sei
auch mit der EMRK nicht vereinbar.
Für das Bundesgericht hingegen heiligt der Zweck die Mittel: Der
Gesetzgeber in der Schweiz habe sich für ein System einer allgemeinen
und umfassenden Vorratsdatenspeicherung entschieden. Würde die
Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz entsprechend eingeschränkt,
könne diese Massenüberwachung in der heutigen Form nicht mehr
stattfinden. Entsprechend hatte das Bundesgericht unsere Beschwerde im
März 2018 gegen die anlasslose und verdachtsunabhängige
Vorratsdatenspeicherung (erwartungsgemäss) nur teilweise gutgeheissen.
Da die Schweiz kein Verfassungsgericht kennt, zogen wir die Beschwerde
im Herbst 2018 an den EGMR in Strassburg weiter.
Lange blieb es in dieser Angelegenheit ruhig. Dann wurde die
eingeladen, bis am 13. März 2023 ihre Stellungnahme einzureichen. In
ihrer Antwort postuliert die Schweiz, dass zwischen
verwaltungsrechtlichen und strafprozessualen Fragen zu unterscheiden
sei. Es gehe im vorliegenden Verfahren «nur» um die Speicherung der
Daten durch Internet-, Telefon- und Postdienste, nicht jedoch um den
Zugriff auf die gespeicherten Informationen durch die
Strafverfolgungsbehörden und den Geheimdienst. Dieser irreführenden
und verharmlosenden Darstellung haben wir vehement widersprochen, da
die Vorratsdatenspeicherung für einen bestimmten Zweck stattfindet:
Für den Zugriff durch Geheimdienst und Strafverfolgungsbehörden.
Dieser Zweck kann bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der
Vorratsdatenspeicherung nicht ausgeblendet werden.
Die Schweiz, vertreten durch das Bundesamt für Justiz (BJ), negiert in
ihrer Stellungnahme auch Abschreckungseffekte. Solche «Chilling
Effects» entstehen jedoch bereits durch die Speicherung der Daten und
sind gut belegt. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die Daten für
weitere Zwecke missbraucht werden. Die verschiedensten Datenabflüsse
bei Bundesbehörden und Bundesbetrieben sorgen nicht für Vertrauen. Für
das BJ hingegen heiligt der Zweck die Mittel: «Für eine rückwirkende
Überwachung ist es daher notwendig, möglichst viele verschiedene
Randdaten zu speichern.»
Der EGMR geht davon aus, dass dieser Entscheid von grosser
Bedeutung sein wird. Mit einem Urteil kann dennoch wohl erst 2025
gerechnet werden.
Zum Dossier Vorratsdatenspeicherung
Datenschutz
Am 1. September 2023 trat sechs Jahre nach dem Start der Debatte im
Parlament das neue Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) in Kraft.
Dass dieses den aktuellen Herausforderungen nicht zu genügen vermag,
zeigt die drohende Überidentifikation im E-ID-Gesetz (siehe unten): Da
die Hürden zur Datenbearbeitung (zu) niedrig sind, kann uns das neue
Datenschutzgesetz nicht v
Ausweiskontrollen an allen Ecken und Enden schützen.
Am diesjährigen Datenschutz-Festival haben wir daher ein neues,
wegweisendes Datenschutz-Konzept präsentiert. Das Konzept adressiert
die Mängel im geltenden Datenschutzrecht, indem es sich auf die
vielseitigen Folgen der Datennutzung konzentriert. Das Konzept geht
als eigentliches Datengesetz jedoch über den Datenschutz hinaus. Es
schafft auch einen Rechtsrahmen für den Umgang mit «Künstlicher
Intelligenz» und bietet eine Lösung für die Sekundärnutzung von Daten.
Damit nimmt das neue Konzept die Datenbearbeiter:innen konkret in die
Pflicht und ermöglicht dadurch eine vertrauensvolle Datennutzung.
Zum Datenschutz-Konzept
c Kathrin Schulthess
Biometrische Identifikation
Bereits 2021 haben wir zusammen mit Amnesty International Schweiz und
AlgorithmWatch CH die Kampagne «Gesichtserkennung stoppen» lanciert,
mit der wir ein Verbot von automatischer Gesichtserkennung und
biometrischer Massenüberwachung in der Schweiz fordern. Mittlerweile
in acht Städten und Kantonen ein Verbot der Gesichtserkennung
beschlossen oder ist in Diskussion. Die Bestrebungen in den Städten
und Kantonen zeigen, dass unsere Forderung nach einem Verbot
mittlerweile in der Schweizer Politik angekommen ist.
Dies bestätigt auch das eindeutige Resultat der
-Umfrage: Rund 80 Prozent der Personen, die für die eidgenössischen
Wahlen kandidierten, sind für ein Verbot der automatischen
Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Die Mehrheit in allen Parteien
(ausser knapp der SVP) lehnt diese Form der Massenüberwachung ab. Nun
ist es Zeit, die Forderung auf die nationale Ebene zu heben.
Unsere Kampagne gegen die Überwachung der
in den Bahnhöfen, resp. die Ausschreibung der SBB für ein
entsprechendes System, konnte innert weniger Tage über 17'000 Personen
mobilisieren. Die Petition hat zu einem konstruktiven Dialog mit der
SBB geführt.
hat aufgrund des öffentlichen Widerstands die Ausschreibung
zurückgezogen und sich nun für ein System entschieden, das ohne die
Erfassung von Personenströmen auskommt (und sich auf eine «
beschränkt). Dies ist ein wichtig
Erfolg.
Zur Kampagnenseite
v.l.n.r. Andreas Stuber (Leiter Kommunikation SBB), Alexis Leuthold
(Leiter Bewirtschaftung SBB), Alexander Muhm (Leiter Immobilien und
Mitglied der Konzernleitung SBB), Erik Schönenberger
(Geschäftsleiter Digitale Gesellschaft), Angela Müller (Leiterin
AlgorithmWatch CH)
Automatisierte Entscheidungssysteme
Automatisierte Entscheidungssysteme (ADMS) halten Einzug in den
schweizerischen Alltag, zum Beispiel als Analysemechanismus in
sozialen Netzwerken oder als Selektionshilfe im Bewerbungsprozess.
Dabei stellen sich Fragen bezüglich Diskriminierung, systematischer
Benachteiligung, Manipulationspotential und gesellschaftlicher
Bedeutung. Die Digitale Gesellschaft veröffentlichte deshalb bereits
im Februar 2022 ein ausführliches Positionspapier dazu, inklusive
eines konkreten Vorschlags für einen rechtlichen Rahmen.
Das Positionspapier hat Pioniercharakter und uns die Türen geöffnet –
bis zum Europarat: 2023 haben wir den Verhandlungen als Observer
beigewohnt und Vorschläge unterbreitet. 2024 möchte der Europarat nun
eine entsprechende Konvention verabschieden.
Zudem haben wir 2023 zusammen mit AlgorithmWatch CH, CH++, opendata.ch
und Pour Demain ein zivilgesellschaftliches Statement veröffentlicht,
das eine Regulierung von «Künstlicher Intelligenz» und automatisierten
Entscheidungssystemen in der Schweiz fordert. Es braucht einen
gesetzlichen Rahmen, um Rechtssicherheit und gemeinwohlorientierte
Innovation dieser Technologien sicherzustellen.
Zum Dossier Automatisierte Entscheidungssysteme (ADMS) und KI
Datensicherheit
2023 wurde die Revision des Informationssicherheitsgesetzes (ISG) im
Parlament diskutiert und verabschiedet. Bundesrat und Parlament wollen
mit der Anpassung insbesondere eine Meldepflicht für «Cyberangriffe»
für Betreiber:innen von kritischer Infrastruktur einführen. Dies
genügt jedoch nicht, um eine ausreichende Datensicherheit und damit
auch einen angemessenen Datenschutz in der Schweiz zu erreichen.
Wir forderten daher unter anderem eine Meldepflicht für alle,
verbindliche Mindeststandards sowie eine «garantierte Nutzungsdauer»
von netzwerkfähigen Geräten (IoT-Produkte), während der die
Hersteller:innen (im Rahmen einer Erweiterung der gesetzlichen
Gewährleistung) verpflichtet werden, Firmware- und Security-Updates
für ihre Geräte allen Nutzer:innen bereitzustellen. Leider konnte sich
das Parlament nicht dazu durchringen. Datenunsicherheit wird daher
auch weiterhin an der Tagesordnung bleiben.
Digitale Demokratie, E-Government und Infrastruktur
E-Voting
Demokratische Entscheidungen haben eine sehr hohe Akzeptanz, weil sich
grosse Teile der stimmberechtigten
daran beteiligen und das Verfahren nachvollziehen können. Nur so
werden kontroverse und sehr knappe Entscheidungen auch von den
Verlierer:innen akzeptiert. Vollständig verifizierbare
E-Voting-Systeme (so sie denn erfolgreich aus den Konzepten entwickelt
werden können) bedingen jedoch umfangreiche technische und
organisatorische Massnahmen. Die Verifikation setzt weitreichendes
Fachwissen voraus – speziell auch bei den abstimmenden Personen.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat 2009 die weitere Verwendung
von Wahlcomputern verboten, da «der Wähler ohne nähere
computertechnische Kenntnisse selbst nachvollziehen können muss, ob
seine abgegebene Stimme als Grundlage für die Auszählung oder
jedenfalls als Grundlage einer späteren Nachzählung unverfälscht
erfasst worden ist».
Nun sind aber die Abläufe beim E-Voting nochmals deutlich komplexer
als die Verwendung von Wahlcomputern. IT-Sicherheit und
Nachvollziehbarkeit der Wahl schliessen sich daher bereits in der
Theorie aus.
Bereits seit 2013 arbeiten wir kontinuierlich an diesem
netzpolitischen Dauerthema. In einer Stellungnahme äusserten wir uns
2021 ausführlich zu den technischen, historischen und
demokratiepolitischen Fragen rund um E-Voting. Der Spagat zwischen
Sicherheit und demokratischer Legitimation ist unmöglich zu schaffen.
Dennoch und trotz der drei Fehlversuche will der Bund das E-Voting
weiterentwickeln. Seit Mitte 2022 sind wieder Versuche möglich. 2023
boten einige Kantone E-Voting zu den National- und Ständeratswahlen
an. Selbst zwanzig Jahre nach dem Start wird uns das Vorhaben also
leider weiterhin beschäftigen.
Zum Dossier E-Voting
Elektronische Identität (E-ID)
Die Schweizer Stimmbevölkerung verwarf das E-ID-Gesetz im März 2021
mit einer wuchtigen Zweidrittelmehrheit. Das Referendum lancierten wir
gemeinsam mit Public Beta, nachdem Bundesrat und Parlament nach langer
Vorbereitung eine E-ID beschlossen hatten, die von Privaten
herausgegeben worden wäre – und damit auch alle Stimmen missachteten,
die einen besseren Datenschutz forderten und die Herausgabe als
hoheitliche Aufgabe erachten.
Bundesrätin Karin Keller-Suter sprach am Abstimmungssonntag zwar noch
verschnupft von einem «Rückschritt» und davon, dass die Gewinner:innen
der Abstimmung sich bewegen müssten. Das überaus deutliche Resultat
schuf aber die Basis für einen klaren Richtungswechsel: Bereits wenige
Tage nach dem Abstimmungssonntag wurde im Parlament ein Vorstoss für
eine «vertrauenswürdige, staatliche E-ID» eingereicht, die wir
gemeinsam mit Parlamentarier:innen vorbereitet hatten. Die Motion
wurde gleich in sechsfacher Ausführung eingereicht und von allen
Fraktionen unterstützt. Ein solcher Schulterschluss unmittelbar nach
einem harten Abstimmungskampf und über alle Parteigrenzen hinweg ist
einzigartig. Mit diesem deutlichen Zeichen bahnte sich definitiv ein
Kurswechsel um 180 Grad an.
Nun liegt ein neuer Vorschlag vor, bei dem digitale Selbstbestimmung,
Datensparsamkeit und Datenschutz durch Technik die Leitlinien sind.
Allerdings gibt es im neuen Vorschlag auch Schatten: Es droht die
Gefahr, dass wir im Internet in Zukunft für ganz alltägliche Dinge
einen Ausweis zeigen müssen (sogenannte Überidentifikation). Mit einer
breiten Koalition ist es uns gelungen, das Thema in die Politik zu
tragen. Der neue Gesetzesentwurf enthält bereits einige Massnahmen,
die aber noch nicht ausreichend sind. Ab 2024 steht die
parlamentarische Debatte hierzu an.
Zum Dossier Elektronische Identifikation (E-ID)
Netzneutralität
Netzneutralität bedeutet, dass
atenverkehr über das Internet gleich behandelt wird:
Internet-Zugangsanbieter:innen verhalten sich gegenüber verschiedenen
Internetanwendungen, -diensten, -inhalten und an das Internet
angeschlossenen Geräten neutral. Ein für den Wirtschafts- und
Innovationsstandort Schweiz wesentliches Element der Netzneutralität
ist das «Innovation-without-Permission»-Prinzip. Es besagt, dass
jede:r das Internet weiterentwickeln und eigene Dienste und Inhalte
anbieten kann, ohne dafür mit den Providern zuerst Verhandlungen
führen zu müssen.
Die Digitale Gesellschaft beschäftigt sich bereits seit 2012 mit den
politischen Entwicklungen, die mit der Netzneutralität zusammenhängen.
Sie setzte sich massgeblich dafür ein, dass diese in die Schweizer
Gesetzgebung verankert wird, was 2019 gelang. Seit 2021 ist die
Netzneutralität, resp. das «offene Internet», nun im Fernmeldegesetzes
(FMG) verankert:
Die Anbieterinnen von Internetzugängen übertragen Informationen,
ohne dabei zwischen Sendern, Empfängern, Inhalten, Diensten,
Diensteklassen, Protokollen, Anwendungen, Programmen oder
Endgeräten technisch oder wirtschaftlich zu unterscheiden.
Art. 12e Abs. 1 im Fernmeldegesetz vom 22. März 2019
Nach der Übergangsfrist wurden nicht netzneutrale Dienste in der
Schweiz eingestellt – auch wenn es eine Intervention, etwa bei
Sunrise, hierzu benötigte.
Die seit 2019 festgeschriebene Netzneutralität ist ein wichtiger und
nachhaltiger Erfolg. Bestrebungen, die Netzneutralität zu
unterminieren, gilt es jedoch frühzeitig zu erkennen. So ist
entsprechend auch unsere Fachgruppe weiterhin wachsam.
Zum Dossier Netzneutralität
Beratung, Bildung und Dienste
Die Digitale Gesellschaft engagierte sich auch 2023 für die
Vermittlung der technischen Grundlagen für einen verantwortungsvollen
Umgang mit digitalen Werkzeugen. Im Fokus standen verschiedene
Gruppen: Journalistinnen, Schüler und die breite Bevölkerung ohne
spezifische Vorkenntnisse.
Kurse
Unsere Workshops zur digitalen Selbstverteidigung führen wir seit
vielen Jahren für verschiedenste Organisationen durch. Die
Standardmodule umfassen:
- Computer-Grundschutz
- Sicherheit von Messenger
- Spurenarm und anonym surfen
- E-Mails verschlüsseln mit GnuPG
Zur Präsentationsübersicht
Ratgeber «Digitale Selbstverteidigung»
Bereits 2017 gaben wir zusammen mit der Wochenzeitung WOZ und dem
Chaos Computer Club Schweiz einen Digital-Ratgeber heraus. Dieser
beschäftigt sich mit dem Thema Datenschutz und bietet eine Vielzahl
konkreter Anregungen, wie die Privatsphäre im Internet geschützt
werden kann. Nachdem die ersten 22'000 Exemplare bereits nach kurzer
Zeit vergriffen waren, druckten wir 2018 eine Neuauflage. 2019 wurden
der Ratgeber überarbeitet und nochmals 27'000 Broschüren gedruckt
sowie unter anderem der WOZ beigelegt. Zudem wurde ein ergänzendes
Online-Portal geschaffen. 2020 stellten wir eine englische Übersetzung
online bereit. Seitdem kommen regelmässig punktuelle Ergänzungen
hinzu.
Zur Ratgeberseite
Ratgeber als PDF runterladen
Ratgeber «Nachhaltigkeit im Digitalen»
Seit 2021 wird der Ratgeber zur «Digitalen Selbstverteidigung» durch
eine Broschüre zur «Nachhaltigkeit im Digitalen» ergänzt. Dieser
Ratgeber nimmt sich der «nachhaltigen Digitalisierung» wie der
«digitalen Nachhaltigkeit» an. Die Broschüre und die Website können
von zwei Seiten gelesen werden: Einerseits geht es um den «digitalen
Fussabdruck» und andererseits darum, wie die Digitalisierung möglichst
ressourcenschonend, planetenfreundlich und nachhaltig zu gestalten
ist.
Zur Ratgeberseite
Ratgeber als PDF runterladen
Tor-Server
Das «Tor Project» und die darauf aufbauenden Dienste bieten weitgehend
unbeobachtete, sichere und zensurresistente Kommunikation. Tor ist
eines der wenigen Hilfsmittel, die wirkungsvoll vor Massenüberwachung
schützen. Dies ist wichtig für die eigene informationelle
Selbstbestimmung und unersetzlich für die politische
Auseinandersetzung in repressiven Staaten.
Die Digitale Gesellschaft betreibt seit jeher Tor-Server. Aktuell
bieten wir dreizehn Exit-Nodes auf vier Servern an und gehören damit
weltweit zu den leistungsstärksten Betreiber:innen.
DNS-Resolver
Seit Anfang 2019 bieten wir der Öffentlichkeit DNS-Resolver über die
verschlüsselten Kommunikationswege DNS-over-TLS (DoT) und
DNS-over-HTTPS (DoH) an. Die DNS-Resolver zeichnen keine Benutzerdaten
in Logfiles auf und haben keine Sperrlisten implementiert. Damit
bieten wir eine Alternative zu kommerziellen Betreiber:innen. Unsere
Konfiguration ist auf GitHub veröffentlicht.
Die redundanten Server erfüllen die DoH Resolver Policy von Mozilla.
haben wir auch unseren jährlichen Transparenz-Bericht veröffentlicht.
2023 wurden die Server von einer virtuellen Infrastruktur
. Die steigende Nutzung
diese Umstellung nötig.
Mehr zu DNS-Resolver
Online-Generator für Auskunft über eigene Daten
Ein wesentliches Element im Datenschutzrecht ist das Recht auf
Auskunft. Betroffene Personen können Auskunft über ihre eigenen Daten
verlangen. Sie können sich damit informieren, wofür, wie und wo ihre
Personendaten bearbeitet und verwertet werden. Zudem können sie
falsche Daten korrigieren oder ihre Daten löschen lassen. Das Recht
auf Auskunft ermöglicht betroffenen Personen überhaupt erst, ihr Recht
auf Datenschutz wirksam auszuüben.
Die Digitale Gesellschaft bietet seit 2021 einen Online-Generator an,
mit dem verschiedene Arten von Auskunftsbegehren mit wenigen
Mausklicks erstellt werden können. Mit einem Auskunftsbegehren lassen
sich beispielsweise die Daten anfordern, die Mobilfunk-Provider im
Rahmen der Vorratsdatenspeicherung über unser Kommunikations- und
Mobilitäts-Verhalten speichern. Es können aber auch die eigenen
Gesundheitsdaten bei Krankenkassen erfragt oder die Daten über die
eigene Kreditwürdigkeit bei Bonitätsdatenbanken beschafft werden.
2023 wurde der Online-Generator für Datenauskunftsbegehren
überarbeitet und ergänzt. Er basiert nun auf dem neuen
Datenschutzgesetz, das am 1. September in Kraft getreten ist, und
bietet auch die Möglichkeit, bei unvollständigen oder ausbleibenden
Antworten nachzuhaken und Daten berichtigen und löschen zu lassen.
Zum Datenauskunftsgenerator
Netzpodcast
Seit Anfang 2022 informiert unser Netzpodcast über die aktuellen
netzpolitischen Themen mit Bezug zur Schweiz und ordnet sie ein. Das
Themenspektrum umfasst Datenschutz und Überwachung, freien Zugang zu
Informationen, politische Teilhabe, Datensicherheit und d
Demokratie. Wir beleuchten die Netzpolitik aus einer kritischen,
zivilgesellschaftlichen Perspektive. Der Podcast erscheint alle drei
Wochen und ist auf allen üblichen Plattformen erhältlich. Co-Hosts sind Erik Schönenberger, Jörg Mäder, Rahel Estermann und
Florian Wüstholz.
Zum Netzpodcast
Treffen und Veranstaltungen
Winterkongress
Ende Februar 2023 fand zum sechsten Mal das grosse jährliche Treffen
der Digitalen Gesellschaft in der Schweiz statt. 400 Aktivistinnen,
Hacker und Interessierte trafen sich im Volkshaus in Zürich und
befassten sich mit Themen rund um Informationstechnologie, der
Vernetzung und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.
Das vielseitige Programm umfasste 30 Diskussionen und Vorträge mit
hochkarätigen Teilnehmer:innen. Bei den politischen Themen ging es
unter anderem um die Regulierung von Automated Decision-Making
(ADM)-Systemen, um Plattformregulierung sowie um die Zukunft von E-ID
und Justitia 4.0. Bei den rechtlichen Themen sprachen Praktiker:innen
und Wissenschaftler:innen unter anderem über die geplante
Datenschutz-Initiative, das Elektronische Patientendossier,
Cloud-Security und Cyberethik. Auch klassische Themen wie digitale
Infrastruktur, Sicherheitslücken, Überwachung und virtuelle Demokratie
waren vertreten am Winterkongress.
Der Winterkongress 2024 wird am 1. und 2. März 2024 im Casinotheater
in Winterthur stattfinden.
Mehr zum Winterkongress
Frühjahres- und Herbsttreffen
Die Frühjahres- und Herbsttreffen sind die «Parlamentssessionen»
der Digitalen Gesellschaft. Die Treffen stehen allen Mitgliedern und
eingeladenen Interessierten offen, um aktuelle Themen im grösseren
Kreis zu präsentieren und zu diskutieren. Nebst einem
Schwerpunktthema und einigen Kurzbeiträgen stehen jeweils die
Tätigkeiten der
der Digitalen Gesellschaft im Zentrum.
Fachgruppen werden an den Treffen auch formal gegründet (oder
aufgelöst). In den Fachgruppen der Digitalen Gesellschaft findet
dann die inhaltliche Arbeit statt. Die Gruppen benennen zwei
Hauptverantwortliche, konstituieren und organisieren sich aber
ansonsten selbst. Sie sind zuständig für die interne und externe
Kommunikation zu ihrem Thema und werden von der Fachbereichsleitung
und der Geschäftsstelle unterstützt.
In diesem Jahr fanden bereits die 25. und 26. Ausgabe der
Frühjahres- und Herbsttreffen statt. Das nächste Treffen findet am
4. Mai 2024 in der Bitwäscherei in Zürich (und remote) statt.
Politpulse
Die Digitale Gesellschaft ist aus einem offenen Zusammenschluss
netzpolitisch interessierter Gruppen und Einzelpersonen entstanden,
die sich der kritischen, digitalen Zivilgesellschaft verpflichtet
fühlen. Seit dem ersten Treffen 2011 finden die Frühjahres- und
Herbsttreffen regelmässig statt (siehe oben). Sie sollen auch
zukünftig der Vernetzung der verschiedenen netzpolitischen und
zivilgesellschaftlichen Organisationen dienen.
Seit 2011 hat sich jedoch die Digitale Gesellschaft wie auch das
Umfeld verändert. Immer mehr Entwicklungen und politische Vorstösse
betreffen digitale Grund-, Menschen- oder Konsument:innenrechte: Das
Geldspielgesetz enthält Netzsperren, eine Finanzvorlage eine zentrale
Auswertungsmöglichkeit für Vorratsdaten und mit der Zollgesetzrevision
droht eine neue Massenüberwachung im Inland. Solche Vorstösse und
Entwicklungen müssen systematisch erkannt, analysiert, priorisiert und
aufbereitet werden.
Unser Projekt «Politpulse» unterstützt zivilgesellschaftliche
Organisationen mit Hilfe von entsprechenden Tools, die Geschäfte und
Themen zu bearbeiten. Daraus entstehen gemeinsame Positionen und
Informationen für die Politik, wie Stellungsnahmen und
Vernehmlassungsantworten. Die Vernetzung dient auch der Identifikation
von unbeachteten Themen, um daraus aktiv Politik zu gestalten.
Das Netzwerk umfasst aktuell über dreissig Organisationen, dreimal
jährlich finden Treffen statt. 2023 haben wir zudem eine Kerngruppe
gegründet, die sich monatlich austauscht.
Netzpolitischer Abend
Einmal im Monat (meist am dritten Donnerstag) treffen sich Hacker,
Aktivistinnen und Interessierte zum netzpolitischen Abend im
Debattierhaus Karl der Grosse in Zürich. Im Mittelpunkt steht der
Austausch zu Themen rund um Informationstechnologie, Vernetzung und
deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Die Einführung und die
moderierte Diskussion werden auch live übertragen. Die Aufzeichnungen
können online nachgeschaut werden.
2023 fanden sieben
statt. Das Publikum war
. Der netzpolitische Abend ist eine wertvolle Ergänzung zum
Winterkongress.
Mehr zum Netzpolitischen Abend
Netzpolitik-Zmittag
Seit vielen Jahren essen wir einmal pro Monat gemeinsam Zmittag. Die
Treffen dienen dem ungezwungenen Austausch. 2023 ist das Mittagessen
in Neuchâtel (neben den bereits bestehenden in Basel, Bern,
Biel/Bienne, Lausanne, Luzern und Zürich) hinzugekommen.
Netzpolitik-Treff
: Seit 2022 öffnen wir wöchentlich, jeden Donnerstagabend ab 18.00
Uhr, unsere Tore in der Bitwäscherei in Zürich für ein lockeres
Treffen unter Mitgliedern der Digitalen Gesellschaft.
Gerne wird diese Zeit für die Zusammenarbeit in den Fachgruppen und
Small-Talk unter Gleichgesinnten genutzt. Selbstverständlich steht
dieses Treffen auch Personen offen, welche die Digitale Gesellschaft,
ihre Mitglieder sowie unsere Themen näher k.
Jugend hackt
Vom 20. bis 22. Oktober 2023 organisierten wir in Zürich einen
Hackathon speziell für Jugendliche ab 12 Jahren. Mit 17 engagierten
Teilnehmenden, 18 ehrenamtlichen Mentor:innen und 8 Teammitgliedern
wurden während «Jugend hackt» 5 beeindruckende Projekte zu Themen wie
digitale Selbstverteidigung, Ethik, Recht und Technologie entwickelt.
Die kreativen Ergebnisse umfassten Spiele, eine LED-Lichtshow, einen
regionalen Veranstaltungskalender sowie einen
Schadstoffkompensationsrechner.
Der Hackathon war ein voller Erfolg, weshalb wir daran arbeiten, das
Format zu verstetigen und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, ein bis
zweimal pro Jahr «Jugend hackt» durchzuführen, bei genügend Interesse
auch in anderen Schweizer Städten. Zudem wollen wir den Jugendlichen
einmal pro Monat die notwendige Unterstützung anbieten, damit sie in
der Bitwäscherei und durch Mentor:innen begleitet, an ihren Projekten
weiterarbeiten können.
Öffentlichkeitsarbeit
Veranstaltungen und Podien
Wir werden als fachkompetente und kritische Stimme regelmässig an
Veranstaltungen und Podien eingeladen. Im vergangenen Jahr war der
Verein beispielsweise an verschiedenen Podien zur E-ID und zur
Regulierung von «Künstlicher Intelligenz» vertreten.
Medien
In über hundert Artikeln fanden die Aktivitäten der Digitalen
Gesellschaft im Jahr 2023 Erwähnung. Wir sind als Expert:innen zu
verschiedenen Themen in der «NZZ», dem «Echo der Zeit», dem
«Tages-Anzeiger», der «Republik», «watson» und vermehrt auch in
anderen Landessprachen zu Wort gekommen.
Zum Medien-Echo
Geschäftsstelle
Administration
Die Geschäftsstelle der Digitalen Gesellschaft unterstützt und
koordiniert die ehrenamtliche Arbeit der Fachgruppen und stellt bei
langfristigen Projekten den Wissenstransfer sicher. Sie erledigt einen
grossen Teil der Administration und der Community-Interaktion. Sie ist
für die interne und externe Kommunikation zuständig und kümmert sich
um die Finanzierung.
Die Geschäftsstelle wird von Erik Schönenberger hauptberuflich
geleitet, nachdem er diese Tätigkeit bereits viele Jahre ehrenamtlich
ausgeführt hatte. Seit 2021 steht ihm Gian-Maria Daffré zur Seite, der
sich schwerpunktmässig um das «Backoffice» kümmert. Zudem unterstützt
die Juristin Anna Walter das Team bei rechtlichen Fragen. 2022 konnten
wir die Geschäftsstelle weiter ausbauen: Seitdem werden wir durch Mia
Gujer (Campaigning und Kommunikation) sowie Salvatore Pittà
(Finanzierung und Kommunikation) unterstützt.
Die Geschäftsstelle umfasst Ende 2023 somit 330 Stellenprozente.
Gemessen an
Aktivitäten der Digitalen Gesellschaft ist sie weiterhin deutlich
unterbesetzt. Ziel ist, sie mittelfristig auf ungefähr zehn Personen
(800 Stellenprozente) zu erweitern, um ein
zu erreichen. Dabei sollen die ehrenamtlichen Strukturen im selben
Masse gestärkt werden.
Romandie
2023 haben wir unsere Aktivitäten in der Romandie weiter verstärkt. Es
fanden regelmässige Netzpolitik-Mittagessen in Biel/Bienne, Lausanne
und Neuchâtel statt. Genève folgt 2024. In Lausanne haben wir uns
jeweils am ersten Freitag im Monat in den Räumlichkeiten der
(Société de Développement de Marterey - Bugnon et environs)
eingemietet, die wir als Büro- und Veranstaltungsraum nutzen können.
Ende August fand in diesem Lokal bereits ein erster Vortrag zum Thema
Digitale Nachhaltigkeit statt. In der SDMB hat im September auch ein
mit einem Dutzend Interessierten stattgefunden, um über die
Aktivitäten der Digitalen Gesellschaft zu informieren, die Bedürfnisse
und Erwartungen der Teilnehmer:innen zu eruieren sowie einige
Schwerpunkte der Aktivitäten für 2024 zu definieren.
Aktuell unterstützt uns die Fachgruppe «Romandie» bei den Übersetzung
des Newsletters, Social Media Beiträge und ausgewählten Blogposts
sowie Informationsseiten auf der Webseite societe-numerique.ch. Für
2024 ist die Umsetzung weiterer Projekte vorgesehen, die die
Einbindung dieser Region verstärken sollen.
Organisationsentwicklung
Über ein Jahr lang widmeten wir uns intensiv der eigenen
«Organisationsentwicklung». In über
trugen 20 Personen zu dieser Weiterentwicklung der Digitalen
Gesellschaft bei. In dem Rahmen verabschiedeten wir zunächst ein
Leitbild und erarbeiteten strategische sowie operative Ziele. 2023
konnte die Umsetzung in den Bereichen Strukturen, Kommunikations-,
Finanzierungsstrategie und Community-Building angegangen werden.
2023 haben wir zudem das Projekt «Wirkungsmanagement» gestartet. Damit
möchten wir unser Wirkungsmodell mit einer Projektplanung verknüpfen,
um möglichst effektiv agieren zu können.
Finanzierung
Damit die Digitale Gesellschaft mehr bewirken kann, ist ein
zielgerichtetes Wachstum und der effiziente Einsatz von Ressourcen
notwendig. Den Grundstein legte das Organisationsentwicklungs-Projekt,
welches im Herbst 2022 erfolgreich abgeschlossen werden konnte (siehe
oben). Bezüglich Finanzierung wurde in diesem Rahmen ein
siebenjähriger Finanzplan erstellt, der von einem stetigen Wachstum
der Umsätze und der Bilanzsumme ausgeht. Die tragenden Säulen bilden
Mitgliederbeiträge, Einzelspenden und Förderungen durch Institutionen.
Langfristig wurde zudem festgehalten, dass sich diese drei Säulen
gleichmässig weiter entwickeln sollen. Eine Einzelförderung der
Stiftung Mercator verhilft uns in den Jahren 2023 bis 2025 zur nötigen
Planungssicherheit und zum entscheidenden Schub.
Im ersten Jahr der Umsetzung konnten wir die Mitgliederbeiträge nicht
nach Plan erhöhen. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen in vielen
anderen Vereinen, werten wir das dennoch erfolgte Wachstum um 5'000
Franken als gute Ausgangslage, um dank neu erarbeiteten Massnahmen in
Zukunft auch hier wieder stärker wachsen zu können. Dazu gehören die
regelmässige Durchführung von «Jugend hackt», ein Projekt zur
stärkeren Präsenz in der Romandie und ein verstärkter,
kontinuierlicher Fokus auf die Diversifizierung unserer
Mitgliederstruktur.
Als neues Kernelement der Einzelspenden-Sammlung konnten wir 2023
unsere eigene Crowdfunding-Plattform einführen. Erste Erfahrungen mit
dem neuen Tool machten wir mit einer Kampagne zur Finanzierung unserer
Tor-Server und DNS-Resolver (siehe oben), mit der wir dank 140
Spender:innen 14'000 Franken sammeln konnten. Die zweite Kampagne galt
der Finanzierung unserer strategischen Rechtsverfahren (siehe
Kabelaufklärung und Vorratsdatenspeicherung) und brachte uns dank 130
Spender:innen 26'500 Franken ein. Beide Beträge wurden nach Abzug der
Kosten für 2023 als zweckgebundenes Kapital für die Folgejahre
abgegrenzt:
Nach Plan erhöhen und gleichzeitig diversifizieren konnten wir
schliesslich die Einnahmen aus Förderungen durch Institutionen. Zu den
oben genannten Förderungen der Stiftung Mercator für die
Organisationsentwicklung (250'000 Franken) und die Wirkungsakademie
(15'000 Franken) und den bereits im Vorjahr erzielten Förderungen für
den Winterkongress 2023 (16'500 Franken) gesellten sich
Projektförderungen für unser neues Datenschutz-Konzept (26'000
Franken) und Jugend hackt (38'000 Franken) hinzu, für die wir fünf
neue Institutionen gewinnen konnten.
Im Endergebnis resultiert ein Gewinn von 66'000 Franken in der
Jahresrechnung und eine um 120'500 Franken erhöhte Bilanzsumme, die
wir beide benötigen, um unsere Liquidität angesichts des geplanten
Wachstums auch nach 2025 sicherzustellen. Betrachtet man die
Verteilung der Einnahmen nach Säulen, fällt auf, dass die beiden
ersten Finanzierungssäulen langsamer wuchsen als die dritte. In den
nächsten Jahren wird demnach entscheidend sein, auf die Säulen
Mitglieder und Einzelspenden zu fokussieren.
Organisation
Vorstand
- Claudia Schreiber
- Lorenz Schori
- Patrick Stählin
- Rahel Estermann
- Salome Zehnder
- Simon Gantenbein
- Viktor Györffy
Revisionstelle
- Hans-Peter Oeri
-
Pat Andrea Mächler
Geschäftsstelle
- Anna Walter
- Erik Schönenberger
- Gian-Maria Daffré
- Mia Gujer
- Salvatore Pittà
Medienstelle
- Verein nach Schweizer Recht
- Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit
Struktur
Jahresrechnung 2023
Die Digitale Gesellschaft 2023
1050 Mitglieder, davon 100 aktive
18 Organisationen
|
CHF |
Einnahmen |
498'544.88
|
Mitgliederbeiträge |
68'315.01
|
Spenden |
77'156.47
|
Förderbeiträge |
|
Dienstleistungen |
18'656.40
|
Erlösminderungen |
-1'583.00
|
|
|
Ausgaben |
432'556.59
|
Personalkosten, intern |
296'147.15
|
Personalkosten, extern |
25'748.99
|
Dienstleistungen |
77'507.25
|
Administration und Betrieb |
33'153.20
|
|
|
Gewinn |
65'988.29
|
Aktiven
|
|
Umlaufvermögen |
|
Flüssige Mittel |
285'782.84
|
Aktive Rechnungsabgrenzungen |
15'510.11
|
|
|
Total Aktiven
|
301'292.95
|
|
|
Passiven
|
|
Kurzfristiges Fremdkapital |
|
Passive Rechnungsabgrenzung |
40'959.47
|
|
|
Fondskapital |
|
Zweckgebundene Spenden |
43'918.18
|
|
|
Eigenkapital |
|
Vereinsvermögen |
150'427.01
|
Gewinn |
65'988.29
|
Total Passiven
|
301'292.95
|
|
Bestand 1.1.2023 |
Zuweisungen |
Verwendung |
Veränderung |
Bestand 31.12.2023 |
DNS- & Tor-Server |
0.00 |
17'027.41
|
2'704.54 |
14'322.87
|
14'322.87
|
Strategische Rechtsverfahren |
17'419.20
|
23'427.15
|
11'292.01
|
12'135.14
|
29'554.34
|
|
|
|
|
|
|
Total
|
|
|
|
|
|
Förderungen und Zuwendungen
Spenden und geldwerte Leistungen von Institutionen:
Amnesty International Schweiz |
Partnerschaft |
5'000 |
Benevity |
Spenden |
6'066.15 |
Chaos Computer Club e.V. |
Winterkongress 2023 |
9'382.43 |
Christoph Merian Stiftung |
Datenschutz-Konzept |
26'000 |
CommunityRack.org |
DNS-Resolver |
2 virtuelle Server |
Gemeinnütziger Fonds der Bildungsdirektion des Kantons Zürich
(Lotteriefonds)
|
Jugend hackt |
10'000 |
Hasler Stiftung |
Jugend hackt (Defizitgarantie) |
10'000 |
Human Rights Watch |
Betrieb Tor-Exit-Nodes |
|
Init7 |
Winterkongress 2023 |
Uplink |
Init7 |
Spende |
5'555 |
Karl der Grosse |
Netzpolitischer Abend |
Location |
Stiftung Mercator |
Organisationsentwicklung |
250'000 |
Stiftung Mercator |
Wirkungsakademie |
15'000 |
Nine Internet Solutions AG |
Vergünstigung 1 Tor-Server |
360 |
Rote Fabrik |
Winterkongress 2023 |
7'000 |
Stiftung Perspektiven (der Swiss Life)
|
Jugend hackt |
8'000 |
Stiftung SWITCH |
2 Tor-Server |
2 Server |
Ticketpark GmbH |
Winterkongress 2023 |
Ticketing-System |
WOZ Wochenzeitung |
Medienpartnerschaft Winterkongress und Netzpolitischer Abend
|
|
Impressum
Digitale Gesellschaft
4000 Basel
Schweiz
office@digitale-gesellschaft.ch
7EC7 496F 10AF D8D5 04B0
0B9C 202C 8998 CCEB FB34
www.digitale-gesellschaft.ch
Postkonto: 61-177451-1
PostFinance AG, 3030 Bern
CH15 0900
0000 6117 7451 1
POFICHBEXXX
Januar 2024